© ORF.at/Nadja Igler, App-Store auf dem iPhone

Experimentieren mit dem App Store

MOBILE
12.08.2009

ITap RDP Client ermöglicht den mobilen Remote-Zugriff auf Windows-Rechner vom iPhone aus und ist die zweite iPhone-Applikation des österreichischen Anbieters HLW. Gute Ideen hätten auf dem iPhone immer eine Chance, meinen die Entwickler, allerdings brauche man auch ausreichend Programmierkenntnisse. "Ein Script-Kiddie braucht sich nicht zu bemühen, da ist Android besser."

Die erste Anwendung, iTap Touchpad, sei noch "ein Schuss ins Blaue" gewesen, ein Testballon im Apples App Store, erzählen Peter Honeder, Florian Pflug und Michael Lacher von der Wiener Software-Firma HLW. Der Prototyp sei relativ schnell fertig gewesen, zwei Mannwochen brauchten die Entwickler laut eigenen Angaben inklusive Testen, seit September wird die Anwendung im App Store angeboten.

ITap Touchpad lässt den Nutzer seinen Windows- oder Apple-Rechner über WLAN vom iPhone und iPod Touch aus steuern. Das Gerät dient dabei als Touchpad, das die vom Apple bekannten Gestures unterstützt, eine Tastatur kann ebenfalls eingeblendet werden.

Entwicklungskosten eingespielt

Es sei zwar nicht das erste Programm seiner Art, doch an den anderen Programmen habe sie gestört, dass viele Dinge auf dem iPhone abgelegt waren, auf das man bei der Benutzung ohnehin nicht schaue. Daher sei der Ansatz gewesen, die Anwendung möglichst einfach zu halten und viele Dinge mit Gestures zu lösen, "weil man ja auch nicht spürt, wo man mit dem Finger ist, auf dem Ding", erklärt Pflug.

Die Entwicklung habe sich auf jeden Fall rentiert, selbst wenn man den zeitaufwendigen Support einberechne, so Honeder. Die erste Version wurde um zwei Dollar angeboten, die jetzige mit Keyboard kostet seit Oktober vier Dollar (drei Euro im österreichischen Store). "Es verkauft sich immer noch, der Peak war um Weihnachten", so Honeder.

Remote-Steuerung für Windows-Rechner

Die Entwicklung des zehn Euro teuren iTap RDP Clients sei hingegen von Anfang an auf Gewinn ausgelegt gewesen, auch ein Budget gab es dafür. "Beim Touchpad haben wir uns das einmal angesehen, auch die Bürokratie, wie das alles funktioniert", fügt Honeder hinzu. Der iTap RDP Client verkaufe sich sehr gut, habe wesentlich mehr kommerzielles Potenzial als sein Vorgänger und sich bereits nach einem Monat rentiert.

Mit dem Programm kann sich der Nutzer mit seinem Windows-Rechner verbinden und über das iPhone mit Gestures fernsteuern. Laut den Entwicklern zeichnet sich das Programm durch die Benutzung des Windows-RDP-Protokolls mit vielen Features und seine Schnelligkeit aus, selbst via GPRS. So kann der Nutzer speziell für 3G-Verbindungen die Farbtiefe und die Auflösung eigens einstellen, um Bandbreitenprobleme zu vermeiden. Die Leistung kann etwa durch das Wegschalten von Animationen weiter optimiert werden.

Neue Features

Zudem muss der Nutzer nicht jedes Mal das Passwort neu eingeben, wenn er zum Beispiel während einer Session seine E-Mails checkt. Dafür sendet der Server ein Cookie wie bei einer Web-Session, das Passwort wird nicht auf dem iPhone gespeichert. Für Bedienvorgänge, bei denen Präzision gefragt ist, gibt es eine Zoomfunktion.

Für die Unterstützung der Textfelder auf dem Remote Desktop muss der iTap Receiver auf dem Server ausgeführt werden. Das kann entweder über eine Exedatei oder die Installation des Receivers geschehen.

Durch Updates und neue Features, wie erweiterte Verschlüsselung und die Unterstützung von https, soll das Programm lange am Leben erhalten werden und vor allem Geschäftskunden ansprechen. Mit der kommenden Version 1.1 werden nun unter anderem Textfelder auf dem ferngesteuerten Desktop unterstützt: Sobald der Nutzer in ein Textfeld hineinklickt, erscheint wie auf dem iPhone selbst automatisch das Keyboard, das auch Funktions- und Cursortasten anbietet.

