Die Überwachungskostenwelle rollt

15.09.2008

Allein für die Installation von Telefonüberwachungsgeräten zahlen die Österreicher 17 Millionen Euro an die heimischen Telekomunternehmen. Die Wirtschaftskammer schätzt die tatsächlichen Kosten auf 30 Millionen Euro. Mit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung rollt schon die nächste Welle an Überwachungstechnologie auf Bürger, Provider und Budgets zu.

"Die Verordnung ist ein guter Kompromiss", sagt Rene Tritscher, Geschäftsführer des Wirtschaftskammer-Fachverbands der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmen. WKÖ und Telekoms haben seit 2003 über die Entschädigung für die Kosten verhandelt, die ihnen aus der Einrichtung von Schnittstellen für die Telefonüberwachung entstanden sind.

Am 11. September hat die Regierung über eine Verordnung des Justizministeriums den Providern 17 Millionen Euro Kostenersatz gewährt. Sie leistete damit einem Spruch des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2003 Folge.

Bei den Verhandlungen darüber seien alle österreichischen Telekomprovider eingebunden gewesen. "Im letzten Jahr haben wir dann einen politischen Willen gesehen, sich damit zu beschäftigen", so Tritscher zu ORF.at.

Für den Verband alternativer Telekomnetzbetreiber [VAT] begrüßte Sprecherin Ute Rabussay die Aktion des Ministeriums: "Wir betrachten das als eine gute Lösung, um die Kosten aus der Vergangenheit erstattet zu bekommen."

30 Millionen Euro für Überwachung

Die tatsächlichen Ausgaben der Telekoms für die standardisierten Überwachungsschnittstellen hätten insgesamt "gegen 30 Millionen Euro" betragen, sagt Tritscher. Dabei stehen die nächsten Überwachungsmaßnahmen schon in der Pipeline. Die EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung [VDS; Data-Retention], sprich der anlasslosen Speicherung sämtlicher Telefonie-, Handystandort- und Internet-Verbindungsdaten, wird derzeit zwar vor dem Europäischen Gerichtshof auf Klage von Irland hin verhandelt, dürfte aber, wenn sie durchkommt, nochmals erhebliche Kosten bei Telefonie- und Internet-Providern verursachen.

Hintergrund:

Nur alte Ausgaben werden erstattet

Zur Vorgeschichte: Im Februar 2003 hatte der Verfassungsgerichtshof erkannt, dass der Staat die Kosten für den Betrieb von Telefonüberwachungsanlagen nicht den Telekoms aufbürden darf. Auslöser dafür war die Überwachungsverordnung der ÖVP-FPÖ-Regierung aus dem Jahr 2001 [ÜVO].

Dieser Entscheidung hat die derzeitige SPÖ-ÖVP-Regierung am 11. September dadurch Rechnung getragen, dass das Justizministerium den Telekoms 90 Prozent der Investitionskosten für den Einbau standardisierter Überwachungsschnittstellen gemäß ETSI-Standard - maximal 17 Millionen Euro - in Aussicht gestellt hat. Die Kosten für den laufenden Betrieb und die Vergütung einzelner Überwachungsaktionen sind davon ausgenommen.

Die Telekoms haben ab 1. Oktober drei Monate Zeit, um ihre Anträge auf Ersatz der Kosten aus Anschaffung, Einrichtung, Netzanpassung und Lizenzen zu stellen. Die Verordnung "ist auf Investitionen anzuwenden, die ein Betreiber vor ihrem Inkrafttreten aufgewendet hat".

Die Verordnung setzt damit auch ein klares Zeichen für die Zukunft: Wenn eine Regierung mehr Überwachung will, wird sie dafür auch in die Steuerkasse greifen müssen.

Data-Retention - neue ETSI-Schnittstelle

Wie teuer die Data-Retention Staat, Bürger und Provider kommen wird, sei noch nicht abzuschätzen, so Tritscher: "Da wäre jede Schätzung unseriös. Es kommt darauf an, welche Daten wie lange gespeichert werden müssen." In Deutschland ist die Data-Retention-Richtlinie bereits seit Jänner 2008 umgesetzt; die Rahmenbedingungen dort stehen fest.

