"Kreditkartennummern in Musik-Files"

25.09.2007

Online-Musikpionier Michael Robertson muss seinen Webshop AnywhereCD, der CDs im Doppelpack mit MP3-Downloads anbietet, schließen. Nun rechnet er mit den großen Musikkonzernen ab.

Die Idee war gut, die Welt war noch nicht bereit. Über seinen Webshop AnywhereCD wollte Robertson die Unmittelbarkeit von Musik-Downloads mit der Vertrautheit und Dauerhaftigkeit von CDs verbinden. Für durchschnittlich rund 15 Dollar bot er CDs und Downloads [MP3-Format, 192 KBit/s] im Doppelpack an.

Nach einem Rechtsstreit mit dem Musikkonzern Warner Music macht sein im April gestarteter Online-Musikshop Ende September dicht.

In seinem Weblog erklärt der Online-Musikpionier, der Ende der 1990er Jahre mit MP3.com die Musikindustrie aufschreckte, das Scheitern seiner Geschäftsidee und zeichnet dabei auch ein Sittenbild der Musikwirtschaft im Zeitalter digitaler Downloads.

Robertson gründete bereits 1998 den Online-Musikdienst MP3.com, der unabhängigen Musikern ein Forum bieten wollte. Bald fanden sich jedoch auch zahlreiche nicht lizenzierte Tracks im Angebot von MP3.com. Nutzer des Service konnten ihre Musik im Netz speichern und untereinander tauschen.

Nach einem erfolgreichen Börsengang im Jahr 1999, der mehr als 300 Millionen Dollar in die Kassen des Unternehmens spülte, wurde das Online-Musikangebot von einer Klagewelle überrollt und im Jahr 2001 an Vivendi Universal verkauft.

Im Herbst 2005 startete Robertson Oboe [später MP3tunes], mit dem er die Idee des Online-Musikspeichers wiederbeleben wollte.

"Internet-freundliche CDs"

Angesichts rasant fallender CD-Verkäufe nahm Robertson an, dass ein Shop wie AnywhereCD bei den Musikkonzernen auf offene Ohren stoßen würde.

Durch die Koppelung an Downloads wollte er den CD-Kauf attraktiver machen: Kaufe man im Netz eine CD, so könne man sie nicht unmittelbar anhören, sondern müsse auf die Lieferung der Plastikscheibe warten. Könne man jedoch die Songs nach dem Kauf herunterladen, sei dieses Problem gelöst. "Ich wollte die CD neu erfinden, indem ich sie Internet-freundlich mache", so Robertson.

Den Labels bot er die Zahlung des Großhandelspreises für die CD an. Für die digitalen Tracks stellte er den Musikfirmen zwei Dollar zusätzlich in Aussicht.

Die Musik-CD feierte Mitte August ihren 25. Geburtstag. Hersteller und Musikbranche sind für die Zukunft des erfolgreichsten Tonträgers der Musikgeschichte optimistisch. Die Ära der Musik-CD neigt sich im Zeitalter von MP3 und digitalen Musik-Playern jedoch dem Ende zu.

Schwierige Verhandlungen

Die Verhandlungen mit Musikkonzernen gestalteten sich jedoch schwierig. Vertreter der großen Labels standen der Idee zwar aufgeschlossen gegenüber, begannen jedoch bald, unerfüllbare Forderungen zu stellen, so Robertson.

"Wahnsinnige" Idee

So wurden von einem Label Vorauszahlungen in Millionenhöhe gefordert. Ein Vertreter eines Musikkonzerns verlangte sogar, dass die Kreditkartennummern der Käufer in die Musikfiles eingebettet werden sollen. Eine, wie Robertson meint, "wahnsinnige" Idee, deren Umsetzung gegen zahlreiche Gesetze verstoßen hätte.

Im iTunes Store wird zwar nicht die Kreditkartennummer, jedoch Name und E-Mail des Käufers in Files eingebettet, die ohne Kopierschutzbeschränkungen verkauft werden. Dadurch soll der Tausch von Songs in Filesharing-Netzwerken unterbunden werden.

Rechtsstreit mit Warner Music

AnywhereCD ging schließlich im April an den Start. Von den großen Labels war nur die Warner Music Group mit an Bord.

Das Label stieß sich jedoch bald am Verkauf seiner Musik ohne Kopierschutzbeschränkungen und kündigte den Vertrag mit Robertson auf.

Abverkauf

Ende September wird AnywhereCD geschlossen. Bis dahin können US-Kunden CD und Downloads zum Abverkaufspreis von sieben Dollar pro Album erstehen.

Das Scheitern seiner Geschäftsidee führt Robertson auf die mangelnde Unterstützung der Musikindustrie, aber auch auf das fehlende Medienecho zurück.

Trotz hoher Verluste glaubt Robertson, dass er mit seinem Online-Musikdienst auch dazu beigetragen hat, dass auch die ersten großen Labels nun ihre Musik ohne Kopierschutzbeschränkungen im Netz verkaufen.

Neben dem britischen Major EMI bietet seit kurzem auch der Musikkonzern Universal Music Songs ohne Beschränkungen durch Digital-Rights-Management-Systeme [DRM] im Online-Musikhandel an. Warner Music und Sony BMG halten nach wie vor am Kopierschutz fest.