Programmieren in einem Zug

17.06.2007

Linux-Hacker Jaromil ist gern unterwegs, um seinen Geist in Bewegung zu halten. Er ist nicht der einzige Hacker, der seinen Code gern in einer ganz speziellen Umgebung schreibt. Armin Medosch sprach mit Open-Source-Entwicklern darüber, wie sie arbeiten und was sie inspiriert.

"Ich sitze nicht wie Buddha unter einem Baum und dann werde ich inspiriert", erklärt der 30-jährige Software-Entwickler Jaromil alias Denis Roio. Auf seiner Homepage Rastasoft.org präsentiert er sich als Unix-Programmierer und Rastaman. "Die Ungerechtigkeit ist das Vaterland des Rebellen. Wenn etwas nicht in Ordnung ist, muss ich intervenieren, und da werde ich kreativ."

Gute Ideen kommen nicht einfach so aus der Luft. Sie entspringen einem komplexen Gewebe sozialer Beziehungen. Dabei spielen soziale Antagonismen ebenso wie wirtschaftliche Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle.

Heute in "matrix"

Welche Arbeitsweisen und -methoden eignen sich am besten, um Neues entstehen zu lassen? Gibt es in der Software-Entwicklung überhaupt kreative und künstlerische Aspekte? Und wie motivieren und inspirieren sich kreative Entwickler? Was lässt sie abheben zu Höhenflügen?

Armin Medosch befragte im Rahmen einer Studie 16 EntwicklerInnen von Freier und Open-Source-Software [FLOSS] zum Themenkomplex "Arbeitsumgebung". Dazu gehört alles, was diese benötigen, um kreativ zu sein, wie der Entwicklungsprozess funktioniert, was sie inspiriert.

"Matrix", Sonntag, 22.30 Uhr in Ö1: "Open-Source-Kultur: Wie arbeiten Hacker?"

Prekäre Lebensumstände

Viele FLOSS-Entwickler nehmen ähnlich wie Künstler und Designer prekäre Lebensumstände in Kauf. Die Grundbedürfnisse müssen gedeckt sein, doch darüber hinaus ist für ihr Schaffen Geld nicht der wichtigste Anreiz.

Die meisten Entwickler bevorzugen coole, selbst organisierte Arbeitsumgebungen wie Hacklabs und Sommer-Camps wie etwa die c-base in Berlin und das Metalab in Wien.

Freie Produktionsmittel

Zum Unterschied von anderen Bereichen der so genannten kreativen Industrien baut dieser Bereich nicht auf den starken Schutz des geistigen Eigentums, sondern im Gegenteil auf dessen Vergesellschaftung. Freie Software garantiert technologischen Kunsthandwerkern wie Jaromil die Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit der Entwicklung.

Dynebolic ist ein komplettes Linux-System, das auf eine CD oder einen USB-Stick passt. So können Neugierige Linux benutzen, ohne es installieren zu müssen. Einfach die Dynebolic-CD einlegen und den Rechner neu starten, und schon hat man einen punkig frechen Pinguin auf dem Bildschirm.

Werkzeug für Medienaktivisten

Aus einem langweiligen Bürorechner wird im Handumdrehen eine für die Produktion von Audio und Video optimierte Maschine. Dynebolic wurde von der englischen Zeitung "The Independent" im Vorjahr zu einem der zehn besten Linux-Projekte gewählt.

Für Jaromil, Entwickler dieses Systems, ist das Zusammenwohnen im besetzten Haus mehr als eine Überlebensfrage. Das Leben in der offenen Community beeinflusst seine Denkweise.

Dynebolic eignet sich besonders gut für Medienaktivismus. Jaromil vertritt den Standpunkt, dass Entwickler bewusst die Herausforderung suchen müssen.

Erstens sollten diese mit den Leuten in Kontakt treten, für die ihre Software gedacht ist, und sich von deren Bedürfnissen inspirieren lassen.

Zweitens sollten sie sich bewusst den Konflikten und Bedürfnissen anderer Menschen aussetzen und sich nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen. Deshalb schreibe er seinen Code am liebsten während langer Zugfahrten.

(matrix | Armin Medosch)