Streit über Kosten für "intelligente" Stromzähler
Der Stromverbrauch soll in Österreich künftig mit "intelligenten" Stromzählern, "Smart Metern", ferngesteuert ausgelesen werden. Um diese neuen Geräte wirklich sinnvoll und kosteneffizient einsetzen zu können, braucht es allerdings einige Gesetzesänderungen. So soll etwa die Häufigkeit der Datenauslesung gesetzlich geregelt werden, jedoch nicht das dahinterliegende Kommunikationssystem.
Bis 2020 müssen in mindestens 80 Prozent der österreichischen Haushalte "intelligente" Stromzähler eingesetzt werden, so die Richtlinie 2006/32/EG. Wie die konkrete Umsetzung dieser Vorgabe aussieht, obliegt allerdings den einzelnen europäischen Ländern. Um das in Österreich zu ermöglichen, muss das österreichische Elektrizitätswirtschafts- und -Organisationsgesetz (ElWOG), das 1998 erlassen wurde, geändert werden. Die entsprechenden Änderungen müssen noch in diesem Jahr im Parlament beschlossen werden.
Umstellungskosten bis zu zwei Milliarden Euro
Im Vorfeld der Gesetzesänderung wird jedoch bereits seit längerem über die Umstellungskosten debattiert. Die von den verschiedenen Akteuren genannten Zahlen weichen stark voneinander ab. Der Präsident des Verbands der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ), Wolfgang Anzengruber, geht etwa davon aus, dass die flächendeckende Versorgung mit "Smart Metern" insgesamt zwei Milliarden Euro kosten werde.
Die österreichische Regulierungsbehörde E-Control schätzt die Kosten hingegen auf etwa 800 Millionen bis zu einer Milliarde Euro. "Das hängt auch vom Durchdringungsgrad ab", erklärt Walter Boltz, Leiter der E-Control, gegenüber ORF.at.
Die Differenzen bei der Kostenschätzung würden allerdings auch durch Vorschriften im Eichgesetz entstehen, so Boltz. Die Eichgesetzgebung schreibt derzeit vor, dass die Messgeräte - derzeit sind es in den meisten Haushalten noch die mechanischen Ferraris-Zähler - je nach Typ in bestimmten Abständen neu geeicht werden müssen. So müssen elektronische Messgeräte alle acht Jahre nachgeeicht werden. Bei den "Smart Metern" würde eine derartig häufige Eichung zwar einen "großer Kostenfaktor" darstellen, aber wenig Sinn ergeben. "Man müsste daher die Eichgesetzgebung an die moderne Technologie anpassen", wünscht sich der Leiter der E-Control.
"Smart Meter" in Österreich
Vernetzte "intelligente" Stromzähler, derzeit bereits in Schweden und Italien im Einsatz, werden in Zukunft auch verstärkt in Österreichs Privathaushalte Einzug halten.
Bis 2020 müssen laut der EG-Richtlinie 2006/32/EG 80 Prozent der Haushalte mit den neuen elektronischen Zählern, auch "Smart Meter" genannt, ausgestattet sein.
Erste Pilotprojekte in Österreich wurden bereits vor vier Jahren gestartet, doch erst ein kleiner Teil der fünf Millionen mechanischen Ferraris-Zähler wurde auf elektronische Zähler umgerüstet.
"Keine Mehrbelastung für Kunden"
Für die Stromkunden soll es dabei, wenn man mit der veranschlagten Milliarde auskomme, zu keiner Mehrbelastung kommen, erklärte Boltz. "Die Kunden zahlen ja bereits jetzt monatliche Beiträge, die sich um die 2,20 bis 2,40 Euro bewegen, als Messentgelt", fügte Boltz hinzu. "Wenn wir diese Beträge so beibehalten, kann man dadurch eine entsprechende Umstellung in sieben Jahren finanzieren."
Die Energie AG aus Oberösterreich, die bis Ende Jänner 2010 im Rahmen eines Pilotprojekts bereits 13.000 Haushalte mit "intelligenten" Stromzählern von AMIS ausstattete, habe bisher etwa sechs Millionen Euro in das Projekt "Smart Metering" investiert, so Johann Kaltenleithner, Leiter der Abteilung Metering Services. "Die Kosten für die gesamte Umstellung auf Smart Metering hängen aber sehr stark von den Mindestanforderungen ab, wie oft die Daten ausgelesen werden müssen", erklärt Kaltenleithner.
Intervalle für Datenauslesung noch unklar
Auch hier haben Netzbetreiber, die Regulierungsbehörde und der VEÖ unterschiedliche Ansichten. Theoretisch wäre es möglich, die Verbrauchsdaten alle 15 Minuten auszulesen. Das würde allerdings bei fünf Millionen Stromzählern etwa 480 Millionen Datensätze pro Tag bedeuten, rechnet Ernst Brandstetter, Pressesprecher des VEÖ, vor. Für Brandstetter insofern sinnvoll, als das "der Kunde sonst keinen Nutzen" von der neuen Technologie habe.
Derzeit sieht die Systemnutzungsverordnung vor, dass die Daten einmal pro Tag innerhalb eines 15-minütigen Intervalls ausgelesen werden. Auch diese Verordnung muss langfristig geändert werden. "Aus unserer Sicht ist es völlig ausreichend, wenn die Lastprofile einmal täglich abgelesen werden", erklärt Kaltenleithner von der Energie AG. "Wenn ein Kunde aktuellere Lastprofildaten benötigt, ist es natürlich möglich, diese vom betroffenen Zähler fernauszulesen."
