Risikofaktor Drohne bei der Fußball-EM

19.05.2008

Militärische Drohnen seien mit zivilem Flugfunk nicht kompatibel, heißt es in einem aktuellen Bericht des US-Rechnungshofs. Bei der Fußball-EM müssen Teile des Schweizer Luftraums auch fernab der Stadien für die Zivilluftfahrt gesperrt werden.

Anders als in Österreich, wo die Behörden am Verbot des Einsatzes von unbemanntem Fluggerät über bewohntem Gebiet festhalten, werden in der Schweiz während der Fußball-EM auch Drohnen zur Überwachung der Fans eingesetzt.

Operativ besorgt das die "Drohnenstaffel 7" des Schweizer Militärs, den Einsatz leitet jedoch die Polizei.

300 Kilo brutto über Zürich

Beim betreffenden Gerät handelt es sich um das ursprünglich von den Schweizer Rüstungskonzernen RUAG Aerospace und Oerlikon zusammen mit Israel Aircraft Industries entwickelte Modell Ranger ADS 95.

Diese taktische Drohne mit einer Reichweite von etwa 180 Kilometern ist 4,6 Meter lang und wiegt samt Nutzlast an die 300 Kilo, eine Tag/Nachtsichtkamera gehört zur Standardausstattung. Insgesamt hat die Schweizer Armee noch 27 Stück im Einsatz, eines der Fluggeräte ist abgestürzt.

Zahlreiche Risiken

Dass derartige Einsätze von Drohnen im zivilen Bereich schon bald zur Routine werden, ist allerdings kaum wahrscheinlich. Ein aktueller Bericht des US-Rechnungshofs führt eine ganze Reihe gefährlicher Risiken auf, die unbemannte Flieger für die Zivilluftfahrt mit sich bringen.

Obwohl - oder gerade weil - die Geräte mit Technik vollgepfropft sind, fehlen ihnen essenzielle analoge Features zur Tauglichkeit im zivilen Flugverkehr.

Analoge Piloten

Sichtflug, visuelle Erkennung eines anderen Flugobjekts, Ausweichmanöver oder gar Funkverkehr mit zivilen Flugobjekten sind bis dato jenseits der Möglichkeiten auch fortgeschrittener Drohnen, da es sich um Aufgaben des oder der Piloten handelt.

Und Piloten sind nun einmal analog, ebenso wie die gesamte Kommunikation mit Fluglotsen und anderen Flugzeugen über analogen Duplex-Sprechfunk abgewickelt wird.

In der Drohne fehlen die analogen Sinnesorgane eines Piloten, der die Kommunikation abwickelt und die Maschine als "Fall-back-System" immer noch manuell in Ausweichmanöver oder zum Landen bringen kann, wenn Technik oder Kommunikation gestört sind.

Das Anti-Kollisionssystem

Die Entwicklung des weltweit in Gebrauch befindlichen, ebenfalls analogen "Traffic Alert and Collision Avoidance System" [TCAS] der Zivilluftfahrt etwa habe 13 Jahre in Anspruch genommen und 500 Millionen Dollar gekostet, heißt es im Report des Rechnungshofs [General Accounting Office, GAO].

Die Entwicklungskosten für ein eigenes Drohnen-TCAS-System, das mit dem zivilen Kollisionswarnsystem interagieren kann, schätzen die vom Rechnungshof befragten Experten auf zwei Milliarden Dollar, zeitlich sei es noch viele Jahre bis dahin.

Die Interferenzen

Dazu kommt eine ganze Reihe weiterer Sicherheitsprobleme, die nicht einfacher zu lösen sein werden. Da die "Unmannend Aircraft Systems" [UAS] zu einem Gutteil freie Frequenzen benützen müssen, sind sie gegen zufällige oder gezielte Interferenzen höchst anfällig.

Während ein Jamming-Angriff auf einen zivilen Jet den Piloten höchstens dazu zwingen kann, auf eine andere Frequenz zu wechseln, können Störsignale die Fernsteuerung der Drohne blockieren.

Drohnen und Dröhnchen

Überall im Netz stehen über mehr und mehr Drohnen und Dröhnchen technische Fact-Sheets zur Verfügung, die freilich alle eines gemeinsam haben.

In den wenigsten Fällen wird angegeben, in welchen Frequenzbändern die mit Radar- und Funkequipment gespickten unbemannten Flieger kommunizieren.

