Bild: 4816.nsew.at

Das GPS-Weichbild von Wien

14.08.2007

Das Projekt 4816 zeigt Wien als reichlich fremde Stadt. Seine Erfinder stellen die Messpunkte der Satelliten des Global Positioning System auf dem Wiener Stadtgebiet in Fotografien dar.

Nach gut einem Jahr Laufzeit ist das Projekt 4816 schon weit gediehen. Von den 185 vom Satellitennavigationssystem GPS registrierten geografischen Punkten auf dem Wiener Stadtgebiet sind bereits 159 dokumentiert.

Seinen Namen hat das Projekt von der geografischen Lage Wiens, nämlich 48° nördlich des Äquators und 16° östlich von Greenwich, dem Nullmeridian.

Das Längen- und Breitengradnetz, das jedem Punkt der Oberfläche unseres Planeten eine Koordinate zuweist, dient als Grundlage für dieses Projekt.

GPS und die Himmelsrichtung

In "4816" wird ein Bildkatalog von Orten an Schnittpunkten ganzer Minutenwerte von Länge und Breite innerhalb Wiens angelegt. Gefunden werden die Koordinaten mit Hilfe des globalen Satellitennavigationssystems GPS. Sie sind auf der Nord-Süd-Achse etwa 1,9 km, auf der Ost-West-Achse ca. 1,25 km voneinander entfernt.

Pro Minutenpunkt wird jeweils ein Foto in jede Himmelsrichtung sowie ein Foto des GPS-Displays angefertigt und diese dann in eine Online-Datenbank eingetragen.

Annäherung an das Weichbild

Das Spannendste daran, sagt die Initiatorin des Projekts, Evamaria Trischak, sei die Suche nach den Schnittpunkten im GPS-Gitter gewesen. Bis auf jene im Wasser wurden alle GPS-Punkte Wiens bereits lokalisiert.

Nummeriert sind sie nach den Minutenwerten, Punkt 1227 liegt daher auf 48° 12' Nord und 16° 27' Ost - irgendwo auf der Donauinsel, wo eben keine Strandbars sind.

Wer in der Projektdatenbank blättert, spürt die eigentümliche Faszination, die von einer solchen Art der "mechanischen" Annäherung an das Weichbild der guten alten Wienerstadt ausgeht.

Gokart-Bahn, Wildschweinrevier

So gut wie alle bekannten Orientierungspunkte, die so genannten Sehenswürdigkeiten, kommen schlichtweg nicht vor oder werden links liegengelassen.

Punkt 1324 liegt zum Beispiel zwar im Prater, aber eben nicht beim Riesenrad, sondern mitten auf einer Gokart-Bahn, ein anderer GPS-Schnittpunkt ist auf einem Fußballplatz in Wien-Erdberg.

Nummer 1215 wiederum ist in einem Bereich des Lainzer Tiergartens, der ansonsten mehr von Wildschweinen frequentiert wird.

Unerschlossene Teile Wiens

Die noch unerschlossenen Stellen des städtischen Weichbilds liegen nicht nur in der Donau oder ihren Nebenwassern.

An zahlreichen Punkten behindern dichter Baumbestand und enge Innenhöfe die genaue fotografische Verortung. Anderswo konnten die Besitzer des betreffenden Grundstücks noch nicht aufgefunden werden, um eine Fotografiergenehmigung zu erlangen.

Der Webserver des Projekts war am Dienstag von den zahlreichen Zugriffen etwas überfordert und dehalb langsam in der Reaktion.

Videodrohnen, dann Paris

Zur genauen Verortung der noch fehlenden GPS-Schnittpunkte wird von der Medienkünstlerin Evamaria Trischak nun der Einsatz von ferngesteuerten Videodrohnen angedacht.

Auf jeden Fall solle das GPS-Projekt international weitergeführt werden, besonders geeignet dafür sei etwa Paris.

Die französische Hauptstadt ist mit einer Gesamtfläche von 105 km² deutlich kleiner als Wien [415 km²] und deshalb in anderer Hinsicht interessant: Die Wahrscheinlichkeit, dass GPS-Schnittpunkte mit bekannten Orten zufällig zusammenfallen, ist weit höher.

Paris sei zudem von der kunsthistorischen Seite reizvoll, schreibt Trischak an ORF.at, da die Künstlergruppe der Situationisten im Paris der 1960er Jahre die Theorie des Umherschweifens entwickelt habe.

Der Betreiber des deutlich konventionelleren urbanen Vermessungsprojekts "Chicago Mile by Mile" - dokumentiert werden Straßenkreuzungen - zeigte sich angesichts von 4816 leicht entgeistert: Man erkenne Wien überhaupt nicht wieder, schrieb Neil Freeman an die GPS-Dokumentaristin aus Wien.

Bei der paraflows vom 13. bis 23. September 2007 im MAK-Gegenwartskunstdepot Gefechtsturm Arenbergpark zu Wien wird das Projekt 4816 vertreten sein.

(futurezone | Erich Moechel)