Teurer XML-Kurs für Europas Banken
Mit 1. Jänner 2008 wird der europäische Geldverkehr harmonisiert. Zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Überweisungen gibt es dann innerhalb der Euro-Zone keinen Unterschied mehr. Die Umstellung vom alten Transaktionsstandard auf das neue XML-Schema für Überweisungen wird die österreichischen Banken bis zu 250 Millionen Euro kosten.
Die Banknoten sind bereits vereinheitlicht, mit Anfang nächsten Jahres wird in einem Mammutprojekt der Finanzverkehr in insgesamt 31 europäischen Ländern harmonisiert.
Der bisherige Fleckerlteppich an nationalen Zahlungssystemen wird durch den neuen gemeinsamen Standard SEPA ["Single Euro Payments Area"] ersetzt.
Kein ausländisches Konto nötig
Mit SEPA sollen Überweisungen und Kartenzahlungen [ab Anfang 2008] und Lastschriftverfahren [wegen des noch fehlenden Rechtsrahmens erst ab Ende 2009] im In- und Ausland gleich schnell und einfach sein.
Mit dem europaweit einheitlichen Lastschriftverfahren können Bankkunden in Zukunft etwa auch die Stromrechnung des Ferienhauses in der Toskana vom österreichischen Konto abbuchen lassen - ein eigenes Konto im Ausland ist nicht mehr notwendig.
Grenzüberschreitende EU-Überweisungen dürfen schon seit 2001 per Verordnung nicht teurer sein als Inlandszahlungen.
Schnellere Überweisung
"Für den Privatkunden ist die SEPA-Umstellung nicht spürbar, sie erfolgt im Hintergrund", so Markus Pammer, Senior Expert für Zahlungsverkehrssysteme bei der Oesterreichischen Nationalbank. "Die raschere Überweisungszeit bringt dem Kunden aber einen unmittelbaren Vorteil."
Ab 2012 müssen elektronische Überweisungen spätestens am Ende des nächsten Werktages auf dem Empfängerkonto sein, jetzt darf es noch zwei Tage länger dauern.
20-stelligen IBAN merken
Gewöhnungsbedürftig ist bei Überweisungen vor allem die Umstellung auf die 20-stellige internationale Kontonummer IBAN - eine Buchstaben-Zahlen-Kombination - und die Bankkennzeichnung BIC [Bank Identifier Code], die nun auch bei Inlandstransaktionen benötigt werden.
In weiterer Folge soll der BIC von den Online-Banking-Systemen automatisch generiert werden, die IBAN wird zur neuen Kontonummer.
Einzugsermächtigungen erneuern
Bemerkbar macht sich die Umstellung auch darin, dass etwa dem Arbeitgeber der IBAN kundgetan werden muss, um auch im neuen SEPA-System weiter Bezüge zu erhalten. Einbußen müssen aber vorerst nicht befürchtet werden, das alte System bleibt noch einige Jahre parallel bestehen.
Viel Arbeit kommt auf Firmen wie Energieanbieter und Telekom-Unternehmen zu, sie müssen ebenfalls die Einzugsermächtigungen aktualisieren.
Die IBAN [International Bank Account Number] finden Bankkunden auf ihrem Kontoauszug und im Online-Banking. Er wird bisher nur für EU-Auslandsüberweisungen benötigt.
XML als neues Datenformat
Das bisherige Datenformat im österreichischen Bankwesen, "UN/EDIFACT", das mit dem Start des Euro eingeführt wurde, wird nun durch ein XML-Schema nach dem Standard ISO 20022, auch bekannt unter dem Namen "Universal Financial Industry Message Scheme" [UNIFI], ersetzt.
XML [Extensible Markup Language] ist ein universelles Format für strukturierte Dokumente und Daten. So basieren zum Beispiel auch die aktuellen Dateiformate von OpenOffice.org und Microsoft Office auf XML.
Transfer via SWIFT
UNIFI wurde vom zuletzt wegen Übermittlung europäischer Überweisungsdaten an US-Geheimdienste ins Gerede gekommenen Finanzdienstleister SWIFT bei der ISO zur Standardisierung eingereicht. Über SWIFT laufen auch die SEPA-Daten.
Im Gespräch mit ORF.at sagte SWIFT-Finanzvorstand Francis Vanbever am 1. Juni, dass die SEPA-Transaktionen reine Durchlaufposten seien, die zwar über das SWIFT-Netzwerk gingen, aber dort nirgendwo abgespeichert würden. Bisher würden die Transferdaten vier Monate lang im Speicher gehalten.
Milliardeninvestitionen
Für die Banken bedeutet das Mammutprojekt hohe Umstellungskosten.
Allein in Österreich sollen nach verschiedenen Studien der Unternehmensberatung McKinsey und der Oesterreichischen Nationalbank Migrationskosten von 150 bis 250 Millionen Euro anfallen, in ganz Europa werden die Investitionskosten demnach auf einen Einmalaufwand von fünf bis zehn Milliarden Euro geschätzt.
Dualsystem bis 2010
Bis 2010 soll eine "kritische Masse" erreicht werden, das heißt, der Großteil der Zahlungsabwicklungen soll über SEPA erfolgen. Danach soll die Ablöse der nationalen Systeme marktorientiert erfolgen.
Als einer der ersten großen öffentlichen Nutzer in Österreich ist das Finanzministerium bereits SEPA-ready.
Kostenabwälzung auf den Kunden?
Ob die Banken versuchen, die Investitionen über eine Verteuerung der Konten von den Kunden zumindest teilweise wieder einzuheben, ist nicht auszuschließen.
Die Bankenexperten selbst halten das aber für unwahrscheinlich, da die Kunden wohl wenig Verständnis für eine Verteuerung hätten.
Österreich im EU-Vergleich günstig
"Mit der Einführung von SEPA wird sich in einem ersten Schritt die Kostenstruktur im österreichischen Zahlungsverkehr nicht wesentlich verändern, da Österreich zu den günstigsten Ländern in Europa gehört", sagte SEPA-Erste Bank Experte Jean-Yves Jacquelin. "Teure Zahlungsverkehr-Länder werden sicherlich rasch ihr Preisniveau auf die österreichische Kostenstruktur anpassen müssen."
"Der Wettbewerb lässt eine Erhöhung der Gebühren nicht zu," so auch Günther Gall, Leiter des Bereiches Transaction Services in der Raiffeisen Zentralbank.
Banken hoffen auf Mehrgeschäft
Der Konkurrenzdruck nehme durch die Möglichkeit, ein Konto in jedem EU-Land als einziges Hauptkonto zu haben, sogar noch zu. Gerade hier, so glaubt Gall, könnten die österreichischen Banken auch profitieren. Denn der Kunde benötige nun für laufende Zahlungen im Ausland kein Extrakonto mehr.
Einen großen Vorteil haben auch europaweit tätige Unternehmen. Sie können ihren bisher auf mehrere Länder verteilten Zahlungsverkehr mit SEPA an einem Standort konzentrieren.
"Im Privatkundenbereich werden neue Produktpakete und eine Vielzahl von neuen Funktionalitäten angeboten werden, die dann auch etwas kosten. Eine Idee wäre etwa die Gestaltung von Kreditkarten mit dem eigenen Foto, wie man heute schon das Handy mit Klingeltönen individualisiert", so Gall gegenüber ORF.at.
(futurezone | Beate Zaussinger)