Aus einzelnen Fact-Sheets läßt sich entnehmen, dass zumindest die Back-up-Steuerung in gängigen, freien Frequenzbereichen wie 433/435 MHz [zumeist Walkie-Talkie], im 900-MHz-Bereich [Schnurlostelefone] oder sogar im WLAN-Bereich 2,4 GHz abgewickelt wird.

Letztgenanntes Spektrum nützen viele der einfacher ausgestatteten Drohnen zum Übertragen von Videostreams mit einer Richtantenne.

"Lost-link Scenario"

Zwar haben die besseren Geräte insofern für ein "Lost-link Scenario" vorgesorgt, als eine GPS-basierende "Heimkehrautomatik" den Flieger zurückgeleitet. In welcher Flughöhe und wohin geflogen wird, ist je nach Typ der Drohne unterschiedlich.

Auf den Radarschirmen der Fluglotsen erscheinen die Drohnen dann unangemeldet, die Lotsen können aber nicht nachvollziehen, wohin und wie hoch weitergeflogen wird. So die allgemeine Problemstellung, in der Schweiz ist die Rückkehrroute allerdings genau geografisch festgelegt.

Sichtbare Hubschrauber

Nicht nur in Zürich wird der Luftraum rund um die Einsätze weiträumig gesperrt, dazu werden je 5,5 Kilometer breite No-fly-Korridore zu den Militärflughäfen Payerne und Emmen eingerichtet - von dort fliegen die Drohnen an.

Und gewöhlich fliegen sie nicht alleine, denn aus Gründen der schlechten Sichtbarkeit werden die Schweizer Drohnen, wie viele Fotos im Netz zeigen, durch eine Propellermaschine oder einen Hubschrauber der Schweizer Armee eng begleitet.

Benötigte Bandbreiten

Was die Zuweisung dringend benötigter eigener Frequenzbereiche für Drohnen jenseits des militärischen Spektrums angeht, so wird das ebenfalls noch dauern.

Auf der Radiocommunication Conference der Internationalen Telekommunikationsunion [ITU] im Oktober 2007 wurde die für Drohnen benötigte Bandbreite mit etwa 700 über das Spektrum verteilten MHz insgesamt geschätzt.

Grund ist der Bedarf der Militärs nach "Echtzeit-Monitoring von großen Datensystemen mit multiplen Videostreams, auch hoher Auflösung, Sensoren und Leitsystemen".

Interferenzen

Zusätzliche Bänder in den Bereichen zwischen 112 und 118 MHz, 960 und 1.164 MHz, 5.030 und 5.150 MHz sind für die Zuweisung angedacht.

Damit wird zwar die Sicherheit gegen unbeabsichtigte Interferenzen erhöht, gegen beabsichtigte hilft das nicht.

Für alle Bereiche gibt es Billigequipment, das von jedem halbwegs begabten Elektronikbastler mit wenig Aufwand zu einem Störsender umgebaut werden kann.

Das Personal

Für den erstgenannten Frequenzabschnitt genügt etwa das Funkgerät einer ausgemusterten Cessna, für 960 MHz aufwärts lassen sich Siemens Gigaset & Co aufbohren. Im 5-GHz-Bereich ist gleich daneben eins der beiden neuen WLAN-Bänder angesiedelt.

Was die Steuerung der Schweizer Drohne angeht, so sind - wie man der unten verlinkten Beschreibung der Schweizer "Drostaffel7" entnehmen kann - neben einem Begleitflugzeug mindestens ein halbes Dutzend Leute damit beschäftigt, eine Ranger ADS 95 zu navigieren und die Kamera zu bedienen.

Der Faktor Mensch

Für den US-Rechnungshof ist der menschliche Faktor das Hauptproblem Nummer drei beim Drohneneinsatz. 17 Prozent aller Drohnenabstürze im Irak und in Afghanistan - die absoluten Zahlen wurden nicht genannt - seien auf den menschlichen Faktor zurückzuführen, heißt es.

Die Beamten der zivilen US-Flugaufsichtsbehörde FAA merkten zum Punkt der Bedienerfreundlichkeit und damit zur Sicherheit an, dass UAVs [alias UAS alias Drohnen] "ähnlich einzustufen sind wie PCs in der Frühphase ihrer Entwicklung".

(futurezone | Erich Moechel)