© Screenshot www.ethify.org; ORF.at (Montage), Screenshot der Website Ethify.orf.

Online-Ethik gegen die Wirtschaftskrise

CREATIVE COMMONS
13.05.2010

Roland Alton-Scheidl, Mitbegründer von Creative Commons Austria, versucht mit dem Online-Projekt "Ethify Yourself", ein Buch anders zu schreiben. Alle sind eingeladen, das unter der CC-Lizenz erschienene Werk weiterzuschreiben. Im Interview mit ORF.at spricht er über ethisches Handeln in der Gesellschaft und ein geplantes Ethiklabel für Produkte und Unternehmen, das von der Community vergeben werden soll.

"Anlass für das Projekt war die Wirtschaftskrise mit ihren Erklärungsmodellen. Ich habe keine Ansätze einer Wertedebatte gefunden", so der Dozent für Kommunikation, Netzkultur und Medienethik an der Fachhochschule Vorarlberg (FHV). Das deutschsprachige Buch mit dem englischen Titel "Ethify Yourself" stellt die Gesellschaft und ihr Wertesystem infrage. Wie sieht etwa unser Konsumverhalten aus und wie lassen sich Fairness und Balance erzielen, ohne auf die eigene Selbstbestimmung und Zufriedenheit verzichten zu müssen?

"Nachdem ich aus dem Creative-Commons-Umfeld bin und aus der Kultur der Wertschöpfung und des guten Umgangs miteinander viel Kraft schöpfe, habe ich mir diesen Sektor genauer angesehen", so Alton-Scheidl. Im Buch werden neun Werte hergeleitet, die den Anforderungen der 2010er Jahre entsprechen und vor allem in der Kreativszene schon gelebt würden.

Betaversion ist online

Deshalb habe der Medienforscher auch versucht, das Buch "anders zu schreiben", und nicht auf herkömmliche Weise bei einem Verlag zu veröffentlichen. Die Betaversion von "Ethify Yourself" erschien kürzlich online unter der CC-Lizenz CC-BY-SA und ist somit kostenfrei auf der Website des Projekts zu lesen. Wer auf das gedruckte Buch nicht verzichten möchte, kann es auf der Homepage vorbestellen. "Bei 200 Bestellungen wird es in Zusammenarbeit mit einem kleinen Verlag gedruckt", so Alton-Scheidl.

Einen Publikumsverlag zu finden sei schwierig, und wenn, dann gebe es nur "Knebelverträge, mit denen alle Rechte abgegeben werden", beklagt Alton-Scheidl. Der Text ließe sich dann auch nicht mehr bearbeiten - ein Aspekt, der dem Autor wichtig war. "Das ist die Kultur, die wir gewohnt sind, im Open-Source-Umfeld."

Selbst Medien entwerfen

Zum einen bestehe das Projekt derzeit zu etwa zehn bis 15 Prozent aus anderen CC-verfügbaren Quellen und zum anderen solle es bis zum Erreichen der 200 Buchbestellungen auch für alle Interessierten offen sein, das heißt bearbeitet, ergänzt und kommentiert werden können. Ähnlich einem Wiki könne der User nach der Registrierung am Buch mitschreiben. "Die Liste der Koautoren ist deshalb bereits jetzt schon sehr lang", meint Alton-Scheidl, der sich als Herausgeber und Moderator des Projekts sieht. Natürlich gebe es auch eine Versionsgeschichte, um bei Bedarf ältere Versionen wiederherzustellen.

Während beim Großteil des Buches die Texte bereits sehr vollständig zu sein scheinen, sind im Kapitel "Ethify Your Media" noch Lücken zu finden. Der Abschnitt ist dazu gedacht, alternative Medien, im Sinne von Informationsträgern, die zu ethischem Handeln aufrufen, zu entwerfen oder vorzuschlagen. Denn um die verschiedenen Zielgruppen zu bedienen, müssten Medien im Internet und außerhalb konzipiert und bespielt werden, die alle erreichen, heißt es in der Einleitung zum Kapitel.

Am 21. und 22. Oktober findet in der FHV in Dornbirn das sechste Designsymposion statt. Gezeigt werden Beispiele und Haltungen im Hinblick auf gelungene oder auch übertriebene Reduktionen im Bereich Gestaltung, Design und Architektur. Anschließend werden diese Erfahrungen für Wirtschaft, Verwaltung und Lebensgestaltung im Ethikforum weiterentwickelt.

