Lettischer Finanzdaten-Hacker festgenommen

LETTLAND
13.05.2010

Der unter dem Namen "Neo" bekannte Hacker, der im Frühjahr sensible Daten verschiedener öffentlicher Einrichtungen und Unternehmungen Lettlands veröffentlicht hatte, wurde am Mittwoch verhaftet. Die Affäre zieht mittlerweile immer weitere Kreise.

Der Mann, ein 31-jähriger Mathematik-Forschungsstudent namens Ilmars Poikans, ging über seinen Anwalt am Donnerstag an die Öffentlichkeit. Sein Anwalt Aleksejs Loskutovs sagte gegenüber Journalisten, sein Mandant bekenne sich dazu, die Daten im Interesse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Ob es sich dabei um eine nicht legale Tätigkeit gehandelt habe, sei aber erst festzustellen.

7,4 Millionen Datensätze kopiert

Mitte Februar war bekanntgeworden, dass durch eine Sicherheitslücke im Finanzamt über Monate hinweg insgesamt 120 Gigabyte, beziehungsweise 7,4 Millionen Datensätze kopiert worden waren. In der Folge brachten "Neo" und eine sich als "Volksarmee des Vierten Erwachens" ("4ATA") bezeichnende Gruppe mehrere davon an die Öffentlichkeit. Auch der öffentliche Sender LTV berichtete darüber.

Am Dienstag beschlagnahmte die Polizei im Rahmen einer Razzia bei der für den LTV-Bericht verantwortlichen Journalistin Ilze Nagla mehrere elektronische Speichermedien.

Daten über Managergehälter

"Neo" veröffentlichte unter anderem brisante Informationen über Managergehälter bei einer Bank, die vom lettischen Staat durch Finanzhilfen gerettet wurde. Dabei kam ans Licht, dass viele der Manager nicht die versprochenen Gehaltskürzungen hinnahmen. Zudem zeigten die Daten, dass mehrere staatliche Unternehmen heimlich Dividenden ausschütteten und zeitgleich die Regierung um Hilfe ersuchten.

Die "4ATA" wollte mit dieser Aktion nach eigenen Angaben der Bevölkerung vor Augen führen, dass die Regierung sich selbst und ihre Unterstützer von den Bürgern auferlegten, harten Sparmaßnahmen systematisch verschont habe. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die EU und andere internationale Gläubiger Lettlands haben einen rigorosen Sparkurs zur Bedingung für die Gewährung milliardenschwerer Kredite an die Regierung gemacht.

Politische Konsequenzen gefordert

Unterstützer von Poikans haben unterdessen am Donnerstag in Riga lautstark dessen Freilassung verlangt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur LETA versammelten sich über 100 Personen vor dem Regierungsgebäude, darunter bekannte Journalisten, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) sowie Studenten und Pensionisten.

Die konservative Volkspartei, die im März aus der Regierung ausgetreten war, forderte den Rücktritt von Innenministerin Linda Murniece. Ministerpräsident Valdis Dombrovkis wies die Kritik an seiner Parteikollegin jedoch umgehend zurück und sprach der Ministerin sein Vertrauen aus. Er sei überzeugt, dass Murniece jederzeit in der Lage sei zu gewährleisten, dass sich ihre Beamten "professionell und im Einklang mit den Gesetzen" verhielten.

Breite Untersuchung der Vorgänge

Der staatliche Ombudsman (Volksanwalt), Romans Apsitis, hat unterdessen eine Untersuchung über das Vorgehen der Polizei gegen die LTV-Journalistin Nagla eingeleitet. Kurz davor hatte sich Staatspräsident Valdis Zatlers öffentlich für Untersuchung des Falles durch die Volksanwaltschaft ausgesprochen.

LTV-Direktor Dzintris Kolats wandte sich mittlerweile schriftlich an das Internationale Presse Institut (IPI) in Wien. Die Razzia habe Befürchtungen bestärkt, dass staatliche Institutionen in Lettland gezielt die Meinungsfreiheit in Lettland die Existenz von unabhängigem Journalismus in Lettland einzuschränken versuchen.

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(APA)