Google entwickelt Wikipedia-Konkurrenten
Google entwickelt eine neue Plattform namens "knol", die es Experten ermöglichen soll, persönlich signierte Einstiegsartikel zu Wissensgebieten zu verfassen. Damit tritt Google in direkte Konkurrenz zu Projekten wie Wikipedia und Citizendium.
Der standardisierte Weg des Informationssuchenden im frühen 21. Jahrhundert ist schnell beschrieben. Der Wissensdurstige gibt ein Stichwort in das Suchfeld seines Browsers ein und landet via Google bei der Wikipedia.
Den letzten Schritt möchte Google offenbar ins eigene Universum umleiten. Darauf weist ein Eintrag im offiziellen Google-Blog hin, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Unter der Überschrift "Menschen dazu ermutigen, ihr Wissen beizutragen" beschreibt Udi Manber, Googles Vizechef der Engineering-Abteilung, eine neue Plattform namens "knol" - abgeleitet von "Knowledge", also "Wissen" -, die sich derzeit noch im geschlossenen Teststadium befindet. Nur eingeladene Personen haben Zutritt zum System. Wann es live gehen soll, verrät Manber in seinem Posting nicht.
Kampfansage an Wikipedia
"Larry, Sergey und Eric haben uns dazu aufgefordert, eine Möglichkeit dafür zu finden, wie Menschen ihr Wissen mitteilen können", schreibt Manber. Die zentrale Idee von "knol" sei, den Fokus auf die Autoren der Artikel zu legen. "Bücher tragen die Namen ihrer Autoren auf dem Cover, Zeitungsartikel sind auch signiert, bei wissenschaftlichen Artikeln sind die Autoren ausgewiesen", schreibt Manber, "aber irgendwie hat sich das Web ohne einen starken Standard dafür entwickelt, die Namen der Autoren auszuweisen. Wir glauben, dass es den Nutzern helfen wird, vorhandenes Wissen besser auszunutzen, wenn sie wissen, von wem es verfasst wurde."
Ähnlich argumentiert auch Larry Sanger, der mit Jimmy Wales die Wikipedia gegründet hatte, sich mit Wales dann überwarf und das Expertenportal "Citizendium" startete, das aber längst nicht die Popularität der Wikipedia erlangen konnte.
Neo-Wiki mit Credits
Im Grunde sei ein "knol" nichts weiter als eine Website. Das System stelle lediglich die Schreibwerkzeuge und das Hosting zur Verfügung. "Autoren brauchen nur zu schreiben. Wir erledigen den Rest", so Manber.
Getreu seiner alten Maxime werde Google aber nicht als Verleger oder Redakteur auftreten. Alle Verantwortung für die Inhalte werde bei den Autoren bleiben. "Ein knol soll der erste Artikel sein, den jemand am Anfang einer Recherche zu einem bestimmten Thema liest", schreibt Manber. Google werde dafür sorgen, dass die "knols" bei den Suchresultaten "angemessen" aufscheinen, wolle aber keinen "abgeschlossenen Garten" für die Inhalte schaffen. Auch andere Suchmaschinen dürften die "knols" in ihren Index aufnehmen.
Gewinnbeteiligung für Autoren
Das "knol"-System soll auch die üblichen Möglichkeiten für Leserkommentare und Nutzerbeurteilungen mitbringen. Es sei auch möglich, so Manber, mehrere "knols" zum gleichen Thema anzulegen. Ein Autor könne sich auch dafür entscheiden, Google Ads auf seinem "knol" anzeigen zu lassen; Google werde dann den Autor "substanziell" an den darüber erzielten Einkünften beteiligen.
Vor gut einem Jahr hatte Google unter viel Häme aus der Web-Szene sein vollkommen erfolgloses Frage-Antwort-Portal Google Answers schließen müssen. Jetzt sieht es ganz danach aus, als ob der Konzern es in Sachen Wissen wirklich wissen wolle.
(futurezone | Günter Hack)