Der Datenschutz geht endlich baden
In Ocean City, USA, entsteht derzeit der erste voll vernetzte Strand der Welt. Mit Hilfe von RFID-Chips und anderer moderner Kontrollelektronik überwachen Strandwächter die Badegäste und urlaubende Eltern ihre Kinder.
Drei Millionen Dollar kostet das Projekt, das in der nächsten Badesaison in Ocean City, auf dem begehrtesten Strand im Süden von New Jersey, verwirklicht werden soll.
Die Badegäste tragen Armbänder, die mit RFID-Chips ausgestattet sind. RFID ist die Abkürzung für Radio Frequency Identification. Diese Chips verfügen über eine Antenne und können die auf ihnen gespeicherten Informationen drahtlos an Lesegeräte übertragen, die sie auf ihrer Frequenz ansprechen.
Kinder an der Leine
Auf dem Strand in New Jersey dienen sie unter anderem dazu, dass die Einkäufe beim Kioskbesuch automatisch vom Konto abgebucht werden. Eltern erhalten die Möglichkeit, ihre Kinder virtuell an ihr RFID-Armband zu ketten, um zu verhindern, dass die ungestümen Kleinen das Gelände unbemerkt verlassen.
Sollten sie es doch versuchen, schlagen die an den Ausgängen des Geländes montierten digitalen Aufpasser automatisch Alarm und benachrichtigen die Eltern und das Sicherheitspersonal per SMS.
Intelligenz im Eimer
Auch die Mülleimer sind mit solarstromgespeisten Sensoren ausgerüstet. Sie melden dem Reinigungspersonal, dass sie ausgeleert gehören. Andere Mitarbeiter suchen in der Zwischenzeit den Strand mit kleinen Handhelds ab, um diejenigen Gäste ausfindig zu machen, die noch nicht bezahlt haben.
14 Millionen Dollar Mehreinnahmen in den nächsten fünf Jahren, so schreibt die Lokalpresse, soll das der Umgebung bescheren. Worauf sich diese Annahme stützt, bleibt jedoch unklar, denn der Preis für die Eintrittskarte soll zumindest im nächsten Jahr nicht erhöht werden.
Technisch gesehen ist dieses Projekt durchaus ambitioniert. Für die Überwachungsmaßnahme setzen die Betreiber nicht nur auf RFID-Systeme allein.
WLAN und Sensoren
Diese ergänzen die Strandplaner mit WLAN-Geräten zur kabellosen Übertragung der Daten an weiter entfernte Empfangsgeräte. Und man benötigt eine ganze Reihe an elektronischen Sensoren.
Nur im Wasser und im Fall eines in Seenot geratenen Badegastes wird das alles wenig helfen. Im Wasser gibt es keine Sensoren, und gefunkt wird dort auch nicht.
Heute in "matrix"
Alles über RFID-Chips und ein Bericht von der Verleihung der Big Brother Awards Österreich 2007: Sonntag, 22.30 Uhr, Radio Ö1.
Ob die Bewohner von New Jersey gerne auf dem Strand ein solches Armband tragen möchten, bleibt abzuwarten. In Japan ist man da einen Schritt weiter. Dort setzte man sich bereits mit den Konsumenten auseinander. Zumindest gab es schon eine Befragung, was die sich eigentlich vom Einsatz von RFID erwarten.
Als Ergebnis dieser Erhebung wurden 2006 von der Regierung Wohn- und Bürohäuser mit RFID-Tags ausgestattet: zur Funktionsüberprüfung von Sprinkleranlagen. Hausfrauen und Hausverwaltungen, so Ryo Imura von Hitachi LTD, hätten gesagt: Bitte macht das. Wenig halten die Japaner - nicht gerade ein Volk, dem man Technikfeindlichkeit vorwerfen könnte - von der Idee, RFID-Tags in Kleidungsstücken anzubringen.
Eine ganz andere Meinung vertritt dazu die deutsche Industrie: Für Andrea Huber vom deutschen Informationsforum RFID hat diese Vision durchaus ihre Reize.
Huber: "Ich denke, es ist eine interessante Technologie, wenn sie sich Allergiker oder die Garantie angucken; und das ist letztlich die Wahlfreiheit jedes Einzelnen, ob er diese Tags aktiv behalten möchte oder nicht."
RFID und Kundenkarten
Bei einem integrierten Chip im Kleidungsstück würde die "Wahlfreiheit" im Wesentlichen darin bestehen, dass man entweder den RFID-Tag akzeptiert oder sich ein Loch in die Jacke schneidet.
Bedenken gegenüber RFID-Tags tauchen überall dort auf, wo sie geschlossene Kreisläufe verlassen und von den Konsumenten auf die Straße getragen werden. In der Logistik und bei der Lagerverwaltung ist ihr Einsatz durchaus sinnvoll.
Dort heißt das Verkaufsargument nicht "freie Wahl", sondern Effizienz und Sparsamkeit. Konsumentenschützer warnen jedoch vor der Möglichkeit der Datenverknüpfung, wenn derartige Produkte mit der Kreditkarte oder Kundenkarte bezahlt werden.
Lock-in-Fantasien
Warnungen gibt es aber auch davor, dass durch RFID der Kauf einer Waschmaschine mit dem Gebrauch eines bestimmten Waschmittels verbunden werden könnte; dass ein Drucker nur noch mit bestimmten Tintenpatronen nachgefüllt werden kann; und dass technische Lösungen, wie sie bereits für die CD und DVD bestehen, auf andere Konsumgüter ausgedehnt werden. Schon heute wird mit Hilfe von digitalem Rechtemanagement dem Konsumenten vorgeschrieben, auf welchem Gerät er seine DVD abspielen kann.
Die Industrie in Europa will keine neuen Datenschutzgesetze, sondern setzt auf freiwillige Selbstkontrolle. Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen, so eine Studie des RFID-Informationsforums, reichen aus, um vor Missbrauch zu schützen, genauso wie die strafrechtlichen Bestimmungen. Hingewiesen wird zum Beispiel auf den Paragrafen 274 Abs. 1 Nr. 2 des deutschen Strafgesetzbuches, der das Löschen, Unterdrücken und Unbrauchbarmachen von Daten unter Strafe stellt.
Zu den hartnäckigen Kritikern der RFID-Lobby gehört die deutsche Bürgerrechtsorganisation FoeBuD, die eine Kampagne gegen allzu forsche Datensammler-Businesspläne führt.
(matrix | Mariann Unterluggauer)