Fernsehen zum Selbermachen

24.02.2008

Vorbei sind die Zeiten, als es noch Millionen-, wenn nicht sogar Milliardenbeträge kostete, einen Fernsehsender aus dem Boden zu stampfen. Eine Kamera, ein Computer und ein Breitband-Internet-Zugang genügen. Mehr dazu heute um 22.30 Uhr im Ö1-Magazin "matrix".

Im Internet ist dazu keine allzu aufwändige technische Infrastruktur nötig, da reicht ein kurzer Besuch beim Elektrohändler und man kann selbst Programm machen und auf Sendung gehen.

Und so schießen denn auch online überall die Breitbandkanäle aus dem Boden, meist um eine spezielle Sparte oder Nische abzudecken. Einer der ersten dieser Nischen- und Spartenkanäle war 18 Doughty Street - ein Breitbandsender in Großbritannien, der mit täglich fünf Stunden Live-Berichterstattung zum Thema Politik den etablierten Fernsehsendern Konkurrenz machen wollte.

Jede Woche 25 Stunden live auf Sendung

Vom 10. Oktober 2006 bis zum 8. November 2007 wurde in einem dreigeschossigen, im georgianischen Stil erbauten Haus in der Doughty Street 18 in London Programm gemacht: fünfmal die Woche fünf Stunden lang, konkret von Montag bis Freitag von 19.00 Uhr bis Mitternacht.

Vorproduzierte, das heißt gestaltete und geschnittene Beiträge machten dabei nur einen Bruchteil des Programms aus; 18 Doughty Street verstand sich als Live-Sender und übertrug daher in der Regel Live-Diskussionssendungen, die mit sieben Kameras im 25 Quadratmeter großen Studioraum im Keller des Hauses aufgenommen wurden.

Bekannte Portale nutzen

Im Lauf des Jahres will der Sender unter neuem Namen neu durchstarten und dabei auf den bisher gewonnenen Erfahrungen aufbauen. Mike Rouse war bei 18 Doughty Street als Chief Technology Officer tätig und verrät, worauf es beim Launch eines eigenen Fernsehsenders im Web ankommt:

"Viele Content-Produzenten begehen den Fehler, dass sie die User auf ihre Website locken wollen, um so den Traffic zu steigern und damit auch die Werbeeinnahmen. Wenn man aber erst startet und seinen Bekanntheitsgrad erst einmal steigern muss, dann würde ich da eine ganz andere Vorgehensweise empfehlen und Content zunächst über Sites wie YouTube bekannt machen."

Als Beispiel nennt Rouse Barelypolitical.com, eine Website, die viele Videos zum Thema der US-Präsidentschaftswahlen produziert, darunter auch das weltberühmte "Obamagirl". Dieses Video wurde zunächst nur über YouTube unter die Leute gebracht - und erst danach wurden eine eigene Website und ein eigener Flash-Player geschaffen.

Mike Rouse: "Gerade wenn man etwas aufbauen möchte und Kosten und Risiko dabei gering halten will, bieten sich Plattformen wie YouTube oder Dailymotion an."

Flash statt Windows Media Streaming

Als 18 Doughty Street im Herbst 2006 startete, wurden eine Reihe von Technologie-Entscheidungen getroffen, die sich anschließend als falsch erwiesen haben und die Mike Rouse heute anders treffen würde. Bei der Studioausrüstung würde er etwa ganz auf HD- und Harddisk-Kameras setzen. Und beim Streaming der Sendungen nicht mehr auf Windows Media Stream-Technologie, sondern auf Flash.

Als vorbildlich erachtet er in diesem Bereich die Video-Plattform Mogulus, eine Live-Streaming-Plattform, die es ihren Nutzern ermöglicht, darauf eigene Fernsehkanäle einzurichten.

"Der Flash-Player von Mogulus macht es etwa auch möglich zu sehen, wieviele andere User auch gerade einen bestimmten Kanal ansehen. Und es wird sogar bald möglich sein, mit diesen anderen Usern auch zu chatten. Das sind alles Features, die man in ein Flash-Interface einbauen kann und die mit Windows Media oder Quicktime einfach nicht gehen."

Zuseher-Cams live auf Sendung

Technisch möglich wäre es auch, die Webcams der Zuseher miteinzubeziehen, indem man diese etwa in eine live im Internet übertragene Sendung zuschaltet.

"Das braucht nicht einmal eine teure Webcam zu sein. Jede herkömmliche Webcam für 20-25 Euro aus einem Elektronikfachgeschäft tut es auch. Was man auch braucht, ist eine Breitband-Internetverbindung, idealerweise SDSL.

Fernsehqualität wird man dabei natürlich nicht erreichen, aber darüber braucht man sich auch nicht den Kopf zerbrechen, weil das Publikum das ja auch nur auf einem verhältnismäßig kleinen Flash Player in einem Browser sieht.

Niemand, der vor einem Computerbildschirm sitzt, erwartet sich die Vollbildqualität eines Fernsehapparats und erst recht nicht, wenn auf dem Bildschirm dann auch noch Zusatzfeatures wie Chat oder Live-Abstimmungen angeboten werden."

Mehr über "18 Doughty Street" heute um 22.30 Uhr in "matrix" in Ö1. Außerdem zu hören: ein Bericht über Rupert Murdochs Webvideo-Portal "Hulu".

(Richard Brem)