Mobilfunker sollen Festnetz retten
Anrufe ins Festnetz werden teurer - vorerst auf jeden Fall für die Mobilfunker. Die Anhebung der Terminierungsentgelte sei ein unvermeidbarer Schritt, so RTR-Chef Georg Serentschy, obwohl sich die Kostenspirale so weiter drehen werde und auch höhere Endkundenpreise drohen. Das Festnetz habe aber lange genug den Mobilfunk subventioniert. UPC begrüßt den Schritt und will ebenfalls mehr Geld.
Die Terminierungentgelte, jene Gebühren, die sich die Betreiber für eine Weiterleitung eines Gesprächs ins eigene Netz untereinander verrechnen, sind wieder ein heißes Thema auf dem heimischen Telekommarkt - diesmal allerdings im Festnetz.
Der Bescheid habe sofortige Rechtswirksamkeit, erklärte "3"-Regulierungsexperte Bernhard Wiesinger am Freitag gegenüber ORF.at. Das heißt, "3" muss auch sofort den höheren Preis bezahlen. Innerhalb von sechs Wochen kann der Mobilfunker Einspruch erheben, wobei sich "3" das noch vorbehält.
Am Freitag wurde bekannt, dass ein vom Mobilfunker "3" angestrengtes Verfahren, mit dem Ziel, geringere Terminierungsentgelte ins TA-Festnetz zahlen zu müssen, nach hinten losging und sie per Bescheid der Telekom-Control-Kommission (TKK) um rund 30 Prozent angehoben wurde. T-Mobile-Chef Robert Chvatal warf daraufhin der Telekomregulierungsbehörde (RTR) eine Quersubventionierung der TA vor und kündigte wie auch Orange-Chef Georg Krammer rechtliche Schritte an.
Die Proteste der Mobilfunker kann Serentschy nicht ganz nachvollziehen: "Mit vollen Hosen ist gut stinken. Der Mobilfunk wurde in den letzten zwölf Jahren massiv vom Festnetz quersubventioniert, irgendwann ist Schluss mit lustig." Immer noch seien die Terminierungsentgelte in den Mobilfunk deutlich höher als ins Festnetz. Früher sei das industriepolitisch gewünscht gewesen, der Mobilfunk dürfe bestimmte Netzelemente einberechnen, die das Festnetz nicht hinzuziehen dürfe, erklärt Serentschy die Diskrepanz.
Steigen der Endkundenpreise möglich
Glücklich über die Entscheidung sei er trotzdem nicht, so Serentschy, denn wenn die Nutzung des Festnetzes, womöglich auch aufgrund höherer Endkundenpreise, weiterhin sinke, dann würden nach den aktuellen Kostenrechnungsmodellen die Kosten für die einzelne Minute weiter steigen, damit wiederum die Terminierungsentgelte und irgendwann wohl auch die Endkundenpreise: "Die Kostenspirale wird sich weiterdrehen."
Derzeit kostet die Weiterleitung in Mobilfunknetze pro Minute vier Cent, ins Festnetz je nach Tageszeit zwischen 0,48 (Off-Peak, lokal) und 2,25 Cent (Peak, national). Rund 75 Prozent der nationalen Telekommunikation werden über Mobilfunknetze geführt, der Rest im Festnetz.
Serentschy glaubt nicht, dass mit der aktuellen Entscheidung die Endkundenpreise bereits steigen werden. Die Mobilfunker erklärten bereits am Freitag, dass der Marktdruck eine Gebührenerhöhung nur schwer zulassen werde. Auf lange Sicht sei das aber durchaus möglich - je nachdem, wie stark die Kosten für eine Festnetzminute im Endeffekt steigen, so Serentschy.
UPC prüft Möglichkeiten
UPC-Austria-Geschäftsführer Thomas Hintze begrüßt die Entscheidung, auch wenn sie vorerst nur zwischen TA und "3" gilt. "Wir fordern seit Jahren, dass es endlich mehr Symmetrie bei den Terminierungsentgelten gibt." UPC prüfe gerade, was der Entscheid für sie bedeute und wie auch UPC davon profitieren könne, da im UPC-Festnetz ebenfalls weniger telefoniert werde und daher die Kosten für eine einzelne Minute auch bei diesem Anbieter steigen würden.
