Die Kosten der US-Passagierüberwachung
Das US-Heimatschutzministerium hat ausgerechnet, wie hoch die Kosten sind, die mit "Secure Flight" auf Fluglinien und Passagiere zukommen werden. Die Rechnung des Ministeriums ist unpräzise, zeigt aber die Dimensionen des Programms auf.
Nach den am 3. August in ein Gesetz gegossenen Vorschlägen der Untersuchungskommission zur Zerstörung des New Yorker World Trade Center ist das US-Heimatschutzministerium [DHS] dazu gehalten, die persönlichen Daten von Fluggästen, die in die USA einreisen, schon vor dem Start der Maschine im Ausland einzusammeln.
Die dafür zuständige Heimatschutzbehörde Transportation Security Authority [TSA] soll zu diesem Zweck die Pass- sowie die Buchungsdaten [PNR] sammeln und mit den Datenbanken verschiedener US-Strafverfolgungsbehörden abgleichen. Dabei werden allerdings nicht nur die Daten von Reisenden aus dem Ausland erfasst, sondern auch jene von Passagieren, die sich nur innerhalb der USA bewegen.
Zeit und Geld
In einem 136-seitigen Dokument mit Vorschlägen des Ministeriums zur Ausgestaltung des Flugsicherheitsprogramms findet sich auch ein Abschnitt, in dem es darum geht, wie viel es kosten wird, die neuen Regeln technisch und organisatorisch umzusetzen.
Betroffen davon sind vor allem die Fluglinien. Sie müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, den US-Behörden die Passagierdaten in der gewünschten Form und Geschwindigkeit übermitteln zu können.
Das bedeutet: Computersysteme müssen angepasst, Personal muss geschult werden. Insgesamt, so schätzt das DHS, werden die neuen Regeln Fluglinien, Reisebüros und individuelle Reisende ohne Anwendung des Diskontsatzes im Lauf der kommenden zehn Jahre bis zu vier Milliarden US-Dollar [2,9 Milliarden Euro] kosten.
Der Informationsfluss
Bevor die Fluglinien nach den neuen Regeln Informationen an den US-Heimatschutz übermitteln können, sollen sie erst einen Aircraft Operator Implementation Plan [AOIP] erstellen und an die TSA übermitteln. In diesem Plan soll genau ausgeführt sein, welche Technologien und Abläufe die Fluglinie zur Übermittlung der Passagierdaten an das DHS verwenden wird.
Außerdem müssen sich die Fluglinien bereithalten, auch Anweisungen der TSA entgegenzunehmen, etwa wenn sich ein gemeldeter Passagier auf einer Watchlist befindet und nicht in die USA einreisen darf.
Fluglinien und Flughäfen
Nach Angaben des DHS wären von den Umstellungen insgesamt 66 US-Fluglinien und 146 ausländische Airlines betroffen. Außerdem gilt es, die Informationssysteme von 437 Flughäfen in den USA so umzustellen, dass sie auch jene Personen an den Heimatschutz rückmelden können, die sich im Sicherheitsbereich hinter den Passkontrollen aufhalten, aber nicht zu den Reisenden zählen, etwa Begleitpersonal für Minderjährige.
Das DHS rechnet damit, dass täglich die Daten von etwa 2,5 Millionen Passagieren im Flugverkehr der USA erfasst und bearbeitet werden müssten. Da die Fluglinien die Passagierdaten bereits für interne Zwecke sammeln würden, so rechnet die Behörde, würde man die Kosten für die Verarbeitung derselben aus der Gesamtrechnung entfernen.
Erfassungskosten herausgerechnet
Das gehe konform zum "Paperwork Reduction Act", jenem US-Gesetz, das das Ministerium dazu verpflichtet, die Kosten für die Umsetzung seiner Entscheidungen vorab einzuschätzen.
Das Heimatschutzministerium rechnet vor, dass allein die Einrichtung eines noch nicht bestehenden Systems zur Übermittlung von Passagierdaten [APIS Quick Query] die betroffenen Fluglinien 400 Mannstunden kosten würde.
Dazu kämen die Kosten für Umstellung und Wartung der Informationssysteme. Während der ersten drei Jahre beliefen sich diese für alle untersuchten Fluglinien gemeinsam auf etwa 129,2 Millionen US-Dollar. Die Airlines müssen dabei für Bandbreite und Schnittstellen aufkommen. Auch der laufende Betrieb wird den Carriern hohe Kosten verursachen.
Validierung der Boarding-Pässe
Außerdem hat der Heimatschutz vorgeschlagen, ein zusätzliches System zur Validierung der Boarding-Pässe einzuführen. Jeder als unbedenklich eingestufte Passagier soll auf seinen Boarding-Pass noch einen Code gedruckt bekommen, der zeigt, dass seine Daten im Rahmen von "Secure Flight" überprüft wurden. Auch die Kosten für diese Umstellung müssen mit eingerechnet werden, werden aber vom Ministerium nicht näher beziffert.
Mittelfristig erhofft sich das DHS allerdings wieder Einsparungen durch die Standardisierung der Datenformate und Schnittstellen für die Übergabe der Passagierinformationen von Flügen aus dem In- und Ausland an die DHS-Systeme. Auch die Fluglinien würden, bei perfekt laufenden Systemen, von einigen ihrer Überwachungspflichten befreit werden.
