Ein einsamer Router im Weltall
Mit dem künstlichen Erdtrabanten Intelsat 14 wurde im vergangenen November auch ein ganz besonderes Stück Hardware in den Orbit befördert. In bester Tradition des Intergalactic Computer Network arbeitet dort nun ein IP-Router, der auf die harten Bedingungen im Weltraum optimiert ist. Besteht das Gerät den Test, wird es nicht lange alleine bleiben. Denn auch das US-Militär ist an dem Projekt beteiligt.
Intergalactic Computer Network hatte der Netzwerkpionier J. C. R. Licklider spaßeshalber seine Arbeitsgruppe genannt, die er 1963 im Auftrag des US-Militärforschungsinstituts ARPA gegründet hatte. Die Ziele des Unterfangens waren damals deutlich niedriger gesteckt. Es ging schlicht darum, Computer verschiedener Bauart über ein einheitliches System miteinander zu vernetzen.
Wenn es in absehbarer Zeit auch kein intergalaktisches Netzwerk geben wird, so schaffte es das IP-Protokoll zumindest schon bis in eine Erdumlaufbahn. Die erste Komponente für ein extraterrestrisches Netz, ein weltalltauglicher Router, befindet sich auf Längengrad 45 in den üblichen rund 36.000 Kilometern Erdabstand an Bord von Intelsat 14. Der Satellit wurde am 23. November 2009 gestartet.
Das Gerät für das IRIS-Projekt, an dem auch Intelsat und Loral Space beteiligt sind, stammt nicht ganz überraschend von Routing-Weltmarktführer Cisco, ist aber zum Teil aus anderen Komponenten gefertigt, als Router, die hier auf Erden im Einsatz sind.
Gefährliche Sonnenstürme
Kommunikationsaussetzer sind im All unvermeidlich, etwa wenn die Steuerdüsen des Satelliten zur Positionsnachführung gezündet werden oder wenn durch Sonneneruptionen harte, ionisierte Strahlung in Richtung Erde geschleudert wird.
Diese Strahlung ist noch beim Eintritt in die Ionosphäre in 120 Kilometern Höhe so stark, dass sämtlicher Kurzwellenverkehr auf der Tagseite der Erde zusammenbrechen kann. Im All hat diese Strahlung weit ärgere Folgen, denn gerade moderne CPUs vertragen die hohe Strahlenbelastung nicht. Frei fliegende Protonen können zudem Löcher in das Silizium des Chips brennen, was zu fatalen Bitfehlern führen würde.
Übertragung mit 100 Mbit/s
Der Router ist schon einmal deshalb redundant vorhanden. Es sind also zwei Geräte auf Power-PC-Basis eingebaut, und auch vom Modemboard gibt es eines in Reserve. Dieses Routing-Set-up ist für eine Bandbreite von 100 Mbit/s ausgelegt, ein auf Erden nicht eben aufregender, im All jedoch ein bisher unerreicht hoher Wert.
Das Besondere daran ist, dass dieser Router über Spot-Beams mit drei Bodenstationen gleichzeitig verbunden ist, wodurch weniger Daten jeweils über 36.000 Kilometer hin und her gesendet werden müssen. Das heißt, die Latenzzeiten verringern sich beträchtlich, und das macht Rout?ng im All so interessant.
Mondverkehr
Ein geroutetes Netzwerk aus Satellitenknoten ist hervorragend für die Kommunikation mit Weltraumprojekten aller Art geeignet. Weit entfernte Sonden, aber auch die Teams, die um den Lunar-X-Prize Googles antreten, können solche Router im All weitaus unproblematischer erreichen als eine Erdfunkstelle. Für die Elektronik von Mondrover und Landefähre trifft im Wesentlichen dasselbe zu wie auf satellitenbasierte Router.
Neuer Markt im All
Was Cisco genau eingebaut hat, ist ein Geheimnis, weil der irdische Weltmarktführer neue Expansionsmöglichkeiten im Weltraumrouting sieht. Außerdem ist IRIS ein militärisches Projekt, denn Cisco und Intelsat handeln im Auftrag des Pentagon. Das IRIS-Programm ist Teil der Defense Joint Capability Technology Demonstration, zumal die Militärs in ihrer Kommunikation stets auf mobile Funksysteme angewiesen sind.
Etwas mehr weiß man über die Umgebung, denn der Behälter, in der die Boards von Cisco stecken, ist in der zivilen Raumfahrt gebräuchlich. Das Chassis des US-Luftfahrtunternehmens SEAKR enthält neben der Stromversorgung mehrere andere nicht unbedingt alltägliche Teile.
Das "Mezzanin"
Das "Personality Mezzanine" von SEAKR ist eine Art erweitertes "Daughterboard", die den darauf aufgesetzten Brettern des Kunden "zuarbeiten". So sind 16 Gigabyte Flashspeicher vorhanden, Hardware zur Videoverarbeitung, ein Software Defined Radio - die Funkanlage - und Kameralinks.
Wie in der Weltraumelektronik üblich, werden vor allem FPGAS verbaut, das sind reprogrammierbare Chips, die Bitfehler selbst "reparieren", indem die Daten auf einen dafür vorgesehenen, redundanten Sektor verschoben werden. Sämtliche Elemente des IRIS-Projekts sind also reprogrammierbar, das erhöht die Lebensdauer des Systems ebenso wie ganz verschiedene Arten der Nutzung dadurch möglich sind.
Intelsat 14 verfügt über 40 C-Band und 22 Ku-Band Transponder, welche der Cisco-Router tatsächlich benutzt, wurde nicht näher erläutert. Sobald die Militärs zum Testen an der Reihe sind, wird aller Wahrscheinlichkeit nach das Ka-Band benutzt.
Duale Benutzung
Deshalb wird der Router, nachdem die ersten Checks Mitte Jänner positiv verlaufen waren, nacheinander von Weltraumindustrie und Militärs getestet.
Klar ist, dass Cisco vorhat, in absehbarer Zeit ein IP-Netz aufzuziehen, indem untereinander Datenverkehr abgewickelt wird - ein geostationäres Backbone. Es gibt daher allen Grund, anzunehmen, dass der Cisco-Router schon bald Gesellschaft in seiner Umlaufbahn bekommen wird.
Zurück in die Frühzeit
Was die Frühzeit des Computing betrifft, so waren die Mitglieder von Lickliders Intergalactic Computing Network fast identisch mit jener Crew, die 1969 die ersten Rechner des späteren ARPANET vernetzte. Schon bald danach wurde das Internet-Protokoll verwendet, auf dem auch das neumodische Weltallrouting basiert.
Damals wie heute an der Protokollentwicklung maßgeblich beteiligt ist der vormalige Internet-Pionier und nunmehrige Google-Evangelist Vint Cerf. Die NASA aber bezeichnet Disruption-Tolerant Networking als "interplanetarisches Routingprotokoll".
(futurezone/Erich Moechel)