Das Netzwerk der Kreativen

"matrix"
25.02.2007

Die Wiener Netzplattform shapeshifters will die richtigen Ideen mit den richtigen Leuten zusammenbringen. Treffen in der Realität sind dabei wichtiger als Kontakte im virtuellen Raum.

Auf den ersten Blick unterscheidet sie sich nur wenig von all den anderen Anwendungen im sozialen Web. Aber nur auf den ersten Blick. Denn hier wird nicht versucht, auf Teufel komm raus Traffic zu generieren, sondern es geht darum, die Qualität der Kommunikation hochzuhalten. Jedes Posting soll zielorientiert sein und für die anderen User einen realen Nutzen haben.

First Life statt "Second Life"

Das Herzstück von shapeshifters ist die Rubrik "Interact". Die Nutzer formulieren da ihre ganz speziellen Probleme und hoffen, dass jemand helfen kann. "Wir messen uns daran, wie viele Interaktionen wir in der realen Welt zu Stande bringen. Im Meatspace, nicht im Cyberspace. Wenn wir nur Kommunikation um der Kommunikation willen erzeugen, dann sind wir gescheitert", erklärt Erich Pöttschacher, Gründer und Mastermind von shapeshifters.http://www.shapeshifters.net/

Mehr über shapeshifters gibt es am Sonntag um 22.30 Uhr in Ö1 in der Netzkultur-Sendung "matrix" zu hören.

Trends aus Müll

Zwei Beispiele von vielen, wie der Gebrauch von shapeshifters die Arbeits- und Lebensmöglichkeiten verändert hat: In Costa Rica stieß Pöttschacher auf vier Frauen, die eine Müll-Wiederverwertungsanlage gegründet hatten. Täglich rollt dort ein Lastwagen an und lädt 14 Kubikmeter Mist ab, der von den Betreiberinnen manuell getrennt wird. Bei dem shapeshifters-Treffen wurde klar, dass sich die Frauen für Kunst und Design interessieren.

Pöttschacher erzählte ihnen von der Firma Freitag, die aus alten Lkws Planentaschen fertigt. Die Kleinunternehmerinnen waren Feuer und Flamme und wollten dieses Geschäftsmodell für sich adaptieren. Leider gibt es in Costa Rica aber niemanden, der sie dabei unterstützen und beraten könnte. Die Antwort auf ihr shapeshifters-Posting kam aus Neuseeland. Und so hält nun jemand von einem Ende der Welt am anderen Ende einen Workshop ab, um zu zeigen, wie man aus Abfall hippe Produkte herstellt. Dank der Vermittlung aus Wien.

Globalisierung im Kleinen

Eine anderes Beispiel: Werbefotografin aus Brasilien, allein erziehende Mutter, die sich mehr schlecht als recht durchschlägt. Sie hat eine homoerotische Fotoserie geschossen, die sie in ihrer Heimat nicht ausstellen kann, weil die Liebe zwischen Männern in weiten Teilen Brasilien noch immer ein Tabuthema ist.

Auf ihre Anfrage über shapeshifters bekam sie nach zwei Tagen Antwort aus London mit Kontakten zu britischen Galerien. Einen Monat später meldete sich der Chefkurator des Nationalmuseums von Windhuk in Namibia und bot der Fotografin eine Einzelausstellung an.

Die richtigen Freunde

Shapeshifters lebt davon, dass die richtigen Leute es nutzen. Wie aber findet man von Wien aus die richtigen Leute in Johannesburg, Melbourne oder San Jose? Alles begann mit einer Liste, auf der 36 Namen aus Afrika, Lateinamerika und Europa standen. Ein Jahr lang hat eine Person nichts anderes getan, als diese Leute anzurufen und zu fragen, ob sie nicht ein Meeting abhalten und Bekannte einladen wollen.

Wie immer bei neuen Ideen war die Skepsis zu Beginn groß. Was würde das sein? Ein Pyramidenspiel? Eine Sekte? Eine Tupperware-Party für Kreative?

Reisen für Ideen

Vergangenes Jahr bereiste das shapeshifters-Team Lateinamerika, Neuseeland und Australien. Heuer stehen Nordamerika, Kanada, die Karibik, Indien, Sri Lanka, China und Japan auf dem Programm. Dann ist die "Seeding-Tour" abgeschlossen.

"Wir säen vor Ort den Samen unserer Idee", sagt Pöttschacher, "und hoffen, dass er aufgeht."

Auf Shapeshifters.net gibt es keine Gebühren und keine Bannerwerbung. Wie man Geld verdienen will? "Ganz einfach", sagt Pöttschacher, "wir haben ein einzigartiges Wissen über Mikrounternehmen rund um den Globus. Das verkaufen wir. Und hoffen, dadurch in 20 Jahren so etwas wie die Nachrichtenagentur Bloomberg für eine andere Form von Wirtschaft zu sein."

(matrix | Gerhard Pretting)