Der deutsche Internet-Wirtschaftsverband eco schätzte im März 2008 die Kosten für die Implementierung der VDS allein bei den deutschen Internet-Providern und der vorgeschriebenen Speicherfrist von sechs Monaten auf 330 Millionen Euro.

Auch die Geheimdienstmitarbeiter, die im europäischen Telekom-Standardisierungsinstitut ETSI die nächste Generation der Überwachungsschnittstellen definieren, sind nicht untätig geblieben. Das zuständige Technische Komitee [TC LI] hatte bereits im Mai 2007 ein Pflichtenheft für die nächste Generation der Überwachungsschnittstelle vorgelegt, die auch den Zugriff auf die Informationen aus der Data-Retention regeln soll. Auch diese Schnittstelle werden die österreichischen Provider implementieren müssen, wenn die Politik entsprechend entscheidet. Tritscher: "Bei neuem Investitionsbedarf werden wir mit der neuen Regierung abermals verhandeln müssen."

Tritscher wünscht sich von der nächsten Regierung auch eine Vereinheitlichung der Vergütung aus den Folgen der Mitwirkungspflichten der Provider, die sich etwa aus Urheberrechtsgesetz, Sicherheitspolizeigesetz und E-Commerce-Gesetz ergeben. Das Sicherheitspolizeigesetz sieht nach der letzten Novelle vom 6. Dezember 2007 etwa vor, dass die Telekoms gemäß Überwachungskostenverordnung für ihre Hilfestellung gegenüber den Behörden bezahlt werden - die Internet-Provider allerdings nicht.

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Kosten in Millionenhöhe

Klaus Steinmaurer, Chefjurist des zweitgrößten österreichischen Mobilfunkers T-Mobile, beziffert die Kosten für die Implementation der ETSI-Schnittstelle im eigenen Unternehmen auf "vier oder fünf Millionen Euro". Die Kosten bei der Telekom Austria, mit der T-Mobile beim Streit über die Kostenverordnung eng zusammengearbeitet habe, schätzt er auf 20 Millionen Euro.

"Ich bin froh, dass wir diesen Kompromiss gefunden haben", sagt Steinmaurer, "Jeder Provider kann nun einen Antrag stellen." Was die Data-Retention angeht, so sieht Steinmaurer auf die Provider neue Kosten für die Anschaffung von Software und Anwendungen zukommen. "Speicher kostet nicht mehr so viel, aber die Anwendungen werden teuer", so Steinmaurer, der sich angesichts der noch fehlenden Umsetzung der Data-Retention-Richtlinie in Österreich auch noch nicht auf eine Schätzung der entsprechenden Kosten festlegen mag.

"Disziplinierte" Polizei

Zur alltäglichen Abfragepraxis durch die Polizei sagt Steinmaurer, dass diese mittlerweile "einen sehr disziplinierten Umgang" mit den neuen Überwachungsvorschriften übe. "Entscheidend war hier der Erlass des Innenministers, mit dem sich die Polizei selbst Restriktionen auferlegt hat", so Steinmaurer, "allerdings ist damit keinerlei Rechtssicherheit gegeben, da der nächste Innenminister den Erlass ganz einfach wieder aufheben kann."

Eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, vor dem mehrere Klagen gegen das novellierte Sicherheitspolizeigesetz [SPG] anhängig sind, erwartet Steinmaurer für Dezember. Die Anzahl polizeilicher Anfragen gemäß SPG bei T-Mobile beziffert Steinmaurer auf derzeit "weniger als 100 pro Monat".

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Im Februar hatte der damalige Innenminister Günther Platter [ÖVP] nach heftigen Protesten von Wirtschaftskammer und Providern einen internen Erlass herausgegeben, der nur 13 Dienststellen erlaubt, bei den Providern mit entsprechendem Formular Handystandortdaten und IP-Adressen gemäß SPG abzufragen.

(futurezone | Günter Hack)