Die Wut auf Google
"Ihr spinnt wohl alle" und "Vertrauen der Kunden verspielt" schreiben erboste Benutzer in den Google-Foren. Eine neue Web-2.0-Funktion zeigt allen Gmail-Kontakten automatisch an, welche Nachrichten der betreffende Benutzer abonniert hat.
"Wir lieben Feedback" ist zwar das Motto im offiziellen Entwickler-Blog des Google Reader, ob das allerdings immer noch stimmt, darf bezweifelt werden.
Die negativen Reaktionen auf das am 14. Dezember veröffentlichte neueste "Feature" sind über die Feiertage nicht zurückgegangen, im Gegenteil. Offensichtlich hat ein Gutteil der Kunden erst zu Weihnachten bemerkt, was die Weiterentwicklung des Google Reader tatsächlich bewirkt.
Google Talk, RSS-Nachrichten
Dieses bis dahin sehr beliebte Tool zum Einlesen von RSS-Feeds wurde mit einer neuen Funktion ausgestattet, die es einfacher machen sollte, die gesammelten Nachrichten auch anderen Benutzern zugänglich zu machen.
Die Chat-Funktion Google Talk wurde mit dem Reader so kombiniert, dass der individuell zusammengestellte Nachrichtenmix auch für die "Freunde" aus dem Chat-Programm sichtbar wird.
Die Gmail-"Freunde"
Da Google Talk wiederum mit Googles Webmail-Programm Gmail liiert ist, führt die neue Funktion dazu, dass alle im Gmail-Adressbuch gelisteten Adressen als Freunde klassifiziert werden.
Das Resultat: Wenn ein Benutzer die neue Funktion aktiviert, dann wird seine Nachrichtenzusammenstellung bei all jenen Google-Benutzern automatisch eingeblendet, die sich im eigenen Adressbuch befinden und ebenso umgekehrt.
Die Folgen
So kommen etwa Personen, mit denen man ein, zwei E-Mails via Gmail gewechselt hat, automatisch in den Genuss von Nachrichten, die überhaupt nicht für sie bestimmt sind.
Zu allem Überfluss wird auch noch angezeigt, welcher Google-Benutzer diesen Mix zusammengestellt hat. Die Folgen davon sind leicht ausmalbar, wenn etwa Familienmitglieder plötzlich zu sehen bekommen, dass der Herr Vater neuerdings Nachrichten-Feeds von Kontaktbörsen für Swinger abonniert hat.
"Vertrauen eurer Kunden verspielt"
"Hättet ihr uns entscheiden lassen, wem wir was zugänglich machen wollen, wäre das Ganze eine gute Idee gewesen. Aber indem einfach Türen aufgemacht wurden, von denen wir dachten, wir hätten sie versperrt und jedermann sehen kann, was wir lesen, habt ihr eine Menge Vertrauen eurer Kunden verspielt", schreibt ein Benutzer am 25. Dezember.
"... einem Idioten eingefallen"
Viele andere drücken sich noch deutlicher aus: "Ich habe vertrauliche Informationen ausgewählten Leuten zukommen lassen und jetzt erzählt ihr, dass jeder in meiner Kontaktliste sehen kann, was ich da übermittelt habe. Das kann nur einem Idioten eingefallen und von einem Narren erlaubt worden sein. Wenn ich an einem dämlichen sozialen Netzwerk teilnehmen wollte, wäre ich bei MySpace ... Ihr spinnt wohl alle."
Die Gmail-Analysen
Das wohl Bemerkenswerteste an diesen fast durchwegs negativen Echos ist, dass es sich dabei um Benutzer handelt, die bis jetzt nichts dabei gefunden haben, dass Googles Maschinen jede einzelne E-Mail analysieren und auswerten, um dazu passende Werbung zu schalten.
Davor hatte bereits das soziale Netzwerk Facebook erfahren, wie die Kunden reagieren, wenn sogenannte Web-2.0-Features überfallsartig eingeführt werden.
Facebook und studiVZ
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg musst sich kurz nach dessen Einführung für das Werbeprogramm "Beacon" öffentlich entschuldigen. Seitdem bietet Facebook eine Abmeldefunktion.
Auch das deutsche Online-Netzwerk studiVZ hat mit der Einführung von neuen Funktionen heftige Proteste der Benutzer ausgelöst.
(futurezone | Erich Moechel)