Was Roboter über Menschen erzählen
Fantasien von Automaten und Robotern geistern seit geraumer Zeit durch Literatur und Science-Filme. Der vor kurzem veröffentlichte Sammelband "Public Fictions. Wie man Roboter und Menschen erfindet" untersucht, was diese Fiktionen mit der Roboterforschung zu tun haben und was sie über den Menschen erzählen.
Es war der tschechische Science-Fiction-Autor Karel Capek, der vor fast 90 Jahren den Roboter erfand. Besser gesagt den Begriff. 1921 beschrieb er in seinem Theaterstück "R.U.R." Rossum's Universal Robots ( R.U.R), in Tanks gezüchtete menschenähnliche künstliche Arbeiter. Die etwas melancholischen Kreaturen benannte er nach "robota", dem tschechischen Wort für Arbeit.
Am Sonntag in "matrix"
Den Beitrag von Anna Masoner zum Thema Robo-Fiction hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
Doch eigentlich geistern Fantasien von Roboter und Automaten schon viel länger durch die menschliche Vorstellungswelt. Die Roboter auf Papier oder der Leinwand könnten dabei unterschiedlicher nicht sein: Die Vorstellungen reichen vom einfältigen Befehlsausführer über den treuherzigen Gefährten bis zum rebellierenden, den Menschen bedrohenden Monster a la "Terminator".
Was aber haben diese Fiktionen mit der Roboterforschung zu tun, und was erzählen sie uns eigentlich über den Menschen, dessen Abbild Roboter ja oft sein sollen? Der vor kurzem im Studienverlag erschienene Sammelband "Public Fictions. Wie man Roboter und Menschen erfindet" geht diesen Fragen nach.
Roboter als menschliche Spiegelbilder
Immer, wenn Roboter in Filmen, Büchern oder auch in der populären Wissenschaftsberichterstattung auftauchen, gehe es in Wirklichkeit gar nicht um die imaginierten Blechmänner, sondern um die Frage, welche Eigenschaften den Menschen ausmachen. Davon ist die Kulturwissenschaftlerin Karin Harrasser überzeugt. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kunsthochschule Köln und forscht dort unter anderem über die Wissensgeschichte von Technologie. Sie hat gemeinsam mit dem Philosophen und Kurator Günther Friesinger den Sammelband herausgegeben.
Elf Autoren aus unterschiedlichen Disziplinen, darunter Computerwissenschaftler, Geisteswissenschaftler und Künstler, sind darin den Bildern und Vorstellungen auf der Spur, die wir Menschen uns zu unterschiedlichen Zeiten von Robotern machen.
Vom Automaten zum Roboter
Die Vorstellungen von künstlichen Wesen, die zum Leben erwachen, reichen sehr weit zurück, meint Friesinger. Vielleicht sind sie sogar so alt wie die Menschheit selbst.
Bereits im antiken Griechenland findet sich eine Faszination für technische Apparate, die sich selbst bewegen. Bronzestatuen erwachen da plötzlich zum Leben und werden zu Wachmännern.
Im 17. und 18. Jahrhundert sind Automaten beliebte Jahrmarktsattraktionen. Doch eigentlich sei der Roboter ein Kind des 20. Jahrhunderts, sagt Harrasser. Der von Capek in seinem Bühnenstück "R.U.R." für den künstlichen Arbeiter verwendete Begriff habe sich durchgesetzt. Interessant findet Harrasser, dass der Begriff "Roboter" im Theater und nicht in einem Ingenieurslabor entstanden sei. Und das nicht zufällig in den 1920er Jahren - schließlich handle es sich um eine Zeit, in der der Mensch vorwiegend als körperlich arbeitendes Wesen definiert wurde.
Körperlose Maschinen
Ein paar Jahrzehnte später ändern sich die Erwartungen, die man in Roboter setzt, grundlegend: Mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenzforschung in den 1950er und 1960er Jahren kamen die Vorstellungen von anonymen, körperlich arbeitenden Blechmännern schnell aus der Mode.
Was man stattdessen will, sind autonome Systeme, die abstrakte Probleme lösen können. Die neuen Maschinen verfügen in den Forschungslabors sowie in der Vorstellungswelt von Schriftstellern und Filmemachern meist nicht mehr über einen menschenähnlichen Körper - und verlieren damit scheinbar die Grundvoraussetzung, um körperlich zu arbeiten. Stattdessen verfügen sie, wie der schizophrene Bordcomputer HAL in Stanley Kubricks Film "2001: Odyssee im Weltraum" aus dem Jahr 1968, über eine eigene Identität, die auch Reflexion und Selbstkritik zulässt.
Spannend sei, so Harrasser, dass die Anfänge der Künstlichen Intelligenzforschung genau mit der Phase einhergehen, in der die körperliche Arbeit in den westlichen Industriestaaten generell an Bedeutung verliert.
Der Roboter als Menschenfreund
Seit ungefähr 20 Jahren gibt es nun ein neues Paradigma in der Roboterforschung: die soziale Robotik. Präzise und robuste Industriearbeiter oder hochsensible Schachweltmeister sind nicht mehr gefragt, sondern Roboter, die mit Menschen kommunizieren und interagieren können.
Ein berühmtes Beispiel ist der bereits tausendfach in japanischen Altersheimen eingesetzte Seehundroboter Paro. Mit Hilfe von Berührungs- und Geräuschsensoren kann er die Anwesenheit eines Menschen wahrnehmen und darauf mit Heultönen reagieren.
Soziale Roboter sollen eine eigene Persönlichkeit, emotionale und kommunikative Kompetenz erhalten und damit in Zukunft als Spielgefährten unsere Kinder unterhalten oder als Pflegekräfte gebrechliche Senioren im Altersheim unterstützen. Und nicht zufällig, so Harrasser, seien es dieselben Eigenschaften, die Robotern einprogrammiert und die als "Soft Skills" vom zeitgenössischen Arbeitnehmer verlangt werden.
(Anna Masoner/matrix)