© AKG, Funkmikro-Sendestation

Digitale Dividende: Für Funkmikros wird es eng

KULTURFUNK
26.07.2010

Mit der jüngsten Regierungsentscheidung in Sachen Frequenzverteilung können nicht alle Beteiligten gut leben. Speziell auf Open-Air-Festivals wird der Plan negative Auswirkungen haben. Aufgrund der unsicheren Lage bei Funkmikrofrequenzen wurden Technikinvestitionen im Wert von einer halben Million Euro eingefroren, so Gerd Alfons, Technikchef der Bregenzer Festspiele, zu ORF.at.

"Eine digitale Dividende gibt es nicht. Es gibt nur Umverteilung, indem Frequenzen neu belegt werden, wie in diesem Fall jene von 790 bis 862 MHz", sagt Matthias Fehr, der Vorsitzende des Weltverbands für professionelle drahtlose Produktionstechnologie zu ORF.at.

Unter diesem etwas sperrigen Namen agiert die Interessenvertretung der Hersteller und Betreiber von Funkmikrosystemen, die in TV- und Musikstudios, Theatern, Veranstaltungshallen und Freiluftbühnen zur Anwendung kommen. Von den Open-Air-Veranstaltungsorten ist die Bregenzer Seebühne jener mit dem größten Bedarf an Funkmikros und allem, was dazugehört (siehe weiter unten).

Fünf statt 50 Kanäle

Die Frequenzen der "digitalen Dividende" waren vorher bekanntlich TV-Sendern als Primärnutzern zugewiesen, auf regional freien Kanälen - und dazwischen war bis jetzt die drahtlose Studio- und Bühnentechnik angesiedelt. Die am Dienstag bekannt gewordene Entscheidung des Infrastrukturministeriums, bei der Neuzuteilung des besagten Bandes an die Mobilfunker einen elf MHz breiten Bereich für die Funkmikros zu reservieren, betrachtet Fehr nicht als optimale Lösung.

Statt der rund 50 MHz, die zwischen 790 und 862 an praktisch nutzbarem Spektrum für etwa 50 Kanäle zur Verfügung standen, bekomme man nun fünf, "und die in schlechterer Qualität", so der Vertreter der Kulturfunker.

Die zugeteilten elf MHz könnten nämlich nur theoretisch voll genutzt werden, ein guter Teil am oberen und am unteren Ende müsse wegen der künftigen digitalen Nachbarsender - LTE-Breitbandmodems und Basistationen der Mobilfunker - grundsätzlich freigehalten werden. Wie weit das übrige Band überhaupt nutzbar sei, könnten erst Praxistests zeigen. Die Gefahr von Störungen sei hoch.

"Tropfen auf den heißen Stein"

"Das ist kein sehr lukrativer Tausch", meint auch Günter Konecny von der Österreichischen Theatertechnischen Gesellschaft gegenüber ORF.at, das neu zugeteilte Band sei bestenfalls "ein Tropfen auf den heißen Stein".

Gehe man im besten Fall von fünf bis sechs MHz ungestörten Bandes in der Mitte des Bereiches aus, "so ist dieser Ersatz für (brutto) 72 MHz, die im Bereich 790 bis 862 MHz durch die digitale Dividende als Sekundärnutzer wegfallen, als sehr bescheiden zu werten", sagt auch Peter Tiefenthaler, bei der österreichischen AKG Acoustics zuständig für Global Compliance, zu ORF.at.

Die "digitale Dividende"

Im Ministerrat wurde am vergangenen Dienstag der Fahrplan zur Umwidmung des Frequenzbereichs zwischen 790 und 862 MHz für drahtloses Breitband beschlossen. Den Kulturfunkern wurde das Band von 821 bis 832 MHz exklusiv zugewiesen.

Funken aus dem Todesboot

Auf der Bregenzer Seebühne, wo seit Donnerstag Verdis "Aida" gespielt wird, kommen bei dieser Produktion aktuell etwa 30 Funkmikros zum Einsatz, was ebenso viel Megahertz an Bandbreite entspricht.

"Wir haben natürlich alles verkabelt, was irgendwie zu verkabeln war", sagt Gerd Alfons, technischer Direktor der Bregenzer Festspiele zu ORF.at, aber auf einer 60 mal 50 Meter großen Bühne mit so vielen Darstellern und beweglichen Requisiten stoße man mit dieser Methode schnell an Grenzen.

