Der MP3-Player feiert Geburtstag
Vor zehn Jahren, im März 1998, hat das südkoreanische Unternehmen Saehan mit dem MPMan F10 den ersten tragbaren MP3-Player präsentiert. Seither haben portable digitale Musik-Player die Hörgewohnheiten ihrer Nutzer und auch das Musikgeschäft nachhaltig verändert. Ein Rück- und Ausblick.
Als Saehan Information Systems vor zehn Jahren auf der Computermesse CeBIT in Hannover den weltweit ersten mobilen MP3-Player vorstellte, war das Interesse an dem Gadget verhalten. Auch die Verkäufe des MPMan F10, der im Sommer 1998 in Südkorea erhältlich war und wenig später über den Importeur Eiger Labs auch in den USA in den Handel kam, waren bescheiden.
Das drei Jahre zuvor entwickelte digitale Audiokompressionsformat MP3 galt als Angelegenheit für Nerds, erinnert sich Walter Gröbchen, Journalist und Gründer der Musik- und Kommunikationsagentur monkey: "Damals glaubten viele Leute in der Industrie, dass MP3 und MP3-Player die breite Masse nie erreichen werden."
MPMan F10 [1998]
Der MPMan F10 verfügte über einen Flash-Speicher von 32 MB und konnte über eine parallele Schnittstelle mit dem PC verbunden werden. Eine kleine LCD-Anzeige an der Vorderseite des Gerätes gab Auskunft über die Spieldauer der Songs.
Neben der wenig überzeugenden Sound-Qualität beklagten Nutzer in Online-Foren die geringe Leistungsfähigkeit des Nickel-Metallhydrid-Akkus, der statt der vom Hersteller avisierten acht Stunden das Gerät nur ein bis zwei Stunden lang am Laufen hielt. Auch die Übertragung der Files vom PC auf den Player über eine parallele Schnittstelle erforderte Geduld.
Daneben irritierte das Design des Gadgets: "Es sieht wie eine Bombe aus", schrieb ein Rezensent. Mit zunächst 250 Dollar Kaufpreis war der MPMan auch nicht gerade billig.
Rio bringt Musikkonzerne in Rage
Erst der im September 1998 präsentierte MP3-Player Rio PMP300 des Herstellers Diamond sorgte in der breiten Öffentlichkeit für Aufsehen. Der Grund dafür war jedoch weniger die Qualität des Geräts, sondern eine Klage des US-Musikindustrieverbandes RIAA, der einen Verkaufsstopp des Musik-Players erwirken wollte.
Nach Meinung der Industrielobbyisten verstieß der Rio PMP300 gegen den US-"Home Recording Act", mit dem die unkontrollierte Vervielfältigung von Musik eingeschränkt werden sollte.
Der Verkauf des Gadgets wurde zwar im Oktober 1998 kurzzeitig gestoppt. Ein US-Gericht wies die Klage der RIAA jedoch wenig später zurück. Diamond durfte den Player auch weiterhin anbieten.
Rio PMP300 [1998]
Ebenso wie der MPMan F10 verfügte auch der Diamond Rio PMP300 über einen 32-MB-Flash-Speicher [eine Erweiterung des Speicherplatzes mit einer 16-MB-SmartMedia-Card war möglich] und konnte über eine parallele Schnittstelle mit dem PC verbunden werden. Das handflächengroße Gerät wurde von einer AA-Batterie mit Energie versorgt und kostete rund 200 Dollar.
Das LCD-Display an der Vorderseite des Rio zeigte die Nummer der abgespielten Tracks an. Für Song-Titel und Namen des Interpreten war kein Platz. Neben einer Lautstärkenregelung verfügte die Steuerung über Play-, Stopp-, Vor-, Zurück- und Wiederholungstaste. Songs konnten auch in zufälliger Reihenfolge abgespielt werden.
"Leichte Anrüchigkeit des Formats"
Die großen Elektronikkonzerne zeigten Ende der 1990er Jahre an der Produktion von MP3-Playern wenig Interesse. "Die Klagen der Industrielobbyisten haben die Elektronikkonzerne abgeschreckt", meint Peter Rantasa, Direktor des music information center austria [mica].
Unternehmen wie Diamond spielten mit der "leichten Anrüchigkeit des Formats", erinnert sich Gröbchen: Es war klar, dass Player, die auf MP3 setzen, auch deshalb interessant waren, weil die Musik frei im Netz flottierte. "The Rio PMP300 puts internet music in the palm of your hand", hieß etwa ein Werbeslogan von Diamond.
Dort waren Musik-Files jedoch nur ohne den Segen der Industrie auf Seiten wie MP3.com und etwas später über das Peer-to-Peer-Netzwerk Napster zu bekommen. "Die Industrieverbände versuchten damals alles, um ihr Geschäftsmodell durch die Absperrbarkeit der Inhalte zu retten", sagt Rantasa.
Auch der deutsche Hersteller Pontis zählte zu den ersten Anbietern portabler MP3-Player. Beim MPlayer3 konnten Songs auf MultiMedia-Cards gespeichert werden.
In einem 1998 erschienen Artikel für die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" erkannte Gröbchen in dem Gerät, das "bislang fehlende Bindeglied zwischen dem schnellen Brüter Internet und der vergleichsweisen Behäbigkeit und Bequemlichkeit des Durchschnittskonsumenten", das - ohne umständliche Umwege - die Abnabelung der MP3-Files vom PC ermögliche.
Die iPod-Revolution
Die explosionsartig wachsende Verfügbarkeit von MP3-Files im Netz, die ohne Mithilfe der Musikindustrie vonstatten ging, und die Speichererweiterung der MP3-Player auf mehrere Gigabyte konnten in den folgenden Jahren wenig daran ändern, dass portable MP3-Player ein Nischenprodukt blieben.
