"Absender anrufen" im Mail-Menü
Ein Plug-in, das den freien E-Mailer Mozilla Thunderbird in eine Telefonanlage verwandelt, ist derzeit das Topprojekt der "A1 Innovation Days". Noch bis 15. August können Open-Source-Projekte rund um das SIP-Protokoll eingereicht werden, das Voting läuft noch etwas länger.
Frage: Muss die Applikation unter eine Open-Source-Software-Lizenz gestellt werden?
Antwort: Ja, das muss sie. Wir glauben an die Kraft und Kreativität der Open-Source-Software-Modelle und deshalb unterstützen wir sie.
Das Interessante an diesem ansonsten wenig aufregenden FAQ-Auszug ist, dass er nicht von der Linux User Group XY stammt, sondern auf die Telekom Austria zurückgeht.
Telekom goes VoIP
Genauer gesagt auf die Tochter mobilkom, die mit den "A1 Innovation Days" eine Technologie vorantreibt, mit der die Telekoms bis jetzt eigentlich nichts zu tun haben wollten: IP-Telefonie [VoIP].
Beziehungsweise "Unified Communications", die von Telefon bis Chat alle derzeit gebräuchlichen Kommunikationsformen unter einem Hut auf den Desktop bringen soll.
IBM, Microsoft, Cisco
Dem Zusammenwachsen von Telefoniediensten und Internet-Kommunikation auf dem Desktop werden jährliche Wachstumsraten von mehr als 50 Prozent bis 2012 vorhergesagt.
Sowohl IBM als auch Microsoft, Cisco und andere haben auf den Trend bereits mit Produkten reagiert und bieten Software-Suites für "Unified Communications" an.
Hochzeit von E-Mail und Telefonie
Logischerweise sind diese Lösungen das genaue Gegenteil von Open Source. Angesichts der immer noch wachsenden Zahl an Kommunikationsformen steigt in den Unternehmen die Nachfrage nach Lösungen, um die immer unübersichtlicher werdende Kommunikationsflut zu bewältigen.
Erste Priorität hat dabei die Zusammenführung von E-Mail mit Telefonie, den zwei weitaus wichtigsten Kommunikationsformen, die bis dato technisch durch Welten getrennt waren.
Thunderbird telefoniert
Im momentanen Ranking von A1innovations.at steht denn auch ein Plug-in für das Mail-Programm Mozilla Thunderbird ganz oben.
Es sei halt naheliegend, einen E-Mail-Client als Basis für eine Entwicklung in Richtung "Unified Communications" zu nehmen, sagte Gerald Silberschneider, der das Projekt eingereicht hat.
"Absender anrufen" im Menü
Im ersten Schritt soll es möglich werden, durch Klick mit der rechten Maustaste auf eine E-Mail in der Inbox die Option "Absender anrufen" im Menü zu haben.
Danach soll der Thunderbird durch weitere Plug-ins zu einem Multifunktionsclient ausgebaut werden, der sowohl SMS verschicken und empfangen kann als auch eine integrierte Chatfunktion enthält.
Mini-Linux-PC, SIP
Nummer zwei ist im Moment ein völlig andersartiges Projekt, nämlich ein tragbares Videotelefon, das ebenfalls über das bei VoIP gebräuchliche Protokoll SIP [Session Initiation Protocol] funktioniert.
Die Anwendung besteht nicht nur aus Software, sondern aus einem tragbaren Mini-Linux-PC, die Videos können als Livestream hinausgehen oder automatisch auf eine Website hochgeladen werden.
Außendienst und Spaß
Eine denkbare Anwendung für so ein "Point-of-View-Video" ist zum Beispiel technischer Livesupport aus der Zentrale bei Arbeiten im Außendienst.
Der Techniker in der Zentrale sieht live genau dasselbe wie die Person, die an Ort und Stelle Reparaturen durchführt.
Ebenso sind Spaßanwendungen möglich wie die Liveübertragung einer Trauungszeremonie aus der Sicht der Braut und der automatischen Upload einer Snowboardfahrt bei YouTube innerhalb von Minuten, nachdem das Ziel erreicht ist.
Dazu kommt natürlich eine ebenso automatische SMS/E-Mail mit dem YouTube-Link an den interessierten Freundeskreis.
Die Einreichung
Projekte können noch bis 15. August eingereicht werden, abgestimmt werden kann noch bis Ende des Monats. Die Entscheidung über die Preisträger fällt am 1. September.
"Kvats" und 20 andere Projekte
Insgesamt sind gut 20 Projekte am Laufen, die sich in unterschiedlichen Stadien befinden. Mit Unterstützung der mobilkom wurde zum Beispiele mit "kvats" ein Multimessaging-Softphone für den Desktop entwickelt, das bereits als Beta zu haben ist.
Die Entwickler sind in der osAlliance zusammengeschlossen, die genossenschaftlich organisiert ist.
Rolle und Rückkopplung
"Unsere Rolle ist es hierbei, an Leute aus der Community aktuelle Fragestellungen aus den Unternehmen zu kommunizieren und passenden Ideen eine heftige Rückkopplung zu geben", schreibt Roland Alton-Scheidl, Gründer und Vorstandsmitglied der osAlliance, an ORF.at.
Für die osAlliance stünden mittlerweile - natürlich nicht exklusiv - mehr als 70 handverlesene Experten in 40 Unternehmen zur Verfügung. "Ganz im Sinne der Open-Source-Kultur" würden diese Experten die Genossenschaft über ihre Anteile kontrollieren.
Warum die mobilkom das tut
Warum die mobilkom, aber auch Ausrüster wie Ericsson, die aus der technisch völlig andersartigen Welt der "Circuit Switched Networks" kommen, nun auf diesen Zug aufspringen, hat einen simplen Grund.
Ein Blick auf den Status der Festnetztelefonie in Österreich genügt, um abzusehen, dass der Mobiltelefonie, die auf derselben Switching-Technologie funktioniert, Ähnliches bevorsteht.
TCP/IP statt SS7
Anstatt für jede Kommunikation eine eigene Verbindung auf- und wieder abzubauen, herrscht in Zukunft das "Always on"-Prinzip, das gute alte Signalsystem SS7 wird durch das TCP/IP-Protokoll langsam, aber sicher verdrängt.
Schon jetzt legt praktisch jedes Ferngespräch den weitaus größten Teil der Strecke zwischen zwei Festnetzanschlüssen via Gigabit-Ethernet und dem TCP/IP-Protokoll zurück.
"Am Ende des Tages", wie es im Management-Rotwelsch heißt, wird Telefonie aller Art nur ein weiteres Service sein, das auf TCP/IP aufsetzt und nach Paketen abgerechnet wird.
(futurezone | Erich Moechel)