Eins und Null für Google

07.09.2008

Am 7. September 1998 haben die US-Studenten Sergey Brin und Larry Page ihr Unternehmen Google gegründet und damit die Welt verändert. Brin und Page waren der Zeit dabei so weit voraus, dass sie die härteste Kritik an Google schon vor zehn Jahren selbst abgefasst haben.

Googol, das Zahlwort, das dem Projekt von Brin und Page seinen Namen lieh, bezeichnet eine Eins, gefolgt von hundert Nullen. Das ist ein fast schon zu schönes Bild für den derzeitigen Zustand des Suchmaschinenmarkts.

Auch was das Firmenalter angeht, hat es Google mit dem 7. September 2008 nun geschafft, eine Null hinter sich zu bringen. Im Internet sind zehn Jahre eine halbe Ewigkeit, speziell dann, wenn der Hauptgegner Microsoft heißt.

Brins und Pages zentrale Innovation bestand darin, den Menschen bei der Ordnung der Relevanz von Informationen mehr Kompetenz zugestanden zu haben als den Maschinen. Google mag zahlreiche Rechenzentren besitzen, aber am wertvollsten für den Konzern ist nach wie vor die verteilte Rechenkraft von Millionen menschlicher Gehirne, die Inhalte erarbeiten und vor allem bewusst Links auf Seiten setzen, die andere menschliche Gehirne interessieren könnten.

Google lässt Gehirne rechnen

PageRank, die erste Grundlage für den Erfolg von Google, nutzt "die kollektive Intelligenz des Webs, um die Relevanz einer Webseite festzustellen", wie es auf der Website des Konzerns heißt. Mittlerweile, so heißt es dort weiter, flössen über 200 Kritierien in die Bewertung der Links ein.

Wie viele Suchmaschinenoptimierer es gibt, deren einziger Daseinszweck darin besteht, die Websites ihrer Kunden im Google-Index mit allen Tricks so weit nach vorne wie möglich zu boxen, das verrät die mächtigste Suchmaschine der Welt allerdings nicht.

In Deutschland hat der Suchmaschinenoptimierer den Journalisten auch bei renommierten Zeitungsverlagen schon als Gatekeeper abgelöst. Wichtiger als die Inhalte ist deren prominente Platzierung bei Google News.

Weltweite Marktführerschaft

Der deutsche IT-Branchenverband BITKOM hat Zahlen des Marktforschungsunternehmens ComScore vom Juli 2008 publiziert, nach denen Google einen weltweiten Suchanfragen-Marktanteil von 60,4 Prozent hat.

In Deutschland ist Googles Popularität noch höher, dort vereint es 79,8 Prozent der Suchanfragen auf sich. Weltweit liegt Yahoo mit 10,8 Prozent an zweiter Stelle. Microsoft wurde von der chinesischen Suchmaschine Baidu [9,2 Prozent] überholt und liegt mit 2,9 Prozent auf Platz vier.

Medien drängen auf den Index

Eine gute Position im Google-Index bringt schließlich sehr viel Nutzerverkehr, und der wiederum lässt sich an Werbekunden verkaufen. Wobei wir beim zweiten Standbein von Google angelangt wären: dem Textanzeigenprogramm AdSense. AdSense, das kleine Textanzeigen passend zum Inhalt einer Webseite an den Nutzer liefert, ist der Grundstock des Werbegeschäfts, das 2007 immerhin 96 Prozent des 16,6 Milliarden US-Dollar umfassenden Umsatzes von Google einfuhr.

Im Gegensatz zu PageRank ist AdSense allerdings keine Erfindung des Google-Stammpersonals. Das Konzept wurde 2003 mitsamt dem eigentlichen Entwickler, der US-Firma Applied Semantics, für 102 Millionen US-Dollar zugekauft. Die restlichen Google-Produkte vom Ratgebersystem Knol über das Online-Office Google Docs bis hin zum brandneuen Browser Chrome sind bisher nur Dekoration.

Denn Google hat, wie Microsoft, ein klares Geschäftsziel. Bill Gates wollte auf jedem Schreibtisch der Welt einen Computer sehen, der mit einem seiner Betriebssysteme läuft. Google will das Weltwissen mit seinen Systemen optimal organisieren, über das Netz zugänglich machen und es als Werbeträger nutzen. Beide Konzerne verfolgen ihre jeweiligen Ziele unter beträchtlichem Einsatz von Kapital und Intelligenz.

Back to the future

Die Abhängigkeit vom Werbegeschäft ist es aber, die Google in ein Problemfeld laufen lässt, das Brin und Page in ihrem grundlegenden wissenschaftlichen Aufsatz zur Funktionsweise von Google aus dem Jahr 1998 schon klar gesehen und dort an prominenter Stelle erwähnt haben: "Manche Werber versuchen, die Aufmerksamkeit von Menschen dadurch auf sich zu ziehen, indem sie Maßnahmen ergreifen, mit denen sie Suchmaschinen in die Irre führen", heißt es da, und: "Das Web ist in letzter Zeit immer heftiger kommerzialisiert worden".

So weit, so aktuell. Doch Brin und Page gehen in ihrer Kritik von 1998 noch weiter: "Gleichzeitig ist die Entwicklung von Suchmaschinen aus dem akademischen in den kommerziellen Bereich abgewandert", beschweren sie sich. "Bisher hat der größte Teil der Suchmaschinenentwicklung in Firmen stattgefunden, die wenige technische Details publiziert haben. Dies hat dazu geführt, dass die Suchmaschinen zugrunde liegende Technologie weitestgehend eine Schwarze Kunst geblieben ist und sich auf die Bedürfnisse der Werbung konzentriert."

Der Aufsatz von Brin und Page, mit dem sie 1998 Google vorstellten, ist bei der Universität Stanford online frei verfügbar.

Google-Bashing von Brin und Page

Präziser hätte es auch der härteste zeitgenössische Google-Kritiker nicht formulieren können. Als Gegenmittel gegen das Google von 2008 schlagen der Brin und der Page von 1998 übrigens vor, "mehr Entwicklungskapazitäten und Kompetenz in den akademischen Bereich zu verlagern".

1998 war Google noch ein vom staatlichen US-Forschungsfonds National Science Foundation [NSF] finanziertes Projekt im Rahmen der Digital Libraries Initiative. Mit Hilfe des Risikokapitalgebers Sequoia haben Brin und Page ihr öffentlich gefördertes Know-how erfolgreich in die Privatwirtschaft überführt. Eine frühe Finanzierungsrunde aus dem Jahr 1999 brachte Google 25 Millionen US-Dollar ein. Die NSF scheint darauf stolz zu sein, dass Brin und Page keine Wissenschaftler mehr sind, sondern Unternehmer.

Tröstlich an alldem ist, dass sich auch heute noch Intelligenz und Weitsicht durchaus bezahlt machen können. Sergey Brin, 34, ist laut "Forbes" heute 18,7 Milliarden US-Dollar schwer, Larry Page bringt 18,6 Milliarden Dollar auf die Waage. Google hat im Geschäftsjahr 2007 gut 4,2 Milliarden US-Dollar verdient. Die weiteren Aussichten: sonnig.

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(futurezone | Günter Hack)