"Goldenes Zeitalter" für Tauschbörsen

01.10.2007

Das Ausforschen von Tauschbörsennutzern, die urheberrechtlich geschützte Files zum Download anbieten, könnte sich für die Musik- und Filmwirtschaft ab Anfang nächsten Jahres schwierig gestalten.

Dann nämlich tritt eine Reform der Strafprozessordnung in Kraft, die bei Privatanklagedelikten keine Vorerhebungen mehr vorsieht.

Rechteinhaber können dann nicht mehr auf die Hilfe des Gerichts hoffen, wenn sie von Internet-Anbietern auf Basis von IP-Adressen die Identität von Tauschbörsennutzern ausfindig machen wollen, die sich mutmaßlich eines Urheberrechtsvergehens schuldig gemacht haben.

"Bisher musste Strafverfahren gegen unbekannte Täter eingeleitet werden. In diesem Vorverfahren wurde vom Untersuchungsrichter die Anfrage an den Provider gemacht. Das gibt es dann nicht mehr", sagte der Salzburger Richter Franz Schmidbauer gegenüber ORF.at.

Auf seiner Website Internet4Jurists erläutert Schmidbauer die bevorstehenden Änderungen zur Auskunftspflicht.

VAP setzt auf Zivilrecht

Andreas Manak vom Verein für Antipiraterie [VAP] meinte auf Anfrage, dass die Rechtsverfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet durch das Inkrafttreten der Strafprozessreform ab nächstem Jahr erschwert werde.

Künftig, so Manak, werde man eben versuchen, über den zivilrechtlichen Weg zu den Daten zu kommen.

Urheberrechtsgesetz legt zivilrechtlichen Auskunftsanspruch fest

Während Auskünfte über die Verkehrsdaten von Personen wie in der Strafprozessordnung [§ 149a] vorgesehen nur nach richterlichem Beschluss erteilt werden können, verpflichtet das Urheberrechtsgesetz [§ 87b] "Vermittler" dazu, Rechteinhabern, deren Urheberrechte verletzt wurden, auf zivilrechtlichem Weg Auskunft über die Identität der "Verletzer" zu geben.

Dabei müssen Provider den Rechteinhabern Auskünfte über die Stammdaten [wer zu einem bestimmten Zeitpunkt Inhaber einer IP-Adresse war] erteilen. Vorraussetzung dafür ist jedoch, dass die Daten verfügbar sind.

Zivilrechtlicher Auskunftsanspruch wackelt

Aber auch der zivilrechtliche Auskunftsanspruch wackelt. Denn vor kurzem hat die EU-Generalanwältin Juliane Kokott in einer Empfehlung zu einem Verfahren in Spanien festgestellt, dass Internet-Anbieter nur in strafrechtlichen Fragen Auskunft über persönliche Daten ihrer Kunden geben dürfen.

Der Europäische Gerichtshof folge solchen Empfehlungen für gewöhnlich, meinte Schmidbauer. Damit wäre der seit einigen Jahren im Urheberrechtsgesetz [§ 87b] festgelegte zivilrechtliche Auskunftsanspruch richtlinienwidrig und müsste angepasst werden.

Manak rät dazu, die tatsächlichen Folgen der Empfehlung abzuwarten: "Wir wissen, dass die Vorschläge der Generalanwälte zu einem hohen Prozentsatz umgesetzt werden, aber das ist keineswegs zwingend."

Die EU-Generalanwältin traf diese Einschätzung im Rahmen eines Verfahrens des spanischen Verbands Promusicae gegen Telefonica. Promusicae wollte von Telefonica Daten jener Kunden mit dynamischer IP, die im Telefonica-Netz KaZaA nutzten, um damit vermeintlich illegalen Aktivitäten auf die Spur zu kommen.

Vorratsdatenspeicherung bringt keine Lösung

Auch die geplante Vorratsdatenspeicherung dürfte für Rechteinhaber kaum Verbesserungen bringen, so Schmidbauer.

Der Gesetzesentwurf zur EU-Richtlinie wird gerade überarbeitet. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass die Zugriffsschwelle so weit herabgesetzt wird, dass auch bei Urheberrechtsverletzungen im privaten Rahmen Auskunft gegeben werden muss.

Im Entwurf ist davon die Rede, dass eine Auskunftserteilung nur bei Handlungen vorgesehen ist, die "mit beträchtlicher Strafe bedroht" sind. Damit sind nach geltender Rechtsauslegung Strafen von mehr als einem Jahr gemeint.

Die im Urheberrechtsgesetz für Urheberrechtsverletzungen im geringfügigen Umfang vorgesehenen Strafen liegen mit derzeit bis zu sechs Monaten jedoch weit darunter.

In einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf monierte der Verband der österreichischen Musikwirtschaft [IFPI] daher auch, dass im vorliegenden Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung die Verwendung der Daten in Österreich auf die von der EU ausdrücklich vorgesehenen Zwecke beschränkt werde: "Der österreichische Gesetzgeber verknüpft in der zentralen Bestimmung des § 102a Abs 1 offenbar Speicherpflicht und Auskunftsleistung und limitiert dabei die Auskunftsleistung rigoros auf Fälle schwerer Straftaten."

Anhebung des Strafrahmens

"Die Beauskunftung könnte nur dann erfolgen, wenn nicht nur die Urheberrechtsdelikte von Privatanklagedelikten zu Offizialdelikten gemacht würden, sondern auch noch der Strafrahmen angehoben würde", sagte Schmidbauer.

"Wenn der Gesetzgeber die Verfolgung von anonymen Urheberrechtsverletzern für erforderlich hält, wäre ein möglicher Ausweg, dass man für Urheberrechtsverletzungen in großem Umfang auch ohne Gewerbsmäßigkeit einen höheren Strafrahmen vorsieht", meinte der Richter.

Dem Vernehmen nach antichambrieren Vertreter der Musikindustrie in der Sache bereits im Justizministerium. Eine ORF.at-Anfrage dazu im Ministerium läuft.

Provider derzeit im Rechtsdilemma

Einem Urteil des Obersten Gerichtshofs folgend sind Österreichs Internet-Anbieter dazu verpflichtet, die fortlaufend vergebenen IP-Adressen ihrer ADSL-Kunden zu speichern und im Rahmen der Auskunftsplicht Rechteinhabern "formlos bekanntzugeben". Laut derzeit gültigem Telekomgesetz müssen die Verkehrsdaten jedoch gelöscht werden, wenn sie nicht für die Verrechnung gebraucht werden.

(futurezone | Patrick Dax)