Robo-Humanismus von Microsoft

24.08.2007

Tandy Trower, Chef der Robotikabteilung von Microsoft, sieht den Zeitpunkt gekommen, an dem komplexe Mehrzweckroboter auch im Alltag immer mehr Aufgaben übernehmen sollen. Einsatzgebiete sieht Trower im Bereich medizinischer Dienstleistungen und der Altenpflege.

Geht es nach Trower, derzeit Gast des Forums Alpbach, steht der Durchbruch fortgeschrittener Robotertechnologien im Alltag kurz bevor. Mögliche Einsatzgebiete reichen von Altenpflege über Bildung bis zu alltäglichem Kommunikationswerkzeug.

"Es hängt nur von der Definition dessen ab, was ein Roboter sein soll. In einem klassischen industriellen Sinne von Robotern, die Material herumtragen oder Schwerarbeit verrichten, gibt es sie noch nicht für jedermann. Sicherlich gibt es auch noch nicht jene Roboter, die wir in Hollywood-Filmen sehen", so Trower. Allerdings sei eine "frühe, primitive Generation" schon im Alltag der Industriestaaten präsent, und zwar jene Maschinen, die ein Sensorsystem haben, das über Feedback ihre Funktionen beeinflusst.

Robo-Medizin statt Hausbesuchs

Eine wichtige Aufgabe, die Roboter in Zukunft erfüllen könnten, wäre die Telepräsenz von Personen - die stellvertretende Anwesenheit aus der Ferne, etwa im Bereich Medizin: Im Johns-Hopkins-Spital in Baltimore würden die Ärzte bereits Roboter mit Kamera und Bedienpanel einsetzen, die ihnen teilweise die Visiten abnehmen.

Eine Zeitmanagement-Frage, schildert Trower: "Wenn die Ärzte nicht zu ihren Patienten kommen können, sitzen sie vor einer Workstation und einer Fernsteuerung. Die Roboter haben eine Kamera, ein Mikrofon und einen Bildschirm. So können die Patienten den Arzt sehen und der Arzt den Patienten."

Bots in der Altenpflege

Auch die Altenpflege könnte mit Hilfe von Robotern revolutioniert und - geht es nach Trower - humaner werden: Er bringt das Beispiel seines 80-jährigen Schwiegervaters, der nach dem Tod seiner Frau allein lebt, für dessen Betreuung keines der bestehenden Modelle passt: "Entweder einer von der Familie sieht nach ihm, wir beschäftigen jemand Dritten oder wir stecken ihn in ein Altersheim. Er würde das nicht wollen und wir eigentlich auch nicht. Darüber hinaus ist es teuer."

Variante vier könnte in Zukunft so aussehen: "Wenn er einen Roboter mit einer Kamera zu Hause hat und uns die Erlaubnis gibt, nach ihm zu sehen, könnten wir via PC oder Mobiltelefon nachschauen, wie es ihm geht - auch ohne ihn zu stören." Zudem könne ihn der mechanische Helfer auch erinnern, Medikamente zu nehmen, und Schlaganfallpatienten beim Training helfen.

Vorbild uBot-5

Die Zukunft stehe schon in den Labors bereit, versichert Trower: "Wir haben vor kurzem den uBot-5 von der University of Massachussetts in Amherst gesehen, der ähnlich wie ein Segway auf zwei Rädern balancieren kann und zwei unabhängig voneinander bewegliche Arme hat."

Für Trower wäre das die erste Generation von Robotern, die Aufgaben in einem normalen Umfeld ausführen kann: "Er könnte etwa das Geschirr waschen oder die Wäsche bügeln." Schon sehr bald dürften die Systeme ausgereift sein, glaubt er: "Diese Generation könnte es in den nächsten fünf Jahren schon geben."

Schmuse-Bots

Ein anderes Szenario ist der "Huggable", ein Teddybär mit sehr ausgefeiltem Sensorensystem, das reagiert, wenn man ihn berührt. Trowers Vision: "Die Großmutter könnte den Bären drücken und damit ihrem Enkel eine Umarmung geben, auch wenn er sich am anderen Ende des Landes befindet."

Auch das Open-Source-Projekt "Playground" befasst sich mit der Entwicklung von Telepräsenz-Kuschelrobotern.

Microsoft-Standards für die Robotik

Dass sich Microsoft in Sachen Roboter engagiert, begründet Trower so: "Wir wurden von der Community darum gebeten." Heute stelle sich ein ähnliches Problem wie in den Anfängen der PC-Industrie: Die Hard- und Software der verschiedenen Projekte passe nicht zusammen, und es sei schwierig, die Programmierarbeit von einem Roboter auf einen anderen zu bringen.

Das soll sich unter anderem mit einem Entwicklerset ändern, das der Software-Konzern aus Redmond seit einem halben Jahr zum Download anbietet. Um den Markt anzuschieben, ist es für Hobbybastler gratis, für Firmen für einen geringen Betrag erhältlich.

Trower vergleicht die Bedeutung seines Software-Pakets mit jener der Programmiersprache Basic, die einen Spezialistenbereich für ein breiteres Publikum öffnete. Laut Trower, der bereits 26 Jahre bei Microsoft arbeitet, wurde das Programm bereits 120.000-mal heruntergeladen.

(APA)