Der langsame Sieg der schnellen Glasfaser
Obwohl sich die Wissenschaft seit einem Jahrhundert erfolgreich mit der Datenübertragung über Lichtleiter beschäftigt, geht die Anbindung von Haushalten an schnelle Glasfasernetze nur schleppend voran. In Europa sind derzeit nur zwei Millionen Haushalte an das Glasfasernetzwerk angeschlossen. In den USA zählt man vier Millionen und im asiatischen Raum über 30 Millionen mit Glasfaser vernetzte Haushalte.
Am Sonntag in "matrix"
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Es sei schon was Wahres an der Aussage dran, dass die Menschen die Bandbreite auch voll ausnutzen, wenn sie sie zur Verfügung haben, meint Dave Payne. Der altgediente Netzwerkexperte beendete vor kurzem sein über drei Jahrzehnte währendes Dienstverhältnis bei der Britisch Telecom. Ingenieure, so Payne weiter, werden nie genug tun können, um die Wünsche der User nach mehr und schnellerer Datenübertragung zu erfüllen.
Lange Forschungstradition
"Geht man von den ersten Analysen aus dem Jahr 1910 von Demetrius Hondros und Peter Debye über Lichtleitfasern und dem ersten Vorschlag aus dem Jahr 1966 zur Breitbandübertragung von Charles Kao und Georg Hockham aus, so kann man feststellen, dass die Forschungsbemühungen in diesem Bereich weltweit zugenommen haben, vor allem in den Ländern USA, Großbritannien und Japan." (Kuen Charles Kao, M. E. Collier: Fibre-optical systems in future telecommunication networks, 1975.)
Harte Überzeugungsarbeit
An den Ingenieuren liegt es aber nicht, dass heute in Europa laut Angaben der Industrieorganisation FTTH Council Europa erst zwei Millionen Haushalte direkt an das Glasfasernetzwerk angeschlossen sind. Denn ihre Arbeit an optischen Systemen für die Datenübertragung begann bereits vor rund 100 Jahren mit der Forschung an Lichtleitfasern.
Charles Kuen Kao arbeitet seit den 1960er Jahren an der Datenübertragung via Glasfaserkabel. Seinen Vortrag auf dem World Telecom Forum 1975 in Genf könnte man auch als Ausdruck der Resignation eines Wissenschaftlers werten, der seit Jahren versucht, die Welt von den Vorteilen von Glasfasernetzen zu überzeugen.
Worte des Nobelpreisträgers
"Sie (Glasfasernetze, Anm.) erlauben eine hohe Bandbreite, und der Datenverlust bei der Übertragung ist gering, genauso wie die Materialkosten. Das Material selbst ist leicht und immun gegenüber elektromagnetischen Interferenzen. Weiters sind derartige Netzwerke schwer zu entdecken oder abzuhören." (Charles Kao 1975, World Telecom Forum Genf)
Das Militär horcht auf
Vorteile, die damals vor allem das Militär und die ARPA, die Forschungsinstitution im Pentagon, überzeugte - die Post- und Telegrafenbetreiber aber nicht. Letztere, so Kao in seinem Vortrag in Genf, seien generell eher konservativ eingestellt und wahrscheinlich gut beraten, weiterhin Kupferkabel zu verlegen. Diese Woche erhielt er jedoch Genugtuung: In Stockholm verlieh ihm die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der Datenübertragung über Glasfasern den Nobelpreis für Physik.
Die direkte Anbindung von privaten Haushalten an die Glasfasernetzwerke hingegen wird aber noch weiter auf sich warten lassen. Dieses Problem bereitete Payne in den vergangenen zehn Jahren Kopfschmerzen. Er macht den wirtschaftlichen Druck auf die ehemaligen Postmonopolisten dafür verantwortlich und ortet unrealistische Forderungen der Regulierungsbehörden. So schreibt der Regulator in Großbritannien vor, dass die Investitionen in das Netzwerk mit Hilfe von neuen Services erwirtschaftet werden müssen - und zwar innerhalb von nur 18 Monaten. Wenn der Anbieter diese Vorgabe in dieser Zeitspanne nicht erfüllen kann, dann könne der Regulator den ganzen Dienst stoppen und den Provider dazu zwingen, das neue Angebot wieder vom Markt zu nehmen.
Vorbild Südkorea
Diesen Sommer machte die britische Regierung mit einer weiteren Ankündigung auf sich aufmerksam. Mittels einer Förderung in Höhe von 217 Millionen Euro will sie dafür sorgen, dass alle Haushalte in Großbritannien bis 2012 mit einer Bandbreite von mindestens zwei Mbit/s ans Internet angeschlossen sind.
Heute löst eine derartige Ankündigung freilich wenig Begeisterungsstürme aus. Zumindest, wenn man in der Stadt lebt. Nutzer und Provider schielen nach Südkorea und Japan, von wo seit Jahren berichtet wird, dass Anbindungen bis zu 100 Mbit/s keine Seltenheit mehr sind.
Infrastruktur für Übermorgen
Auf der ECOC, der Messe für optische Kommunikationssysteme, die im vergangenen September in Wien stattfand, debattierte man über Übertragungsraten von zehn bis 40 Gigabit pro Sekunde. Nicht nur in Großbritannien wird man darauf noch länger warten müssen: Die Ankündigung der britischen Regierung besagt, dass in den nächsten Jahren die Förderungen in der Verbreitung von ADSL und in die Wartung von Kupferleitungen fließen werden.
Hinter den Kulissen der Messe lassen sich auch Stimmen vernehmen, die die Übertragungsraten der DSL-Derivate für den Privatgebrauch für ausreichend halten. Daran sei auch was dran, meint Payne, fügt aber hinzu, dass es den Telekommanagern heute an Weitsicht fehle. Sie seien zu sehr mit dem Morgen beschäftigt, als dass ihnen Zeit dafür bliebe, an das Übermorgen zu denken.
Teurer Parallelbetrieb
Bereits vor mehr als 30 Jahren richtete der heutige Physiknobelpreisträger Kuo den Telekommunikationsbetreibern aus: Die Investitionen in Glasfasernetze würden sich sehr schnell bezahlt machen, schon allein deswegen, weil die Wartungsarbeiten weniger aufwändig seien. Heute, so Payne, liege das Dilemma der Betreiber darin, dass Gewinne mit dem Ausbau in Glasfasernetzwerken nur dann geschrieben werden könnten, wenn die letzten Kupferleitungen verschwunden seien. Solange ein Parallelbetrieb aufrechterhalten werden müsse, lasse sich auch kein Gewinn erwirtschaften.
Es sind heute auch nicht so sehr Anwendungen wie Video und Telekonferenzen, die die Investitionen in Glasfasernetze in die Haushalte rechtfertigen würden. Schließlich werden die Kompressionsverfahren besser und für die meisten Kunden ist eine Anbindung mit einer Bandbreite von 16 Mbit/s Zukunftsmusik.
Es gibt eigentlich nur ein einziges Argument, das dafür spricht, bereits jetzt die Häuser und Haushalte an das Glasfasernetz anzuschließen: Es kommt nichts Besseres nach. Weder in den Labors noch in der Industrie wird derzeit an einer Alternative zu optischen Systemen bei der Datenübertragung gearbeitet. Glasfasernetze, so Payne, markieren bis heute anscheinend das Ende der Geschichte.
Dave Payne im ORF-Interview 2009
(matrix/Mariann Unterluggauer)