Versuch und Irrtum

Für den kommerziellen Erfolg im App Store sind allerdings mehrere Komponenten verantwortlich: Die Entwickler investierten laut eigenen Aussagen viel Zeit und Hirnschmalz in die Beschreibungen im App Store: "Wir haben am Anfang lange damit gekämpft, wie man den Text macht und die App titelt, weil man im Store ja nur wenig unterbringt. Es waren viele Experimente", erzählt Pflug. Lacher fügt hinzu: "Beim RDP Client haben wir vor kurzem den Titel geändert, und seitdem verkauft es sich doppelt so gut."

Von Apple gebe es keine Richtlinien, Hilfestellungen und Feedback zu diesen Aspekten des Verkaufs, viel funktioniere einfach nach dem Trial-and-Error-Prinzip. Jeden Tag können sich die Entwickler die Verkaufszahlen nach Ländern und Tag aufgeschlüsselt ansehen und dann herausrechnen, was gut funktioniert hat und was nicht - bis Anfang August habe es überhaupt nur Wochen- und davor nur Monatsstatistiken gegeben.

"Am Anfang ein chaotischer Haufen"

Dabei sei noch vieles vom früheren iTunes-Kerngeschäft, der Musik, dominiert: "Unsere Firma wird in den Statistiken als Interpret aufgeführt, die effektive Software sind die Songs. Das ist eins zu eins so, wie es von der Musikindustrie kommt und etabliert ist", erzählt Lacher. Das Konzept sei einfach auf die Entwickler umgelegt worden, ohne je groß mit diesen zu reden, wie sie sich das vorstellen, fügt Pflug hinzu.

"Es ist nicht so schlimm, sie entwickeln ja noch. Aber am Anfang war das ein chaotischer Haufen mit einem unterentwickelten System", versucht Honeder zu relativieren. Auch Pflug erklärt, dass das iPhone und der App Store auf Druck entstanden waren und Ressourcen für ein passendes System dahinter teuer sind.

HLW entwickelte bisher vor allem Auftragssoftware für Firmen, unter anderem Content-Management-Systeme für Websites und auch einen Lkw-Simulator.

"Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob alle Entwickler im App Store gleich behandelt werden. Wenn Electronic Arts ein E-Mail an Apple schreibt, bin ich mir sicher, dass die eine Antwort bekommen. In der Masse verdient Apple natürlich mit uns, aber wenn die jedes Support-E-Mail beantworten müssen - so viele Leute gibt es ja gar nicht", sagt Lacher. "Man sieht, die verdienen damit gut, sie brauchen gar nicht mehr machen", meint Honeder. Im Großen und Ganzen funktioniere es, jede Plattform habe ihre Tricks und Kniffe, und die Dokumentation und das Reference Manual vom SDK seien dafür wirklich gut gemacht.

Mobilfunkverträge als Entwicklungskosten

Wirklich anstrengend sei aber, dass man auch als Entwickler das iPhone nur mit Vertrag über einen Mobilfunkprovider beziehen könne, sind sich die drei einig. Der Preis von bis zu ein paar tausend Euro schlage sich dann auf die Entwicklungskosten drauf. "Und wenn mein iPhone eingeht, kann ich mich mit meinem Mobilfunkprovider herumstreiten, anstatt ins nächste Geschäft zu gehen, um mir dort ein neues iPhone zu kaufen. Für das 3GS mussten wir einen neuen Vertrag anmelden", erzählt Pflug.

Zwar gibt es mit dem iPod Touch einen gangbaren Workaround, für manche Dinge brauche es aber ein iPhone, und das 3GS habe doch schon ein paar signifikante Änderungen, wie bessere Grafikleistung und einen doppelt so großen Arbeitsspeicher. Damit stehe den Entwicklern effektiv das Zehnfache an RAM zur Verfügung, denn alleine das OS mit dem im Hintergrund laufenden Safari und Mail-Client belege bereits um die 100 MB. Gerade den RDP Client mussten sie daher massiv optimieren.

"Auf dem iPod Touch ist das besser, weil da der ganze Telefonteil fehlt, da hat man 40 MB frei im Allgemeinen. Auf dem iPhone sind es teilweise nur zehn, damit muss man rechnen", so Honeder, denn auch jedes Icon knabbere am RAM-Volumen. Vergleichbares gelte für das neue iPhone-OS 3.0, dass sich - da kostenpflichtig - auf dem iPod Touch wohl weniger stark durchsetzen werde als auf dem iPhone, wo es kostenlos ist. Es gebe aber nur halboffizielle Statistiken über die Verbreitung, von Apple selbst gar keine.

