Nokia: "Haben mehr zu bieten als Apple"
Der finnische Handyhersteller Nokia baut seinen Weltmarktanteil stetig aus. ORF.at hat sich mit Nokia-Alps-Chef Martin Pedersen über die Besonderheiten des österreichischen Markts, Konkurrent Apple und dessen iPhone sowie Googles Handybetriebssystem Android unterhalten.
Der weltweite Handymarkt trotzt der schwächelnden Konjunktur und ist heuer auf deutlichem Wachstumskurs, lautet die Prognose des Marktforschungsinstituts Gartner. Insgesamt 1,28 Milliarden Mobiltelefone sollen heuer verkauft werden.
Österreicher an Subventionierung gewöhnt
Ein großes Stück von diesem Kuchen fällt dem finnischen Handyriesen Nokia zu - laut Gartner bereits 39,5 Prozent im zweiten Quartal. "Auch in Österreich haben wir eine klare Marktführerposition", sagte Nokia-Alps-Chef Pedersen am Montag im Gespräch mit ORF.at. Genaue Zahlen auf Länderbasis kommuniziert der Konzern allerdings nicht.
Österreich sieht Pedersen als einen der kompetitivsten Märkte Europas und sehr anbieterdominiert: "Wir haben vier starke Mobilfunkbetreiber, die mit der Endgeräte-Subventionierung den Markt kontrollieren." Das mache die Konsumenten sehr preisbewusst. "Die Österreicher sind Null-Euro-Handys gewöhnt", so Pedersen gegenüber ORF.at. "In den letzten Jahren steigt aber auch die Zahl derer, die sich teurere Geräte zulegen - vor allem bei vertragsfreien Handys."
All-in-one vs. Einfachheit
Nokia stellt pro Jahr zwischen 30 und 40 neue Geräte vor und will damit so viele Zielgruppen bedienen wie möglich. Insgesamt 13 Segmente habe man 2007 in einer breit angelegten Konsumentenbefragung festgemacht. Und zum aktuellen Trend zu All-in-one und Multimedia-Geräten gebe es durchaus auch eine Gegenbewegung: "Immerhin 23 Prozent wollen in Österreich nur Sprache und SMS auf dem Handy. Das haben wir in unserer Produktentwicklung natürlich berücksichtigt, etwa in der 1200er-Serie."
Die Zukunft liegt laut Pedersen aber nicht mehr nur in den Endgeräten, sondern vor allem in den Services: "Wir haben heuer gesehen, dass Maps und mobile Navigation ein großes Thema sind. Und dann natürlich Musik, die 'Comes with Music'-Initiative, Games und unser OVI-Portal. Produkte und Services - hier sehen wird die stärkste Konvergenz."
Zur Person:
Martin Pedersen übernahm Mitte 2006 die Geschäftsführung der Region Nokia Alps [Österreich und Schweiz], die mittlerweile um Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Slowenien erweitert wurde.
Apple als Herausforderer
Der Hype um Apples iPhone ist derzeit ungebrochen, Apple laut Pedersen für Nokia durchaus ein ernstzunehmender Konkurrent. "Trotzdem finden wir es gut, dass sie den Markt betreten haben, weil sie die gesamte Industrie herausgefordert haben." Apple habe auch bewiesen, dass Services der Schlüssel zum Erfolg sind. Diesen Weg verfolge auch Nokia seit Jahren, so Perdersen: "Das bestätigt unseren Kurs. Gibt es keinen Wettbewerb, können wir uns auch nicht verbessern."
Nokia könne mit dem iPhone aber auf jeden Fall mithalten. "Die User-Experience beim iPhone ist großartig", gibt Pedersen zu. "Aber wenn man sich unsere N-Serie ansieht, bieten wir schon jetzt ein weitaus besseres Telefon, eine bessere Kamera, bessere Navigation und sogar die Möglichkeit, Filme aufzunehmen. Was Portfolio und Technologie betrifft, haben wir also weitaus mehr anzubieten als Apple."
Den Trend zu Mobiltelefonen mit Touchscreens sieht Pedersen durch den iPhone-Hype neu angekurbelt. Nokia habe aber bereits seit drei Jahren entsprechende Geräte im Portfolio und arbeite auch an neuen Produkten. Einen exakten Zeitplan dafür gebe es allerdings noch nicht.