Erst mit Apples iPod, der am 23. Oktober 2001 vorgestellt wurde, erreichten tragbare digitale Musik-Player schließlich die breite Masse.
Das 102,6 mal 61,8 mal 19,9 Millimeter kleine Gerät, das über ein Clickwheel bedient und über eine Firewire-Schnittstelle zunächst nur mit Apple-Computern synchronisiert werden konnte, punktete vor allem mit seiner Nutzerfreundlichkeit. "Frühere Player waren kompliziert zu handhaben", meint Rantasa, "der iPod war auch für den Computer-Laien leicht zu bedienen."
"Das Gerät hat wirklich Begeisterung ausgelöst", erinnert sich Gröbchen: Das Konzept des iPod sei auf der Stelle überzeugend gewesen. Natürlich habe auch die Vermarktung eine Rolle gespielt, in die Apple viel Geld investierte.
Fünf Gigabyte Speicher
Der Apple-Player verfügte, wie zahlreiche Konkurrenzprodukte der damaligen Zeit auch, über einen Festplattenspeicher. Die Speicherkapazität des Ur-iPod, der rund 400 Dollar kostete, umfasste fünf Gigabyte.
Heute fasst der iPod classic, der längst auch Videos abspielen kann, bis zu 160 Gigabyte [rund 40.000 Songs]. Seit 2001 wurden von der mittlerweile aus mehreren Modellen bestehenden iPod-Reihe über 140 Millionen Stück verkauft.
iPod [2001]
Der iPod kann zwar MP3s abspielen, Apple setzt aber vor allem auf das digitale Musikformat AAC [Advanced Audio Codec]. Auch das hat zum Erfolg des Gerätes beigetragen: "Damals waren MP3-Files üblicherweise mit 128 KBit/s kodiert. Das ist klanglich nicht so gut", meint Rantasa.
Shuffle als Radioersatz
Mit der Shuffle-Funktion, die Titel aus dem Musikspeicher in scheinbar zufälliger Reihenfolge abspielt, wurde der iPod auch zur individuellen Radiostation. "Das hat auch die Hörgewohnheiten verändert", so Rantasa. Musik werde heute viel mehr nebenher und unterwegs und viel weniger bewusst zu Hause gehört, so der mica-Geschäftsführer.
"Lieblingsmusik ständig dabei"
"Musik ist durch digitale Musik-Player erst richtig mobil geworden. Heute hat fast jeder seine Lieblingsmusik ständig dabei, statt sie zu Hause im Plattenregal zu horten", meint Udo Raaf, Herausgeber des MP3-Musikmagazins Tonspion, das kurze Zeit nach der Präsentation der ersten MP3-Player, Ende der 1990er Jahre, im Netz debütierte.
Integrierte Lösung mit iTunes-Store
Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf den Erfolg des iPod hatte auch der im April 2003 gestartete iTunes Music Store, der als erster Anbieter eindrucksvoll aufzeigte, dass sich Musik-Files im Netz auch verkaufen lassen.
"Apple hat es geschafft, die Industrie vom Verkauf von Musik-Files zu überzeugen, weil die Files mit einem Kopierschutz versehen wurden, der die Musikkonzerne zufriedengestellt hat", sagt Rantasa: "Damit konnte Apple eine integrale Lösung zusammen mit dem iPod bieten."
Mittlerweile haben die vier großen Musikkonzerne vom Kopierschutz im Online-Musikhandel, der bei den Käufern vor allem für Frustrationen sorgte, weitgehend abgelassen. Apple dominiert den Markt jedoch weiterhin.
Die Zukunft ist universal
Mit dem iPod hat Apple in der Vergangenheit Standards gesetzt. Mit dem mittlerweile auch in Österreich erhältlichen iPhone gibt das kalifornische Unternehmen auch einen Ausblick auf die Zukunft tragbarer digitaler Medien-Player.
Das Mobiltelefon habe man immer dabei, und mit dem iPhone habe es sich zu einem Universalgerät erster Klasse entwickelt, sagt Gröbchen: Mit Internet, Kamera, GPS, Musik- und Video-Player wird das Handy zum Schweizer Taschenmesser des Alltags: "Das geht eindeutig in diese Richtung."
"Reine portable Musik-Player können nur noch mit ihrem Speichervolumen und der Audioqualität punkten und werden entweder aussterben oder sich in Richtung High-End entwickeln", prognostiziert Gröbchen.
Vernetzung gewinnt an Bedeutung
Aber auch die Vernetzung der Geräte wird zunehmend an Bedeutung gewinnen: "Ich will Musik hören und nicht mehr darüber nachdenken, wo sie liegt. Sie wird über das Netz gestreamt oder ist lokal abgespeichert", meint Gröbchen.
Rantasa sieht das nicht anders: "Wenn ich meinen last.fm-Stream, der mit Empfehlungen und Intelligenz arbeitet, portabel verwenden kann, dann bin ich für meine mobile Musiknutzung sehr zufrieden gestellt."
"Industrie muss sich neu erfinden"
Der digitale Musik-Player der Zukunft werde ein Multifunktionsgerät sein, dass jederzeit an jedem Ort den Zugriff auf Musik, Filme, Fernsehen oder Spiele gewährleiste, meint auch Raaf.
Davor seien vor allem seitens der Unterhaltungsindustrie, die noch immer an überholten Geschäftsmodellen festhalte, einige Fragen offen, so Raaf: "Die Unterhaltungsindustrie muss sich eigentlich ganz neu erfinden, um die technischen Möglichkeiten voll ausschöpfen zu können. Und sie ist gut beraten, sich intensiv mit den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten auseinanderzusetzen und ihnen ein überzeugendes Angebot zu machen."
(futurezone | Patrick Dax)