"Eine viertelstündliche Auslesung wird es nicht geben, damit kann kein Mensch etwas anfangen. Es würde beispielsweise reichen, wenn bis zum Mittag des nächsten Tages die Daten vom Vortag zur Verfügung stehen", so Boltz von der E-Control, die einen Mindeststandard für die Netzbetreiber vorschlagen muss.
"Einheitliche Abfrage der Kundendaten"
Die E-Control befürworte allerdings eine Standardschnittstelle für alle Kundendaten, über die die Daten der verschiedenen Netzbetreiber abgerufen werden können. "Die Abfrage der Daten muss so weit koordiniert werden, dass die Daten überall einheitlich aussehen und dass ein Energieberater mit einem Klick auf die Daten der Kunden zugreifen kann", erklärt Boltz. Diese koordinierte Verwaltung von Zugriffsrechten sei allerdings "Standardtechnik". Der VEÖ, der das aus Sicht der E-Control koordinieren solle, lehnte diesen Vorschlag gegenüber ORF.at klar ab: "Eine Kundendatenbank wird es nicht geben", so Brandstetter.
Nicht - direkt - geregelt hingegen werden soll die Verwendung des Kommunikationssystems, welches zur Übertragung der Daten vom "Smart Metern" in die Zentrale der Netzbetreiber herangezogen wird. "Es wird hier lediglich eine Kostenobergrenze geben, die abgegolten wird. Kosten, die darüber hinausgehen, werden nicht anerkannt", fügt Boltz hinzu.
Wahl des Kommunikationssystems bleibt frei
Das bedeutet, dass Netzbetreiber in Österreich, für die Kommunikationssysteme, die zur Übertragung der Stromdaten eingesetzt werden, sowie für deren Sicherheit selbst verantwortlich sind. Beim Pilotprojekt der Energie AG werden derzeit bei der Datenübertragung über Datenfunk das Protokoll IEC 870-5-101 und bei der Übertragung über Glasfaser das Protokoll IEC 870-5-104 verwendet. "Die Datenübertragung erfolgt im gesicherten VPN. Weiters ist es geplant, die privaten Daten künftig verschlüsselt zu übertragen. Diese zusätzliche Datenverschlüsselung wird mittels Firmware-Download implementiert", erklärt Kaltenleithner.
Anders sieht das bei der Linz Strom AG aus, die bereits 40.000 "intelligente" Stromzähler im Einsatz hat. Hier werden die Daten per Lichtwellenleiter (Glasfaser) über TCP/IP übertragen. "Die Daten sind selbstverständlich verschlüsselt und werden über ein eigenes Gigabit-Ethernet-Netz geschickt, welches auch für die Überwachung und Steuerung benutzt wird", erklärt Friedrich Eidenberger, Geschäftsführer der Linz Strom AG. "Wenn wir an bestimmten Stellen keine Leitungen haben, arbeiten wir aber auch mit anderen Unternehmen wie der Telekom Austria zusammen", fügt Eidenberger hinzu.
Nutzen für den Kunden fraglich
Doch was hat eigentlich der Kunde von den neuen Geräten? Er muss seinen Stromverbrauch nicht mehr selbst ablesen, sondern das geschieht automatisch. Zudem könnte im neuen Gesetz künftig eine verpflichtende, online abrufbare Monatsrechnung für den Stromverbrauch vorgeschrieben werden, die für einen besseren Überblick über den tatsächlichen Stromverbrauch sorgt und dem Kunden das "Potenzial des Energiesparens" näherbringen soll. Auch neue, tageszeitenabhängige Stromtarife könnten in Zukunft angeboten werden.
Langfristig betrachtet dienen die "intelligenten" Stromzähler jedoch vor allem als Schnittstelle für "Smart Grids". "Smart Grids" sind "intelligente" Netzwerke, die einerseits Stromerzeuger vernetzen und steuern können, über die andererseits aber auch Strom eingespeist und gespeichert werden kann. Dadurch soll ein effizienterer Systembetrieb ermöglicht werden.
Ferngesteuerte Geräte
Es soll künftig auch möglich sein, mit "intelligenten" Zählern den Wasser- und Gasverbrauch zu kontrollieren und zu steuern. Neben dem Kühlschrank, der sich ferngesteuert zu bestimmten Zeiten ausschalten könnte, käme somit auch eine Waschmaschine, die um 3.00 Uhr schleudert, weil der Verbrauch um diese Zeit am billigsten ist, hinzu. "Doch Kunden wollen keinen Komfortverlust, das zeigt die Erfahrung. Wirklich Sinn ergeben Smart Meter daher erst für übergeordnete Dinge wie virtuelle Verbraucher", meint Eidenberger.
Obwohl der Stromverbrauch im öffentlichen Netz laut den jüngsten Zahlen der E-Control im letzten Jahr um 3,5 Prozent einbrach, wird sich der Energieverbrauch künftig weiter erhöhen. "Wir verwenden wesentlich mehr Elektronikgeräte als vor zehn Jahren. Wenn sich der Lebensstandard verbessert, nimmt auch der Energieverbrauch zu", so Eidenberger. Daher werde es in Zukunft immer wichtiger, für eine kontrollierte Glättung der Netzspitzen zu sorgen, um die vorhandene Infrastruktur besser zu nutzen.
(futurezone/Barbara Wimmer)