Störsender gegen Information
Mit Gerät aus dem Kalten Krieg werden Radioprogramme der Deutschen Welle [DW] in Äthiopien gestört. Chinesische Zensoren blockieren Websites von BBC und anderen, den Satellitenhimmel kontrolliert der Staat. Russland drängt die Voice of America aus dem Äther.
Der Kalte Krieg
Es ist wie einst im Kalten Krieg. Ein paar Minuten vor der vollen Stunde, wenn das Kurzwellenprogramm der Voice of America [VOA] oder der BBC auf Russisch, Litauisch und vielen anderen Sprachen sendete, fuhren im Zielgebiet die "Jammer" hoch.
Diese Störsender deckten die von der VOA und anderen Auslandssendern verwendeten Frequenzen mit Störsignalen zu, um den Empfang bestimmter Sendungen in der Sowjetunion zu verhindern.
Der Bürgerkrieg
Seit einigen Monaten spielt sich dasselbe in einer anderen Weltengegend zeitversetzt ab. Kurz bevor die Sendesprache des Relaissenders Kigali in Ruanda um 14 Uhr GMT auf Amharisch - die Lingua franca Äthiopiens - wechselt, sind die Sendefrequenzen 11.645 and 15.640 kHz bereits zugemüllt.
Die Störsender betreibt die äthiopische Regierung, die damit verhindern will, dass die Berichte der Deutschen Welle, die seit Jahrezehnten in Ruanda ein Kurzwellensendezentrum unterhält, im Land gehört werden. Die Deutschen berichten täglich über den in den südlichen Teilen Äthiopiens tobenden Bürgerkrieg.
"Jamming eklatant"
"Jamming ist für uns in den letzten Monaten in Äthiopien ein eklatantes Problem geworden" bestätigt Adelheid Feilcke-Tielmann, die Leiterin der Abteilung für internationale Angelegenheiten beim öffentlich-rechtlichen Auslandssender der Bundesrepublik. Kurzwellen-Broadcasting sei sei nun einmal in Afrika das Medium mit der höchsten Verbreitung.
Über das Kigali-Relais versorgt die DW Afrika und Teile Asiens mit Radioprogrammen in den Landessprachen. Neben der DW werden auch die auf Äthiopien zielenden Sendungen der VOA gestört. Ironischerweise geschieht das mit Gerät, das aus der Zeit des Kalten Krieges stammt.
100.000 Watt aufwärts
Die tonnenschweren Ungetüme mit einer Sendeleistung von 100.000 Watt aufwärts, die über weithin sichtbare Masten- und Drahtkombinationen abstrahlen, waren seinerzeit aus der Sowjetunion und China an das damals befreundete, weil als "marxistisch" definierte Äthiopien geliefert worden.
Gerät, das während des Kalten Kriegs kommunistische Revolutionen quer durch Afrika anfachen sollte, dient heute dem Regime in Addis Abeba dazu, das Eindringen von unzensurierten Nachrichten in das Bürgerkriegsgebiet zu verhindern.
Viermal 250.000 Watt
Die Deutsche Welle hält mit insgesamt viermal 250.000 Watt und weiteren Frequenzen aus Kigali dagegen. Dazu unterhält man - wie auch für alle anderen Sendesprachen - eine Website auf Amharisch, die auch Podcasts der Sendungen bietet.
Die guten alten Kurzwellen-Auslandsdienste der großen öffentlich-rechtlichen Broadcaster stehen seit den 80ern längst im Schatten der Sendungen via Satellit.
Geblockt in China
Dass bei BBC, DW und Co. Nachrichten via WWW dazukommen, nützt im Falle von China leider wenig.
Wie viele andere Nachrichtenkanäle ist die Website der Deutschen Welle in Chinas "Intranet" geblockt, auch mit TV-Sendungen kommt man nicht durch.
Genügend Kapazitäten wären auf den Satelliten zwar vorhanden, "doch leider ist der Himmel über China ganz in der Hand der chinesischen Regierung", sagt Feilcke-Tiemann.
Selbst-Digitalisierung
Alle zwölf Satelliten über China sind unter staatlicher Kontrolle, weil aber nur einer davon in China gebaut wurde, kündigte die Regierung an, die restlichen elf bis 2010 durch Himmelskörper made in China zu ersetzen.
Übersetzt kann das nur heißen: Den Schritt zur Digitalisierung der Satellitenkommunikation vollzieht man mit eigener Technik.
Subtile Zensur in Russland
In Russland wiederum geht die Regierung etwas subtiler vor. Für Voice of America wird es nur immer schwieriger, unter russischen TV-und Radiosendern sogenannte Re-Broadcaster zu finden, die Teile ihrer Sendezeit an die VOA vermieten.
Gegen diese zunehmende Behinderung der freien Verbreitung von Informationen haben die Chefs von BBC World Service, der Deutschen Welle, Radio France Internationale, Radio Netherlands Worldwide und Voice of America protestiert.
Die fünf Sender erreichen in allen Medien in insgesamt 60 Sprachen zusammen wöchentlich ein mehrere hundert Millionen umfassendes Publikum.
Protestierende Intendanten
In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung, verurteilen die Intendanten, dass "immer mehr Staaten versuchen, mit Störsendern das Radio zu behindern und das Internet zu blockieren und zensurieren".
Besonders beunruhigend seien "die Versuche einiger Regierungen, durch Lizenzierungs- und Regulierungsmaßnahmen lokalen Partnersendern die Wiederausstrahlung unserer Hörfunk- und Fernsehprogramme zu erschweren oder zu verbieten".
"Recht auf Information unteilbar"
Jan Hoek, Intendant von Radio Netherlands Worldwide, bezeichnete es als wichtigste Aufgabe, denjenigen Menschen verlässliche und unabhängige Informationen zu liefern, die keinen Zugang zu unterschiedlichen Quellen und Standpunkten haben.
"Das Recht auf Information ist unteilbar", sagte Adelheid Feilcke-Tielmann abschließend zu ORF.at: "Und deshalb senden wir."
(futurezone | dpa | Erich Moechel)