Vier Milliarden Dollar
Das Heimatschutzministerium hat ausgerechnet, dass "Secure Flight" die wichtigsten beteiligten Akteure in allen beteiligten Volkswirtschaften im Lauf der kommenden zehn Jahre je nach Szenario und Diskontsatz zwischen 2,5 und rund vier Milliarden US-Dollar kosten wird.
Bei einem Diskontsatz von sieben Prozent würden die Maßnahmen zur Umsetzung der "Secure Flight"-Regeln die Fluglinien zwischen 2008 und 2017 circa 476,7 Millionen, die Reisebüros bis zu 257,4 Millionen kosten. Die US-Regierung müsse bis zu 1,3 Milliarden Dollar zahlen.
Teure Zeit
Die schiere Zeit, die Individuen für die "Secure Flight"-Bestimmungen aufwenden müssten, sei im untersuchten Zeitraum bis zu 666,2 Millionen US-Dollar wert, rechnet das Ministerium vor. Diese Summe beziehe sich auf die zusätzliche Zeit, die Individuen bei der Reservierung für die Angabe zusätzlicher Daten verbrauchen würden.
Die Fluglinien seien dazu verpflichtet, die Reisebüros zur Erfassung der benötigten Passagierdaten hinzuzuziehen.
Betriebskosten über zehn Jahre
Die bei den Fluglinien anfallenden Kosten dafür, die Datenspeicher- und übertragungssysteme sowie die Kommunikation mit der TSA aufrechtzuerhalten, beziffert das DHS für die ersten zehn Jahre für die Gesamtheit der untersuchten Airlines mit einer Summe von 20,7 bis 67,8 Millionen US-Dollar jährlich - je nach Szenario. Bei jährlichen Kosten von 67,8 Millionen Dollar würden die Zahlen allerdings die Gesamtschätzung des Ministeriums sehr weit übertreffen. Das Dokument ist an dieser Stelle allerdings sehr ungenau, die Autoren verschweigen das Szenario, in dem gerechnet wird.
Auch die Kosten auf einzelne Fluglinien herunterzubrechen, erwies sich für das Heimatschutzministerium als schwierig. Es teilte die Fluglinien je nach Alter und Ausbaustufe ihrer Buchungssysteme in vier Kategorien ein und rechnete für einige anonymisierte kleinere Fluglinien aus, wieviel sie Umstellung und Betrieb ihrer Informationssysteme unter "Secure Flight" kosten würde.
Einzelfall und Hochrechnung
Eine dieser Fluglinien mit 914 Angestellten und einem Jahresumsatz von 204 Millionen US-Dollar hätte, so die DHS-Rechnung, für die Umprogrammierung ihrer Systeme einmalig 850.000 Dollar zu zahlen, die Kosten für den jährlichen Betrieb berechnete das Ministerium mit 23.000 US-Dollar.
Die Umprogrammierungskosten betragen bei den anderen untersuchten Kleinfluglinien etwa 425.000 Dollar. Diese Fluglinien befinden sich aber in Kategorien, in denen die Umstellungskosten vom Heimatschutz als hoch bezeichnet werden.
Trotzdem gibt es einen Bruch in der Darstellung der Kosten. Wenn die Umstellungskosten für alle 212 Fluglinien während der ersten drei Jahre 129,3 Millionen Dollar betragen sollen, dann ist entweder diese Schätzung zu niedrig oder die Einzelschätzung für die kleinen Fluglinien zu hoch angesetzt. Komplett fehlen in der Rechnung auch die Kosten, die durch Ausfälle des Systems verursacht werden. Erst am vergangenen Sonntag hat ein Ausfall eines Heimatschutz-Sicherheitssystems in Los Angeles über 6.000 Passagiere stundenlang am Boden festgehalten.
Keine "signifikanten" Auswirkungen
Trotz zahlreicher Ungenauigkeiten in der Darstellung seiner Rechnung, schließt das Ministerium, dass "Secure Flight" keine signifikanten Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung der betroffenen Unternehmen habe, die Aufwendungen überträfen nur in wenigen der untersuchten Fälle zwei Prozent des Gesamtumsatzes und damit die vom Staat gesetzte Schmerzgrenze. Allerdings ist sich das Ministerium in dieser Hinsicht nicht ganz sicher und ruft in dem Entwurf betroffene Unternehmen der Reisebranche zu Rückmeldungen über die Umstellungskosten auf.
Zum Vergleich: Die österreichische Fluglinie AUA hatte 2006 8.582 Angestellte und verbuchte einen Umsatz von 2,6 Milliarden Euro. Ein einfaches Hochrechnen der Kosten von den kleinen US-Carriern auf europäische Fluglinien ergäbe allerdings keinen Sinn, da beispielsweise die Umstellungskosten für Teilnehmer an größeren Buchungssystemen wie Amadeus andere sind als für Airlines, die eigene Buchungssysteme betreiben. Die AUA fällt, nach eigenen Aussagen, in letztere Kategorie.
(futurezone | Günter Hack)