Ein IP-Backbone rund um den Äquator
Der erste Router im Erdorbit ist nach erfolgreichen Tests durch den Hersteller gerade mit neuer Software für die Sat-Modems der US-Militärs ausgestattet worden. Cisco-Manager Greg Pelton über verkürzte Signallaufzeiten, die Disziplinierung "geschwätziger" TCP/IP-basierter Programme und wann das satellitengestützte Backbone kommt.
"Alle unsere Tests haben perfekt geklappt. Dann wurde neue Routing-Software installiert, und die Modemwellenform wurde verändert", sagte Pelton zu ORF.at. Pelton ist als Leiter des Cisco Technology Center auch für das Projekt IRIS zuständig, das Cisco zusammen mit Intelsat und dem Pentagon betreibt.
Ziel des Projekts ist nichts weniger als ein satellitengestütztes IP-Backbone im All, und dafür braucht es nun einmal Router. Das Hauptproblem dabei ist nicht nur die harte Strahlung, die den Einsatz von irdischem Equipment von vornherein verbietet.
"Die Satellitenwelt hat sich in den letzten 15 Jahren kaum verändert. Sie ist hochproprietär. Vor allem ist nichts standardisiert", so Pelton weiter. Insgesamt seien es etwa 30 Firmen, die in toto um die 100 verschiedene Sat-Modems anbieten, wobei kaum ein Stück zum anderen passe.
Modulation, Bandbreite
Deswegen muss der Sende- und Empfangsteil, ein Software Defined Radio (SDR), laufend umprogrammiert werden. Gerade wurde Software für das Linkway-System des Herstellers Viasat eingespielt, das am häufigsten für militärische Anwendungen eingesetzt wird.
Diese Terminals arbeiten mit mehrstufiger Phasenmodulation 4-PSK oder 8-PSK (8 Phase Shift Keying). Ersteres ist vom Fax her bekannt, Letzteres ist auch der Modulationsalgorithmus von GPRS-Nachfolger EDGE.
Höherwertige Modulationsarten wie 64 oder gar 256 Bit QAM (Quadraturamplitudenmodulation) funktionieren im IP-Verkehr mit dem All offenbar technisch (noch) nicht. Daher braucht es ein deutlich breiteres Frequenzband, um dieselbe Zahl an Bits pro Sekunde zu übertragen. Das wiederum ist kein so großes Problem, zumal es sich hier ja nicht um Broadcasting mit Rundstrahlern handelt, sondern um gebündelten Richtfunk.
Beams und Transponder
Der wird vom Satelliten über Spot-Beams mit verschiedenen Ausrichtungen an die Bodenstationen gestrahlt. Intelsat 14, der den Cisco-Router an Bord hat, deckt m?t seinen Beams sowohl Europa, wie Afrika und ganz Lateinamerika ab. Angeboten werden 52 Transponder mit je 36 MHz Bandbreite, dazu kommen zehn mit je 72 MHz.
Über den Router kann also eine Verbindung für eine Videokonferenz geschaltet werden, die auf drei Kontinenten stattfindet und das jeweils mit nur einem Uplink. Gäbe es bereits weitere Router an Bord von Satelliten, die weiter östlich am Äquator aufgefädelt sind, könnte Nahost, Russland und Asien angebunden werden. Das ist Idee des Systems: ein Backbone rund um den Äquator.
Bis jetzt wurde Verkehr nur auf dem Boden geroutet, wofür wesentlich mehr Up-/Down-Links über je 36.000 Kilometer fällig werden.
Geheimnisvolle CPU
"Die CPU ist auf Power-PC-Basis und ist der schnellste Chip, der je ins All geflogen ist. Mehr darf ich leider dazu nicht sagen", sagte Pelton auf die Frage nach der Hardware. Das sei zwar schon etwas anachronistisch, simple CPUs unter Geheimhaltungspflicht zu stellen, aber die sei nun einmal vorgeschrieben.
Die Hardware-Umgebung
Das IRIS-Programm ist Teil der Defense Joint Capability Technology Demonstration, zumal die Militärs in ihrer Kommunikation stets am meisten auf mobile Funksysteme angewiesen sind.
Etwas mehr weiß man über die Umgebung, denn der Behälter, in der die Boards von Cisco stecken, ist in der zivilen Raumfahrt gebräuchlich. Das Chassis des US-Luftfahrtunternehmens SEAKR enthält neben der Stromversorgung mehrere andere nicht unbedingt alltägliche Teile.
Für das verwendete Protokoll gilt das nicht - denn anders als im ersten Artikel zum Thema angenommen - kommt nicht Delay Tolerant Networking (DTN) zum Einsatz, sondern tatsächlich TCP/IP, allerdings mit "Disziplinierung der Applikationen" und anderen Methoden der Verkehrsbeschleunigung.
"DTN ist bei einem Delay von einer halben Sekunde noch nicht nötig", sagte Pelton, die Stärken dieses Protokolls kämen ja nur bei sehr langen Signallaufzeiten wie bei Marsmissionen zur Geltung und wenn periodische Kommunikationsabbrüche über längere Zeit vorlägen.
Beides sei im Falle des Routers im All nicht gegeben, DTN könne man bei künftigen Mondmissionen natürlich einsetzen, so Pelton, denn gerade für die Kommunikation mit Weltraumsonden sei ein künftiges Satelliten-Backbone im All natürlich bestens geeignet.
Signale und Laufzeiten
Um die Signallaufzeiten möglichst kurz zu halten, setzt Cisco seine eigene Produktfamilie WAAS ein. Diese Wide Area Application Services sind eine Mischung aus Netzwerkmanagement, Datenkompressionstechniken, Zwischenspeicherung von Content und der Fähigkeit, allzu "geschwätzigen" Anwendungen exzessives "Nachfragen" abzugewöhnen.
E-Mail, Web, Kollaborationssoftware, Backup- und Videoapplikationen usw. werden so beschleunigt abgewickelt.
Backbone im All
Auf die Frage, wann dieser einsame Router im Orbit denn Gesellschaft bekäme, antwortete Pelton: "Hoffentlich bald." Bei einer Bauzeit von drei Jahren für einen Satelliten werde es eben so lange dauern, aber ab dann werde der Backbone-Ausbau über dem Äquator schneller vor sich gehen. In zehn Jahren könnte bereits ein Gutteil des Backbone fertig sein, schätzt der Cisco-Manager.
In der ganz nahen Zukunft, nämlich bis Ende April, testen die US-Militärs, wie der All-Router in ihre Netze integriert werden kann, dann werden andere Satellitenbetreiber nacheinander den Router testen, der in seiner zu erwartenden Lebenszeit von 15 Jahren noch unzählige Male neu programmiert werden wird.
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Irdische Bit-Fehler
Doch auch hier auf Erden erhoffen sich die Cisco-Netzwerker einen positiven Zusatzeffekt durch dieses Forschungsprogramm, das sich zu einem Gutteil mit der Abschirmung der Elektronik vor der harten Strahlung des Weltalls beschäftigt.
Es sei zwar "noch eine Theorie", aber mit der zunehmenden Verdichtung der Chips steige die Wahrscheinlichkeit, dass die bis zur Erdoberfläche durchdringende Weltraumstrahlung zunehmend Bit-Fehler verursache. Bei einigen Fällen, die man im Forschungszentrum untersucht habe, sei keine andere, plausible Erklärung für einen plötzlichen Bit-Fehler gefunden worden, sagte Pelton abschließend.
(futurezone/Erich Moechel)