Datenschutzdesaster im YouTube-Prozess
Ein New Yorker Richter hat den YouTube-Eigentümer Google dazu verurteilt, Nutzerdaten der Online-Videoplattform im Zuge einer Klage wegen Urheberrechtsverletzungen an den Medienkonzern Viacom auszuhändigen. Datenschützer sehen die Privatsphäre der YouTube-Nutzer bedroht und schlagen Alarm. Google und Viacom sind um Schadensbegrenzung bemüht.
Ein New Yorker Bezirksgericht entschied in der Nacht auf Donnerstag, dass Google den User-Namen und die IP-Adressen jedes einzelnen Nutzers mitteilen muss, der sich ein Video auf YouTube angesehen hat. Auch der Zeitpunkt des Starts der Videos und die ID-Nummer der Clips müssen laut der Entscheidung des Gerichts an den US-Medienkonzern ausgehändigt werden.
Viacom will mit Hilfe der Daten beweisen, dass der Erfolg von YouTube vor allem auf der Veröffentlichung urheberrechtlich geschützter Videos beruht. Dabei geht es vor allem um die von Nutzern ins Netz gestellten Musikvideos und Ausschnitte aus Fernsehshows.
Im Juli 2007 hatte der US-Medienkonzern Viacom in New York eine Klage gegen Google eingebracht, dem das Videoportal YouTube gehört. Laut Viacom sollen mehr als 160.000 nicht lizenzierte Videos von den Viacom-Sendern MTV, Comedy Central, VH1 und Nickelodeon auf YouTube verfügbar gewesen sein. Die Clips seien mehr als 1,5 Milliarden Mal angesehen worden.
Google stellte sich selbst ein Bein
Google wollte vor Gericht die Herausgabe der mehr als zwölf Terabyte umfassenden Nutzerdaten mit dem Argument verhindern, dass dadurch die Privatsphäre seiner Nutzer verletzt werde. Der Internet-Konzern widersprach damit jedoch auch seiner eigenen Argumentation in Hinblick auf den Datenschutz.
Gegenüber Datenschützern hatte Google in der Vergangenheit argumentiert, dass IP-Adressen keine persönlichen Daten seien. Der New Yorker Richter zitierte Googles Ansichten und zog daraus die Schlussfolgerung, dass Googles Datenschutzbedenken "spekulativ" seien.
Google hatte im Februar 2008 in seinem offiziellen Weblog festgestellt, dass es die IP-Adressen seiner Nutzer nicht als persönliche Daten betrachte, da IP-Adressen nur Computer identifizieren würden, nicht aber menschliche Individuen. Auf Grundlage dieser Argumentation konnte das Gericht auch die Datenschutzbedenken von Google verwerfen.
Google glimpflich davongekommen
Google ist mit der Anordnung des Richters noch glimpflich davongekommen. Die von Viacom geforderte Herausgabe des Quellcodes der Google-Suche sowie weitere sensible Daten des Unternehmens lehnte der Richter ab. Den Schaden haben die Nutzer, ätzten Beobachter deshalb nicht zu Unrecht.
Datenschützer schlagen Alarm
Die Internet-Bürgerrechtsorganisiation Eelectronic Frontier Foundation [EFF] sieht in der Anordnung des Richters eine klare Verletzung des Video-Privacy-Protection-Act [VPPA]. Das Gesetz wurde 1988 in den USA erlassen, nachdem eine Liste von Videos, die ein Kandidat für den Obersten Gerichtshof ausgeliehen hatte, in Zeitungen veröffentlicht wurde. Der US-Kongress befand daraufhin im VPPA, dass der Videokonsum zur Privatsphäre gehöre und deshalb strengen Schutz genieße.
Aus der Kombination von User-Name, IP-Adresse und Nutzungsgewohnheiten könnten sehr wohl Rückschlüsse auf Personen gezogen werden, argumentierten Datenschützer. Darüber hinaus seien User-Namen nicht selten mit den Klarnamen der Nutzer ident, so die EFF.
Das Urteil des Gerichts sei eine Rückschlag für Datenschutzrechte, kritisierte die EFF und forderte Viacom auf, auf seine Ansprüche zu verzichten.
Um Schadensbegrenzung bemüht
Google forderte Viacom auf, einer Anonymisierung der Datensätze zuzustimmen, bevor sie an den Medienkonzern übergeben werden.
Der US-Medienkonzern zeigte sich am Donnerstag um Schadensbegrenzung bemüht. Man werde die Daten ausschließlich zur Stützung der Argumentation im Urheberrechtsprozess gegen YouTube/Google verwenden und vertraulich behandeln, ließ Viacom in einer Aussendung verlauten.
Ein Viacom-Anwalt gab gegenüber der "New York Times" an, dass der Medienkonzern um eine Anonymisierung der Daten bemüht sei. Die Daten sollen im Falle von Urheberrechtsverletzungen von Nutzern beim Upload von Videos auch nicht gegen diese verwendet werden, sagte er der Zeitung.
Datenschutzinfos bei Google
Google reagierte auf den Datenschutz-GAU auch indirekt. Der Konzern ließ auf seiner Startseite unter der Suchmaske einen Link zu seiner "Privacy Center" genannten Sammlung von Datenschutzregeln anbringen.
"Google ist die Privatsphäre seiner Nutzer wichtig", teilte Google-Managerin Marissa Mayer im Google-Blog mit: "Vertrauen ist die Grundlage all unserer Arbeit." Auch auf der österreichischen Website des Unternehmens gibt es diesen Link und die dazugehörigen Informationen.
Im Übersichtsdokument ist unter anderem vermerkt, dass Google zusammengefasste entpersonalisierte Informationen an Drittanbieter weitergeben könnte. Das gelte insbesondere für "juristische Verfahren oder Fälle, in denen es darum geht, Betrug oder andere Schäden zu vermeiden sowie die Sicherheit unseres Werbenetzwerks und unserer Services zu gewährleisten".
Safe Harbor
Google vermerkt an dieser Stelle weiterhin, dass es den Unternehmen beigetreten ist, die auf der Safe-Harbor-Liste von US-Unternehmen stehen. Das Safe-Harbor-Abkommen ermöglicht den Unternehmen auf dieser Liste, Daten zwischen EU-Mitgliedsstaaten und den USA auszutauschen. Die EU gesteht diesen Unternehmen zu, "ausreichenden Schutz" für die transportierten Daten zu bieten.
Bei den Benutzern von mehr als 80 Prozent der großen deutschsprachigen Medien-Websites analysiert Google das Leseverhalten. Das Gros der User hat keine Ahnung, dass Details ihres täglichen Nachrichtenkonsums in einer US-Datenbank landen. Der österreichische Suchmaschinen-Experte Walter Karban im Gespräch mit ORF.at.