"Es ist zäh und schon eher Hardcore"

Grundsätzlich sei es interessant, für das iPhone zu programmieren, sagt Honeder, und Pflug meint, dass der App Store unkompliziert sei und vorab keine hohen Kosten entstehen würden, daher habe er sich angeboten. "Einfacher zu programmieren ist Android", fügt Lacher hinzu, allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, denn komplexe Dinge seien unter Android nur schwer bis gar nicht möglich. Multitouch fehle bisher, gerade beim iTap Touchpad müssten sie daher tricksen. Die Portierung des RDP Clients auf Android sei ebenfalls nicht ganz trivial.

"Das iPhone ist aus Sicht der Programmierer schwieriger, aber man kann wesentlich interessantere Dinge machen, und es schaut auch besser aus", meint Lacher. "Man muss halt ein halbwegs guter Programmierer sein, ein bisschen PHP oder Visual Basic reicht nicht. Es ist zäh und schon eher Hardcore, was man da machen muss. Ein Script-Kiddie braucht sich nicht zu bemühen, da ist Android besser, da kann man leichter was zusammenhacken. Auf dem iPhone geht man unter, das ist nicht einfach."

Uniformität als Vorteil

Mögliche Probleme sehen die Entwickler für beide Plattformen: "Derzeit ist die Auflösung bei den iPhones gleich, jedes Nutzerinterface kann man genau darauf hinentwerfen, es ist alles hardgecoded. Wenn Apple nun die Auflösung ändert, funktioniert nichts mehr. Dann verkauft der App Store nur fehlerhafte Anwendungen", so Honeder. Bei der Android-Plattform sei hingegen die Idee, dass sie möglichst breit werden soll, meint Pflug, wenn dann ein Hersteller meine, die CPU oder die Anordnung der Knöpfe zu verändern, könne er so manches Bedienkonzept zerstören.

"Bis Ende des Jahres sollen 30 Android-Handys auf den Markt kommen, die muss man dann alle zum Testen kaufen", meint Honeder. Das sei auch ein enormer Zeitaufwand, erklärt Lacher. "Auf den Handys galt lange Zeit, es gibt ein Display und darunter Zifferntasten. Derzeit löst sich das alles auf. Solange sich nicht herauskristallisiert, wie ungefähr schaut ein Handy aus, wird die Idee, ich schreibe eine Applikation Hersteller-unabhängig, wie es Android ja gerne hätte, nicht funktionieren", ist sich Pflug sicher.

Ohne Fleiß geht nichts

Grundsätzlich sei die Goldgräberstimmung auf dem iPhone vorbei, meint Honeder, "die war nur bei den Unerfahrenen vorhanden, die glauben, sie werden damit reich. So funktioniert das nicht, das Geschäft ist wie jedes andere: Man muss sinnvoll programmieren können. Wenn man sich anschaut, welche Anwendungen erfolgreich sind, sind das sehr professionelle Projekte."

Der App Store eröffne allerdings gerade kleinen Entwicklern und Firmen mit guten Ideen viele Möglichkeiten, meint Pflug, vor allem weil Apple die ganze Distribution übernehme und 30 Prozent Beteiligung dafür eigentlich nicht so schlimm seien. Die Software für das iPhone sei zudem klein, der Aufwand entsprechend geringer als auf dem Desktop, und man sehe schnell, ob die Anwendung funktioniere oder nicht. " Die normale Distribution hat ja auch Margen zwischen 30 und 50 Prozent", fügt Honeder hinzu. Und ohne den App Store und die richtige Platzierung darin gehe ohnedies nichts.

Bei Spielen, die 80 Prozent im App Store stellen würden, sei das etwas anders, da sei der Grafikaufwand enorm und die Konkurrenz viel größer. "Da konkurriere ich mit allen Anbietern, bei Businessanwendungen konkurriere ich wie in unserem Fall mit vier oder fünf. Es ist viel entspannter", sagt Honeder, und Lacher meint: "Die Leute sind verwöhnt, es muss alles flashy, bunt und animiert sein, gut ausschauen. Das muss man dann auch bieten."

Mehr zum Thema:

(futurezone/Nadja Igler)