© ORS, Sender Bisamberg

Sendemasten auf dem Bisamberg gefallen

RUNDFUNKGESCHICHTE
24.02.2010

Die Sprengung der Sendemasten auf dem Bisamberg markiert das Ende einer Ära. Nach dem Zweiten Weltkrieg von den amerikanischen Truppen im oberösterreichischen Kronstorf aufgestellt, kamen sie später nach Wien, zuletzt versorgten sie im Jugoslawien-Krieg den Balkan mit Informationen. Nachfolger des Senders in Kronstorf ist ein Datencenter von Google.

Die beiden Sendemasten, die am Mittwoch gesprengt wurden, waren einstmals Teil einer riesigen Sendeanlage in Kronstorf, die von der US-Armee in Auftrag gegeben worden war, Baubeginn war 1950. Errichtet wurden ein Mast mit 274 Metern sowie zwei mit je 137 Metern, ausgestrahlt wurden Programme der Sendergruppe Rot-Weiß-Rot, die Abstrahlung ging in Richtung der sowjetischen Besatzungszone.

Über diese Masten ertönte damals die Stimme des freien Österreich. Am Beginn des Sendebetriebs wie auch an seinem Ende stand ein politischer Konflikt. Nach Abzug der US-Truppen im Jahr 1955 sah man sich mit der Situation konfrontiert, dass die weitaus stärkste Sendestation im Land von Oberösterreich nach Osten strahlte.

Zwei Sprengungen

Der erste Mast wurde nach einer Verzögerung aus Sicherheitsgründen wegen der Anwesenheit eines Anwohners in der Sperrzone gegen 12.40 Uhr gefällt. Der Zentralmast wurde termingerecht gegen 15.00 Uhr gesprengt.

Die Masten ziehen um

Das entsprach der Logik des Kalten Krieges, nicht aber der Rundfunk-Versorgungssituation in Österreich. Schon ein Jahr später wurde daher mit der Absiedlung begonnen. Die beiden zerlegten Maste (Südmast 137 m, Mittelmast 274 m) ersetzten den im Krieg zerstörten Sender Bisamberg. Kronstorf sendete noch bis 1994, dann wurde auch dieser Mast abgebaut.

1959 ging der Sender Bisamberg mit den beiden Kronstorfer Masten auf den Sendefrequenzen von 585 kHz (Nordmast) und 1476 kHz (Südmast) in Betrieb. Im Bedarfsfall konnte auch der große Mast für den Betrieb auf der höheren Frequenz elektrisch verkürzt werden.

Google auf der Spur der Sender

Mittelwellensender wie Datencenter benötigen jede Menge Strom für den Betrieb. Deshalb sind die alten Watt-Monster der analogen Radioära wie die Netzwerkcenter des digitalen Informationszeitalters in der Regel nahe bei Kraftwerken anzutreffen. Beide Technologien benötigen Kühlung, also ausreichende Wasservorkommen in der Umgebung, andererseits müssen diese Standorte außerhalb eines potenziellen Überschwemmungsgebiets liegen, das zudem erdbebensicher sein muss.

Gewaltige Sendeleistung

Was die Frequenzwahl angeht, waren diese Sendemasten alles andere als flexibel. Sie waren als am Fußpunkt isolierte Selbststrahlermasten konstruiert, mussten in ihrer Höhe daher der Wellenlänge entsprechen. Als Halbwellen-Dipole war das etwa die Hälfte von 512 (585 kHz) bzw. 203 Metern (1476 kHz). Dass die Höhe der Masten nicht exakt der halben Wellenlänge entsprach, hängt mit dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie Anspeisung, Materialbeschaffenheit und Leitfähigkeit des Erdbereichs zusammen.

Es blieb daher bei den Frequenzen 585 und 1476 kHz, die Sendele?stung aber wurde schon bald hinaufgefahren. Die nächsten Jahrzehnte war der Sender Bisamberg mit 600.000 Watt einer der weltweit stärksten Mittelwellensender.

Knisternde Luft

Das elektromagnetische Feld des Senders war im unmittelbaren Nahbereich so stark, dass rundum Gartenhäuser elektrifiziert wurden. Wie schon in der Zwischenkriegszeit wurden von Gartenhäuschen und Hütten, die von der Baugenehmigung her im "dunkleren Graubereich" anges?edelt waren, längere Drähte abgespannt. Mit einem Erdungsdraht und einer Glühbirne dazwischen war die Gratis-Beleuchtungsanlage komplett.

Wie die Sender in Dornbirn-Lauterach und Kronstorf wurde die Anlage auf dem Bisamberg 1995 außer Betrieb gesetzt. Zwei Jahre blieb es stumm auf Mittelwelle, dann ging der Sender Bisamberg noch einmal on air. Im März 1997 gingen zwei Sender (je 120 kW) mit reduzierten 60 kW auf 1476 kHz wieder in Betrieb.

Wie zum Neubeginn nach dem Krieg stand am Ende des Einsatzes des Senders ein internationaler Konflikt.

Einsatz im Jugoslawien-Krieg

Und wie die Sendungen über die Großmasten von Anfang an mit Freiheit verbunden waren, so war es auch am Schluss. Der vom Milosevic-Regime drangsalierte Belgrader Sender Radio B92 kam über internationale Mailinglisten mit ORF.at in Kontakt. Der Sender war schon vor den NATO-Bombardements von der Polizei geschlossen worden und suchte Unterstützung bei der Verbreitung über das Internet.

Doch bei diesem Medium blieb es nicht, denn der Kontakt zu den Redakteuren von "Radio Nachbar in Not" war im März 1999 schnell hergestellt. Der Real-Audio-Stream von Radio B92 wurde über die größte damals noch in Betrieb stehende Mittelwellenorgel der Gegend abgestrahlt.

Überlieferter E-Mail-Verkehr

Die Hilfsaktion für die bedrohte Station in Belgrad unterstützten neben der BBC und dem ORF die Firma Real Media sowie verschiedene Bürgerrechtsorganisationen, darunter zwei aus Österreich. Wie aus den Links hervorgeht, ging es damals hin und her.

Damit war diese Stimme der Demokratie nicht nur lokal in Belgrad, sondern über dem gesamten Gebiet des ehemaligen Jugoslawien und weit darüber hinaus zu hören.

"Radio Nachbar in Not"

Denn am 3. Mai 1999 wurde die große Orgel am Bismaberg noch einmal auf ihre volle Leistung von 600 Kilowatt hinaufgefahren, um als "Radio Nachbar in Not" über den gesamten Balkan abzustrahlen.

Die Sendesprachen waren "Serbisch, Kosovarisch und Englisch, damit auch die Amerikaner mithören können, und Deutsch, weil wir ein österreichischer Sender sind", wie sich der damals zuständige OE1-Redakteur Rainer Rosenberg ausdrückte.

1999 legte man dann auf dem Bisamberg die monströsen Röhrensender zum allerletzten Mal still.

2000 ging noch ein 100-kW-Transistorsender mit 60 kW als (Studenten-)Radio 1476 in Betrieb, Ende 2008 wurde der Betrieb endgültig eingestellt. Radio 1476 wurde dann durch das Webradio oe1campus ersetzt.

(futurezone/Erich Moechel)