Allein in das "Todesboot", das mit Hilfe eines Krans während der spektakulären letzten Szene in 40 Metern Höhe davonschwebt, führen vier Funkverbindungen.

Redundante Kanäle

Eine davon versorgt die Lautsprecher im Schiffchen mit Musik, eine zweite dient als Videolink, der den Dirigenten auf einen Minibildschirm im Boot bringt, damit die Hauptdarsteller sehen, wann sie einsetzen sollen, zwei weitere Funkmikros übertragen die Stimmen der Hauptdarsteller.

Sämtliche Funkausrüstung sei doppelt vorhanden, wobei die Reservemikros sicherheitshalber auf jeweils andere Frequenzen eingestellt seien, falls auf einer davon Störungen auftreten sollten, so Alfons weiter. Damit braucht allein das Todesboot mehr Kanäle, als mit dem nun zugeteilten zusätzlichen Spektrum nutzbar sein werden.

Die Duplexlücke

Was die Kulturfunktechniker besonders skeptisch macht, ist der Umstand, dass die Mobilfunker diesen Bereich selbst gar nicht nutzen wollten. Er liegt in der sogenannten Duplexlücke des kommenden Superbreitbandfunks LTE, dessen Standard im Übrigen noch nicht vollständig definiert ist.

In der einen Hälfte des "Dividendenbands" werden jedenfalls in Österreich die Funkmodems von Laptops und anderen Mobilgeräten senden, die andere gehört den Luftschnittstellen, also den Sendemasten, die Kulturfunker liegen genau dazwischen.

Das bedeute "nichts Gutes" meint Fehr, besonders fürchtet man Intermodulationsstörungen, die vor allem von schlecht abgestimmten oder konstruierten Sendern aller Art verursacht werden. Der Sender strahlt dabei einen bestimmten Teil seiner Leistungen woanders aus als auf der eingestellten Frequenz.

Die Versteigerung

In Deutschland ist die "digitale Dividende" bereits versteigert worden und brachte 4,385 Milliarden Euro ein. Die begehrten Frequenzen gingen an die Deutsche Telekom, Vodafone und O2. Kurz davor hatte sich auch die österreichische Bundesregierung auf eine Umwidmung mit Versteigerung festgelegt.

Störende Sendertransienten

Diesen Störungen müssen die Kulturfunker schon jetzt regelmäßig ausweichen, denn mit der wachsenden Zahl von drahtlosen Geräten aller Art sind auch die Störpegel ganz allgemein im Steigen. Welche Bereiche jeweils lokal gestört werden, lässt sich nicht voraussagen. Das Spektrum muss ausgemessen werden, um festzulegen, welche Kanäle man vor Ort besser nicht benutzt.

Neben Intermodulationen, die von Funkquellen aller Art stammen können, sind es die sogenannten Sendertransienten, die den Kulturfunkern Kopfzerbrechen verursachen. Es sind - vereinfacht gesagt - Störimpulse, die beim Ein- und Ausschalten von digitalen Datenmodems wie etwa LTE-Geräten auftreten können.

Im Lautsprecher wirkt sich das als eine Serie von scharfen Knacksern aus, ähnlich den Störimpulsen von Zündfunken, die auf verschiedenen Frequenzbereichen gleichzeitig auftreten können.

Halbe Million Euro auf Eis

Was den neu zugeteilten Bereich angeht, so sei der allenfalls als Provisorium nutzbar, darüber sind sich alle befragten Kulturfunker einig. Ebenso einhellig betonten alle, dass seitens des Infrastrukturministeriums großes Verständnis für die Probleme herrsche. Die Zuteilung des provisorischen Spektrums werde auch dort nur als kleiner Teil einer künftigen Lösung angesehen.

"Bei uns liegt eine halbe Million Euro in Technik-Investitionskosten auf Eis", sagt der technische Direktor der Bregenzer Seebühne abschließend zu ORF.at, es sei einfach momentan nicht klar, in welches Equipment man - von Steueranlagen bis zu Monitorboxen - zukunftssicher investieren könne. Für eine Produktion wie "Porgy and Bess", die funktechnisch bisher aufwändigste, fielen beispielsweise zwischen 90 und 120 MHz an Bandbreite an.

Im Herbst kommen alle Betroffenen im BMVIT zu Fachgesprächen zusammen, um sich über die internationale Entwicklung auszutauschen, denn das Dilemma des Kulturfunks ist logischerweise nicht auf Österreich beschränkt und muss daher international abgestimmt werden.

(futurezone/Erich Moechel)