Großes Potenzial bei Smartphones
Auch auf dem Smartphone-Markt sieht sich Nokia gut aufgestellt: "Wichtig ist natürlich die Definition von Smartphone. Für uns ist nicht nur der Communicator ein Smartphone, sondern alles, was auf der Symbian-Plattform basiert - die N-Serie, die E-Serie und auch weitere Produkte."
Warum man bei Smartphone und E-Mail auf dem Handy dennoch instinktiv an den BlackBerry von Research in Motion [RIM] denkt, erklärt Pedersen so: "Wenn man den globalen Markt für E-Mails auf dem Handy betrachtet, gibt es natürlich diese zwei Prozent ganz an der Spitze, die die ganz großen Unternehmen einnehmen. Und da haben einige unserer Mitbewerber eine sehr starke Position eingenommen, weil sie die Ersten mit einer vollständigen E-Mail-Lösung waren. Wenn man aber den Gesamtmarkt für E-Mail betrachtet, dann gibt es die restlichen 98 Prozent, die die kleinen und mittleren Unternehmen ausmachen, die andere Lösungen suchen."
Marktanteile der anderen Hersteller
Auf Rang zwei nach Anteilen am Weltmarkt behauptete sich im zweiten Quartal der koreanische Samsung-Konzern mit einem Marktanteil von 15,2 Prozent nach 13,3 Prozent ein Jahr zuvor.
Weiter an Gewicht verlor der US-Hersteller Motorola, der von 14,5 auf nur noch zehn Prozent abrutschte. Den Amerikanern sitzt nun der koreanische Wettbewerber LG im Nacken, der den Marktanteil um zwei Prozentpunkte auf 8,8 Prozent ausbauen konnte. Das Gemeinschaftsunternehmen Sony Ericsson schwächelt hingegen - der Marktanteil sank von 8,9 auf 7,5 Prozent.
Symbian vs. Googles Android
Ende Juni kündigte Nokia an, den Betriebssystementwickler Symbian zur Gänze zu übernehmen. In Kooperation mit Sony Ericsson, Motorola und NTT DoCoMo soll nun eine gemeinsamen Plattform für mobile Software entstehen. Einzelne Komponenten dieser Pattform sollen weiters als Open Source zur Verfügung gestellt werden.
Auch Google hatte sich zuletzt mit seinem eigenen Handybetriebssystem Android auf dem Markt positioniert. Erste Geräte sollen im Herbst in den Handel kommen. "Ich glaube nicht, dass Android den mobilen Markt grundlegend verändern wird", sagte Pedersen gegenüber ORF.at. "Symbian funktioniert bereits jetzt am besten, und das wird es auch in Zukunft. In Verbindung mit der größten Zahl an Drittanbietern und -programmierern sehen wir Symbian als Schlüsselfigur, wenn es um Open-Source-Plattformen in der mobilen Industrie geht - was natürlich im Gegensatz zu Googles Plänen mit Android steht."
Kooperieren werde Nokia dabei mit jedem, der Teil dieser Open-Source-Plattform werden möchte. Für den Endkonsumenten bedeute diese Weiterentwicklung in erster Linie die "Freiheit der Wahl - an Zusatzsoftware und Services, die er sich nach seinen eigenen Bedürfnissen zusammenstellen kann". Derzeit seien über 200.000 externe Entwickler und Programmierer an Bord. "Es wird einen Boost für die gesamte Serviceindustrie geben, was im Endeffekt auch von Vorteil für den Endnutzer ist."
Services und neue Geschäftsmodelle
Der stärkste Fokus liege bei Nokia künftig auf den Services. "Bezahlservices, Revenue-Sharing mit den Betreibern oder der Verkauf von Software werden sicher einen Teil des Nokia-Geschäftsmodells der Zukunft ausmachen - das ist unsere strategische Absicht", so Pedersen.
Wichtig seien dabei leicht zu installierende oder vorinstallierte Anwendungen, die auch funktionieren. "Damit gilt es dann, nicht nur die sogenannnten Early Adopters anzulocken, sondern einen breiten Markt - und da liegt die Herausforderung. Ohne die kritische Masse lassen sich diese Dinge nicht finanzieren - das liegt also nächstes Jahr vor uns."
Zuletzt schlossen sich immer mehr Handyhersteller diversen Linux-Allianzen an mit dem Ziel, Linux auch als Betriebssystem für Handys zu positionieren und zu propagieren.
(futurezone | Nayla Haddad)