Die Änderungen durch die Community fänden auch im gedruckten Buch Eingang. Bis zu dem im Herbst stattfindenden Symposion "Intelligent reduziert" hofft Alton-Scheidl, das gesteckte Ziel an Buchbestellungen erreicht zu haben. Parallel wird "Ethify Yourself" bereits jetzt als eBook für 4,90 Euro angeboten, "um zu testen, ob das die Leute machen". Dahinter stecke mehr ein Interesse, ob auch ein Vertrieb auf diesem Wege funktioniere.

Ethify-Label zur Orientierung

Doch "Ethify Yourself" soll nicht nur ein "interaktives Buch- und Medienprojekt für nachhaltiges Leben und Wirtschaften sein". In Planung befinde sich auch ein Ethify-Label. Auf Basis der Community, also der Bewertungen vieler Menschen, soll ein Ethify Quotient (EQ) für Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen berechnet werden, der auf der Ethify-Plattform abrufbar sein werde.

Der EQ soll ein Stimmungsbild zum Ausdruck bringen, wie viel in einem Unternehmen getan werde, um ethische Ziele zu erreichen, heißt es auf der Website. Die Bewertungen könnten ein kritisches Bewusstsein bei Konsumenten wie auch Produzenten erzeugen. So könne ein Unternehmen dann auch mit einem Ethify-Label für sein Produkt werben.

Berechnung des EQs

"Ähnlich wie bei der Messung des Intelligenzquotienten ist 100 das Mittelmaß" und stelle ein "Befriedigend" dar, erklärt Alton-Scheidl die Idee des EQs. Werte über 100 sind positiv, Werte darunter negativ.

Die Basisberechnung des EQ erfolge über die Bewertung - eines Produkts etwa - nach den im Buch aufgeführten neun Werten. Die Endnote ergebe sich aus dem Durchschnitt aller Userbewertungen. Ergänzt werde der EQ durch eine Zeitkomponente, die wiederum den EQ langsam absinken lasse, wird auf der Homepage erklärt.

Social Media nicht ignorieren

Wer bei "Ethify Yourself" mitschreibt oder bloggt, erscheint auch auf dem Twitter- und Facebook-Profil von Ethify. Natürlich gebe es Bedenken wie etwa gegenüber dem Sozialen Netzwerk Facebook aufgrund seiner mangelhaften Einstellung in Sachen Privatsphärenschutz, weshalb die Plattform eine Note von nur 49 bekommen würde, meint Alton-Scheidl. "Nachdem wir so gefangen sind in den Netzen, müssen wir sie aber als Medien wahrnehmen, so wie ich die 'Krone' lesen muss, um mich über etwas zu informieren."

Aber um Produkte und Unternehmen "in ein Licht zu rücken", würden sich Soziale Netzwerke prinzipiell sehr gut eignen. Er wünsche sich mehr Ideen, wie mit diesen Medien umgegangen werden könne, damit sie für ethische Ziele verwendet werden können. Als Beispiel erwähnt der Dozent Adbusters, Gruppierungen, die Werbung im öffentlichen Raum verfremden und umgestalten, um so deren Sinn umzukehren.

Aufruf an die Community

Interessierte seien auch hier aufgerufen, sich an der Umsetzung des Ethify-Labels zu beteiligen. Auch soll es Applikationen zur Abfrage und Mitbewertung von anderen Portalen oder mobilen Endgeräten geben. Das Ethify-Label ist derzeit noch nicht realisiert, soll aber bereits ab diesen Sommer zu testen sein, so Alton-Scheidl.

Schließlich gebe es auch ein Interesse daran, ein Geschäftsfeld zu finden, um zu zeigen, wie sich mit einer CC-Lizenz Geld verdienen lasse. Mittels Vorträgen und Workshops etwa, damit würde die Idee auch ihre Verbreitung finden. "Bei mir heißt 'Geschäftsmodell' so viel wie 'Einnahmen zu machen, aber nicht reich zu werden'", betont der Medienforscher jedoch.

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(futurezone/Claudia Glechner)