UPC müsste nun entweder selbst gegen einen Mobilfunker klagen oder die RTR einen entsprechenden Bescheid ausgeben, so Hintze. Serentschy erklärte auf Nachfrage, dass er damit rechne, dass sich der nun festgesetzte Preis "rasch" als Standard für die ganze Branche durchsetze, wie sei allerdings juristisch noch nicht geklärt.
"Bill and Keep" rechtswidrig
Hintze ist überhaupt für eine völlig Symmetrie, also das sich alle gegenseitig immer den gleichen Betrag bezahlen (und damit de facto nichts) - das ist laut Serentschy aber nicht möglich, da "glatt rechtswidrig", denn die EU schreibe derzeit vor, dass die Entgelte kostenbasiert zu verrechnen sind. Serentschy hatte schon mehrmals seine Präferenz für dieses "Bill and Keep" genannte Modell geäußert, das international allerdings zu Wettbewerbsnachteilen führen würde, da dort weiter Entgelte verrechnet werden würden.
Die RTR habe dafür aber ein anderes, von einem Ökonomen entwickeltes Modell für die Terminierungsentgelte namens "Capacity based charching" vorgeschlagen, so Serentschy. Dabei kaufen die Betreiber Kapazitäten ein, die dann flexibel eingesetzt werden können. Die Branche habe das jedoch durchwegs abgelehnt und wollte bei der Minutenabrechnung bleiben.
Die Diskussion müsse aber weitergeführt werden, das sei ein attraktives Modell gerade für Österreich, so der RTR-Chef. Die Nachfrage nach Festnetzbreitband könne den Rückgang der Telefonieminuten nämlich nicht ausgleichen, da sie mangels passender Angebote immer noch zu niedrig sei. Im Mobilfunk führte der Boom des Breitbands dazu, dass die Kosten für die einzelne Minute und damit die Terminierungsentgelte sehr wohl sanken - doch auch hier sei der "Sprache-Daten-Faktor" heiß umfehdet, so Serentschy.
Die EU-Kommission hatte beim aktuellen Entscheid beanstandet, dass die RTR zu deutlich höheren Kosten (68 Prozent) als die TA (30 Prozent) selbst gekommen ist. Serentschy erklärte dazu, dass die RTR ausgerechnet habe, was kostentechnisch möglich sei, der Antrag der TA sei eben niedriger ausgefallen. "Vielleicht haben sie sich nicht mehr getraut, es ist ja auch die Frage, ob das im Konzern so gut ist." Die EU monierte zudem, dass das neue Kostenrechnungsmodell noch nicht zur Anwendung gekommen ist: "Ich bin vollkommen dafür, dass es einheitliche Standards in der EU gibt. Aber solange die Deadline nicht erreicht ist, gibt es keinen Grund, die schärferen Maßnahmen schon jetzt einzusetzen." Die TKK genehmigte schließlich den Antrag der TA.
Symmetrie "vielleicht" in fünf Jahren
Hintze könnte naturgemäß auch gut damit leben, wenn die Terminierungsentgelte ins Festnetz einmal höher sind als in den Mobilfunk, dann könne nämlich die Festnetztelefonie billiger werden: "Der Mobilfunk kann nur deswegen so günstige Tarife anbieten, weil er durch das Festnetz subventioniert wird." Das Ende des Festnetzes sieht er trotzdem nicht kommen, UPC glaube daran, vor allem in Form von Breitband. Für die Mobilfunker beziehungsweise die Kunden werde es nun aber teurer, so Hintze.
Eine endgültige Symmetrie könne es in frühestens fünf Jahren, "vielleicht" geben, so Serentschy. Wenn die neuen Kostenrechnungsstandards der EU, die zu einer Harmonisierung der Berechnung der europäischen Terminierungsentgelte führen sollen, gelten, würden zudem sowohl im Mobilfunk als auch im Festnetz die Entgelte wieder gesenkt - bei den Mobilfunkern steht das nächste Verfahren in eineinhalb Jahren an.
TA hebt Entgelte für alle an
Die TA selbst will nun auch in Vertragsgespräche mit den anderen Mobilfunkern eintreten, denn der aktuelle Entscheid regelt eben nur den Vertrag zwischen der "3" und der TA. Nun müssten die anderen Verträge entsprechend erneuert und die Terminierungsentgelte angehoben werden: "Das machen wir auf jeden Fall", so TA-Konzernsprecherin Elisabeth Mattes. Sollten sich die Mobilfunker dagegen zur Wehr setzen, werde ein Bescheid genauso ausfallen wie das aktuelle gegen "3", so Serentschy.
(futurezone/Nadja Igler)