Instrumente für Palmtop-Rocker
Er war der Musikant mit Taschenrechner in der Hand. Heute greift er lieber zur Nintendo DS oder baut sich seine Sounds mit "intelligenten" Percussion-Würfeln zusammen. Ein Blick auf die Musikmesse Frankfurt zeigt: Musizieren und Spielen werden eins.
Frankfurt, Musikmesse: Aus Halle drei schallt eine Kakophonie von Drums, Marimbas und Ziehharmonikas. Eine Horde Metalfreaks biegt zu den lustigen Totenkopf-Gitarren in Halle vier ab. Ein paar Meter weiter, in Halle fünf, findet sich die höchste Innovationsdichte. Denn während die klassische Musikalienindustrie Jahr für Jahr dasselbe in neuer Lackierung zeigt, will der boomende Zweig der "Laptop-Musiker" echte Neuheiten sehen.
Geformte Klänge
Angeblich ist es ja einfach, am PC Musik zu machen. Die Wahrheit sieht anders aus. Am Computer produzierte Tracks wirken stumpf und mechanisch, wenn man die Sounds nicht "formt". Bevor der Rechner die zentrale Rolle im Heimstudio übernahm, werkelte man an Synthesizer-Knöpfen und Gitarren-"Wimmerhaken", um Lebendigkeit zu erzeugen.
Heute gibt es MIDI-Controller mit Schiebereglern, Knöpfen und Sensoren, weil die Maus als musikalisches Eingabegerät nichts taugt. Doch solche Controller gibt es inzwischen genug. Einige Firmen wagen jetzt radikal neue Ansätze.
Synth-Legende für die Jackentasche
Zum Beispiel Korg. Sie packten den legendären 70er-Jahre-Synthesizer "MS-10" [gespielt von den Beastie Boys, Underworld und The Orb, Gebrauchtpreis ca. 1.000 Euro] auf ein Modul für die tragbare Spielekonsole Nintendo DS.
Noten werden mit dem Stift am Touchscreen eingegeben. Drum-Machine, 6-Spur-Sequenzer und Effekte sind mit an Bord. Und wie klingt’s? Genau wie das Vorbild: brachial, technoid, herrlich altmodisch. In Japan kostet das Modul knapp 30 Euro. Der europäische Verkaufsstart steht noch nicht fest.
Korg DS-10
Musikkubismus
Abstrakter geht die Independent-Firma Percussa ans Thema "Klangsteuerung" heran. Ihre "Audiocubes", leuchtende Würfel von 7,5 Zentimeter Kantenlänge, lassen sich am PC programmieren. Sie besitzen Sensoren, die auf ihren Nachbarn reagieren.
So lassen sich durch Umstellen oder Verschieben der Cubes Klänge formen, Musiksoftware steuern und der Sound anderer Geräte "verbiegen". Sicher bald ein Highlight bei Vernissagen und Live-DJs. Billig ist der Spaß aber nicht: Zwei Cubes kosten 349 Euro, vier Stück 599 Euro.
Bringen jeden Sound ums Eck: Audiocubes
LED-Lightshow
Das spektakulärste Instrument der Messe zeigte wohl Yamaha. Das "Tenori-On" besteht aus einer Matrix von 16 mal 16 LEDs, die in einen Rahmen eingelassen sind. Man nimmt das Gerät in beide Hände und drückt mit den Daumen einen der 256 Knöpfe. Dann ertönt ein Klang, der sich wiederholt. Mit ein paar Klicks lassen sich auch Melodien "zeichnen". Wenn die Note wiedergespielt wird, leuchten die entsprechenden LEDs auf, so dass eine regelrechte Lightshow entsteht.
Man muss nicht sonderlich musikalisch sein, um dem Gerät Faszinierendes zu entlocken. Mit etwas Geschick entstehen fließende Tracks, die vor allem Elektronikmusikern Spaß machen. Wem der Sound zu schwachbrüstig ausfällt, peppt die Performance mit kleinen Soundschnipseln von der SD-Karte auf. Das kinderleicht zu bedienende, aber komplexe Gerät soll in wenigen Wochen erscheinen und 850 Euro kosten.
Die Musikmesse Frankfurt läuft vom 12. bis zum 15. März.
(Anatol Locker)