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Smartphones schnüffeln für den Heimatschutz

SENSORIK
22.03.2010

Eine Sensorik-Spezialfirma aus dem Umfeld der CIA arbeitet an einer "künstlichen Nase" für Smartphones. Die Minisensoren identifizieren Giftgase von Kohlenmonoxid über Chlorgas bis hin zu chemischen Kampfstoffen und kosten nur einen Dollar pro Stück. Damit lassen sie sich einfach in Mobilgeräte wie Smartphones einbauen und miteinander vernetzen. Mit im Konsortium sind Apple, Samsung und LG.

Drei Jahre hat die Entwicklung gedauert, aber nun ist es so weit: Das Projekt "Cell-All" des Direktorats Forschung und Technologie im US-Ministerium für Heimatschutz steht kurz vor dem Bau einer Serie von Prototypen.

Das gesamte Vorhaben dreht sich darum, Handys mit Sensoren auszurüsten, die in der Lage sind, verschiedene giftige Substanzen in der Luft ausfindig zu machen. Das sei die nächste Stufe des Trends zum "Schweizermesser", der das Mobiltelefon in ein Multifunktionsgerät namens Smartphone verwandelt habe, heißt es auf der Website des Forschungsprojekts.

Leiter Stephen Dennis rechnet mit etwa 40 Prototypen, die binnen Jahresfrist zur Verfügung stehen sollen. Zu diesem Zweck ist die Behörde bereits mit den Smartphone-Herstellern Apple, Samsung, LG und Qualcomm Public-Private-Partnerships eingegangen.

Crowdsourcing-Sensorennetze

Die neuen Geruchssensoren sollen die Besitzer der Mobiltelefone vor plötzlich austretendem Kohlenmonoxid, Chlorgas und anderen Substanzen warnen, doch gibt es einen weiteren, übergeordneten Zweck.

Sobald eine kritische Masse von Handys im Umlauf ist, die mit solchen Sensoren bestückt sind, wollen sich die Heimatschützer der Schwarmintelligenz ("Crowdsourcing") dieses verteilten Sensorennetzes bedienen, um Chemieunfälle und Giftgasanschläge schnell zu entdecken. Die Sensoren sollen schädliche Substanzen schneller und zuverlässiger erkennen können als Menschen, denn einerseits gibt es häufig Fehlalarme, die fast immer durch stinkende, aber harmlose Substanzen ausgelöst werden, andererseits existieren auch tödliche Gase, die geruchlos sind, wie etwa Kohlenmonoxid.

Grundlagen und Technik

Die Grundlagenforschung selbst teilen sich der Chiphersteller Qualcomm, das Nanotechnologiezentrum im Ames Research Center der NASA und der Sensorenspezialist Rhevision Technology. Die NASA-Forscher bringen dabei ihre Erfahrungen im Einsatz von Chemiesensoren unter extremen Bedingungen ein, Qualcomm ist in erster Linie für die Elektronik zuständig, die Signale aus den Sensoren von Rhevision verarbeitet.

Drohnen und Sensoren

Ungefähr zur selben Zeit, als "Cell-All" ausgeschrieben wurde, stellten die US-Streitkräfte 2007 angesichts der verheerenden Erfahrungen mit Selbstmordattentätern und ferngezündeten Sprengfallen ihre Taktik um. Vernetzte Sensoren aller Art - von Funkscannern über Sprengstoffdetektoren bis zu Infrarotkameras - senden in Echtzeit Daten von neuralgischen Punkten direkt in die Gefechtsfeldzentrale. Als fliegende Funkrelais dienen dabei langsam fliegende Drohnen wie jene des niederösterreichischen Herstellers Schiebel.

Viel ist über die Technik der künstlichen Nase, die man iPhone und Co. verpassen will, nicht zu erfahren, außer dass sie aus einem "Stück porösen Siliziums besteht, das seine Farbe beim Auftauchen bestimmter Moleküle verändert, was spektrographisch erfasst werden kann", schreiben die Heimatschutzforscher. Es handelt sich also um eine Art von Miniaturlinse, und auf diesem Gebiet ist Rhevision nach eigener Aussage jeder derzeit gebräuchlichen Technologie weit voraus.

Die im Optiklabor der Universität von Kalifornien in San Diego entwickelte Minilinse ist funktionell dem menschlichen Auge nachgebaut, deckt aber mit 200 Dioptrien "Bandbreite" ein weitaus größeres Spektrum ab. Die Features der Rhevision-Linse in Termini der Fotografie: Autofokus, mehr als dreifacher optischer Zoom sowie Makro- und Supermakrofunktionen für Spezialkameras, die etwa auf dem Gebiet der Biometrie zum Einsatz kommen.

Billige Sensoren

Was die Kosten für die Giftstoffsensoren angeht, die auf der Website von Rhevision interessanterweise nicht erwähnt werden, streben die Hersteller einen möglichst niedrigen Preis an. Das Heimatschutzministerium geht von gerade einmal einem Dollar pro Sensor aus, sobald die Technologie reif für die Serienintegration bei Handys ist.

Beziehungsweise: sobald die Handys reif für die Integration derartiger Sensoren sind. Es nämlich davon auszugehen, dass diese Produkte bereits sehr viel weiter entwickelt sind, als bekanntgegeben wird, und möglicherweise schon in begrenztem Umfang im Einsatz sind, zum Beispiel im Irak und in Afghanistan.

Firma aus CIA-Umfeld

Sieht man sich nämlich die Eigentümerstruktur jener Firma an, die drauf und dran ist, ganz groß ins Geschäft zu kommen, werden die Zusammenhänge schon klarer. Rhevision gehört zum Portfolio von In-Q-Tel, der Inkubatorfirma der "Intelligence Community" unter der Führung der CIA.

Die Entwicklungskosten eines militärischen Produkts kommen natürlich weitaus schneller wieder zurück, wenn es dafür auch einen zivilen Massenmarkt gibt. Im Fall der Smartphones wären das momentan gut 50 Millionen Stück pro Jahr alleine in den USA, Tendenz stark steigend.

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Laut den Projektverantwortlichen von "Cell-All" soll es dem künftigen Schnüffelfonbenutzern freigestellt werden, ob sie etwa die Kohlenmonoxid-Detektion aktivieren. Bei Ortung eines chemischen Kampfstoffes wie etwa Sarin, werde automatisch Alarm geschlagen, das Smartphone ruft in einem solchen Fall von selbst im Heimatschutzministerium an, beziehungsweise geht ein SMS-Alarm hinaus.

(futurezone/Erich Moechel)