Google Mail wird zur Web-2.0-Zentrale
Google hat am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Mountain View seinen neuen Dienst Buzz vorgestellt. Der Internet-Konzern will Updates aus Social-Web-Anwendungen wie Flickr und Twitter in Google Mail zusammenfassen und diese damit gleichsam umarmen. Google Mail wird zum Meta-Social-Network.
Optisch erinnert die in Google Mail integrierte Buzz-Oberfläche stark an herkömmliche Soziale Netzwerke. Auch die Funktionen erfüllen den gleichen Zweck: Inhalte mit Freunden teilen. Unter Beisein von Google-Mitgründer Sergey Brin demonstrierten der für Buzz zuständige Produktmanager Brad Horowitz - ein ehemaliger hochrangiger Manager von Yahoo - und Vic Gundotra, Vice-President of Engineering, die neuen Funktionen, die mehr Überblick über die Aktivitäten im Sozialen Netz bieten sollen. Google-Mail-Nutzer werden im Lauf der nächsten Tage die neue Buzz-Funktion in die Oberfläche des Systems integriert bekommen.
Mit Buzz können die User kleine Botschaften und Statusmeldungen live an ihre Kontakte verschicken und auch deren Nachrichten aus verschiedenen Quellen wie Twitter oder Flickr in Echtzeit nachverfolgen. Beim ersten Start sollen häufig genutzte Kontakte automatisch als Freunde erkannt und zur Buzz-Liste hinzufügt werden. Buzz fasst dann deren Aktivitäten automatisch zusammen und präsentiert sie dem User möglichst übersichtlich.
Alles im E-Mail-Fenster
Natürlich können die Buzz-Nutzer auch selbst Nachrichten absetzen. Die dürfen auch Kommentare, Links, Fotos und Videos enthalten. Fotos und Videos kommen aber nicht nur aus Googles Angeboten wie YouTube und Picasa, über die im Sozialen Web üblichen Programmierschnittstellen (APIs) können auch Fotos aus Flickr und Kurznachrichten aus Twitter in den Buzz-Feed aufgenommen werden. Facebook Connect ist von diesem Dienst derzeit noch ausgeschlossen. Außerdem kann Buzz zwar Twitter-Nachrichten importieren, aber selbst keine Nachrichten zu Twitter senden. Postet ein User eine URL, so erscheinen automatisch Thumbnails und Überschriften der Website im Buzz-Kommentar. Auch YouTube-Videos werden direkt im Google-Mail-Konto abgespielt und Fotos auf Wunsch in einer Diashow im Browser präsentiert.
Legt der User auch ein Google-Profil an, so können die Buzz-Beiträge auch dort öffentlich erscheinen und von allen eingesehen werden. Wie auch bei Facebook und Twitter soll ansonsten der User darüber entscheiden können, wer Zugriff auf welche Buzz-Kommentare und -Elemente hat. Der Nutzer kann dazu die in Google Mail definierten Gruppen verwenden und definieren, wem er seine Inhalte zeigen möchte.
Langweiliges streichen
Google setzt bei Buzz auch sehr stark auf die Empfehlungen der Nutzer. Um der Menge an oft banalen Kommentaren zu entgehen, können Buzz-Kommentare gefiltert werden. Mit einer Trainingsoption - zusagen oder ablehnen - soll das System seine künftige Auswahl verfeinern lernen. Daneben schlägt der Dienst jedoch auch für den Nutzer möglicherweise interessante Beiträge vor - wenn etwa ein Beitrag eines Dritten von den Freunden häufig kommentiert wurde.
Buzz ist sehr eng in die Oberfläche von Google Mail integriert. Kommentare zu den Buzz-Beiträgen bekommen Nutzer an ihr Google-Mail-Postfach gesandt, diese Beiträge sind dann mit dem Buzz-Logo besonders gekennzeichnet. Wird der Beitrag geöffnet, sind Reaktionen der Kontakte darauf in Echtzeit zu sehen.
Buzz für unterwegs
Auch als mobile Anwendung will Google Buzz eingesetzt wissen. Dabei spielen Geodaten, die von modernen Smartphones ermittelt werden können, die entscheidende Rolle. Besondere Buzz-Clients wird es zuerst für Symbian, Windows Mobile und Android geben, so Google-Sprecher Gundotra. Surfen User Googles Suchmaschine an, erscheint dort ein Buzz-Icon. Der Smartphone-Nutzer kann darauf klicken und im Rahmen einer Abfrage seine Koordinaten an Google übermitteln.
Hat Google die Koordinaten des Nutzers erfasst, zeigt das System automatisch Einträge in Google Maps aus der unmittelbaren Umgebung an. Da auch Buzz einzelne Beiträge mit Koordinaten (Geotags) versehen kann, sieht man auch, wer in der unmittelbaren Umgebung Buzz-Beiträge geschrieben hat. Gundotra präsentierte weiters ein Feature, mit dem er eine Sprachnotiz auf seinem Android-Telefon in Text umwandeln ließ, um es dann - mit Geotag versehen - direkt auf Google Maps erscheinen zu lassen.
Neuer Anlauf im Social Web
Der weltweite Roll-out für Buzz soll etwa eine Woche dauern. Für die Geschäftswelt soll in den nächsten Monaten auch eine Enterprise-Version folgen. Laut Horowitz legt Google bei Buzz großen Wert darauf, sich penibel an die technischen Standards zum Datenaustausch im Sozialen Web zu halten. Ob es Google gelingen wird, mit Buzz die großen Dienste wie Facebook und Twitter gleichsam zu umarmen und die Aktivitäten der Nutzer in Google Mail zu bündeln, bleibt abzuwarten, darf aber bezweifelt werden. Google Mail hat rund 176 Millionen registrierte Nutzer, Facebook hat nach eigenen Angaben mittlerweile rund 400 Millionen aktive User. Während Facebook versucht, technische Features wie Kurznachrichtendienste innerhalb seines Systems zu reproduzieren, will Google zu dem Punkt werden, an dem alle Daten aus dem Sozialen Web zusammenströmen.
Als einzigen wirklichen Erfolg im Bereich Web 2.0 konnte Brin an diesem Abend das zugekaufte Social Network Orkut nennen, das vor allem in Brasilien sehr beliebt ist. Google Wave, noch vor kurzem mit Fanfaren angekündigt, spielte auf der Präsentation auch keine große Rolle mehr. Es seien ein paar Ideen aus Wave in Buzz eingeflossen, so Horowitz. Die Prinzipien, nach denen Buzz Informationen aus den verschiedenen Quellen analysiert, aufbereitet und ordnet, sollen auch in andere Google-Produkte integriert werden.