Roboter mit "Gehirn" aus Rattennerven

14.08.2008

Ein multidisziplinäres Forscherteam der britischen Universität Reading hat einen Roboter gebaut, der mit einem Netz aus Rattennervenzellen gesteuert werden kann.

"Das ist eine vereinfachte Version von dem, was in einem menschlichen Gehirn vor sich geht", sagte Ben Whalley von der Universität Reading. "Wir können dabei grundlegende Funktionen betrachten und steuern."

Ziel ist laut den Wissenschaftlern aber nicht, eines Tages Roboter mit menschlichen Nervenzellen zu erschaffen, sondern durch ein einfaches Modell die grundlegende Funktionsweise des Gehirns zu erforschen. Das könnte aus ihrer Sicht große Fortschritte im Kampf gegen Hirnerkrankungen wie Alzheimer und Parkinson bringen.

Das Gehirn des Roboters "Gordon" besteht aus 50.000 bis 100.000 Neuronen, die auf ein acht mal acht Zentimeter großes Feld mit 60 Elektroden übertragen wurden. Sie sind die Schnittstelle zwischen lebendem Gewebe und Maschine. Elektrische Impulse aus dem Gehirn treiben dabei die Räder des Roboters an.

Die Nervenzellen bekommen im Gegenzug elektrische Rückmeldungen von Sensoren, etwa wenn der Roboter an eine Wand stößt. Eine andere Steuerung als die Rattenneuronen hat das Gerät nicht.

Die Neuronen des Nagetiers müssen sich nach der Übertragung erst einmal organisieren, um ein funktionierendes Netzwerk zu bilden, wie der Kybernetiker Kevin Warwick sagte. "Innerhalb von 24 Stunden strecken sie ihre Fühler aus und versuchen, Verbindungen untereinander herzustellen."

In Deutschland arbeitet der Biochemiker Peter Fromherz seit geraumer Zeit an der Verknüpfung von Nervenzellen und Siliziumchips. 1991 gelang Fromherz die Koppelung eines Neurons und eines Siliziumchips, indem er auf dem Chip eine Schicht Siliziumdioxid aufbrachte.

"Gehirnähnliche Aktivität"

"Innerhalb einer Woche erhalten wir einige spontane Signale und eine gehirnähnliche Aktivität", so Warwick. Bei ihren Versuchen benutzten die Forscher mehrere verschiedene "Hirne", die bei "Gordon" einfach ausgewechselt werden können. "Das ist ziemlich lustig, weil es Unterschiede zwischen den Gehirnen gibt", sagte der Wissenschaftler. "Das eine ist etwas ungestüm und aktiv, während ein anderes nicht das macht, was wir wollen."

Nächste Etappe der Versuche sei herauszufinden, wie "Gordon" etwas beigebracht werden könne, so Warwick. "Ziel ist es herauszufinden, wie Erinnerungen im biologischen Gehirn gespeichert werden. Wenn wir einige der Grundlagen von dem verstehen, was in unserem Modellhirn vor sich geht, könnte das enorme Auswirkungen auf die Medizin haben."

Vor allem aus ethischen Gründen dürfte es unwahrscheinlich sein, dass die Forscher in Reading eines Tages Roboterhirne aus menschlichen Nervenzellen für ihre Experimente einsetzen. Möglich wäre das wohl, spekuliert Warwick, denn der Hauptunterschied zwischen Ratten- und Menschengehirnen liegt nicht in der Qualität der Neuronen, sondern in der Menge. Während die Gehirne von Ratten lediglich eine Million Nervenzellen haben, sind es beim Menschen 100 Milliarden.

(AFP | futurezone)