Datenschützer kritisieren Versicherungen
Die geheimen Risikolisten der deutschen Versicherer über Millionen Kunden stoßen bei Deutschlands Datenschützern auf Kritik.
Die Aufsichtsbehörden seien sich einig, dass das Verfahren nicht datenschutzkonform sei, sagte am Donnerstag der Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Thilo Weichert. Es gebe bereits seit einiger Zeit Gespräche über notwendige Änderungen. "Ich gehe davon aus, dass das bisher unzulässige System 2008 auf legalere Beine gestellt wird", sagte Weichert.
9,5 Millionen Datensätze gespeichert
Die deutsche Versicherungswirtschaft betreibt bereits seit 1993 ein gemeinsames Hinweis- und Informationssystem [HIS]. Es dient nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft "insbesondere zur Aufdeckung und Prävention von Versicherungsbetrug und -missbrauch". Das System speichert mittlerweile rund 9,5 Millionen Datensätze über Versicherungskunden und Schadensfälle.
Diese Daten, auf die praktisch alle deutschen Versicherer Zugriff haben, können bei Versicherungsanträgen zu Risikozuschlägen oder im Extremfall zur Ablehnung des Kunden führen. Bei Schadensregulierungen können die Daten nach Branchenangaben dazu führen, dass geltend gemachte Schäden nicht oder nicht im vollen Umfang reguliert werden.
Mangelnde Transparenz
Datenschützer kritisieren nicht zuletzt die mangelnde Transparenz des System. Der Versicherte erfährt bisher meist nichts davon, wenn Informationen über ihn Eingang in die Risikoliste finden, oder Daten von ihm dort abgefragt werden. Die Daten werden nach Angaben der deutschen Versicherungswirtschaft fünf Jahre lang gespeichert und dann automatisch gelöscht.
Die Weitergabe der Daten an Versicherer stelle eine unzulässige Datenübermittlung dar. Es sei für die Betroffenen weder erkennbar unter welchen Bedingungen eine Eintragung in die Datenbank erfolge, noch werde ausreichend dokumentiert, dass bei den Anfragen auch ein berechtigtes Interesse vorliege. Vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft liegt dazu keine Stellungnahme vor.
"Wir werden heute in fast allen Bereichen unseres Lebens identifiziert und sortiert", sagte der Soziologe David Lyon, der bei der diesjährigen Ars Electronica zu Gast war, im Gespräch mit ORF.at: Systeme der Identifiikation und sozialen Klassifikation gehören heute zum Alltag. Sie bestimmen nicht nur die Qualität des Services, das Unternehmen ihren Kunden zukommen lassen, sondern haben auch Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Chancen und Möglichkeiten des Einzelnen.
(futurezone | APA | AP)