Space Based Computing: P2P für Profis

28.09.2008

Ein Team der TU Wien arbeitet an Space Based Computing, einem Netzwerkkonzept, das effizienter arbeiten soll als die üblichen Client-Server-Lösungen. Doch das tief in der IT-Branche verwurzelte hierarchische Denken macht es schwer, potenzielle Kunden für das neue System zu interessieren.

Wikis haben es ermöglicht, dass verschiedene Menschen, die sich an unterschiedlichen Orten befinden, auf sehr einfache Weise an gemeinsamen Daten arbeiten können. Diese Form des Zusammenarbeitens hat sich sehr rasch verbreitet und völlig neue Projekte und Inhalte entstehen lassen.

Das berühmteste ist Wikipedia, die Online-Enzyklopädie. Das verteilte Arbeiten an gemeinsamen Daten ist schon seit längerem möglich - auch mit anderen Systemen. Doch hinter der Benutzeroberfläche ist es mit der Demokratie nicht weit her, denn zwischen den Rechnern herrscht in den meisten Firmennetzen eine strenge Hierarchie. Die Daten sind im Zentrum auf einem Server gespeichert, und ein strikt hierarchisches System an Kontrollen regelt den Zugriff.

Eva Kühn, Wissenschaftlerin am Institut für Computersprachen der Fakultät für Informatik der Technischen Universität Wien, will das ändern. Gemeinsam mit ihrem Team arbeitet sie an einem Konzept, das sie Space Based Computing nennt.

Eleganter rechnen

Eva Kühn, Professorin am Institut für Computersprachen der Informatikfakultät der TU Wien, bemüht sich seit mehr als zehn Jahren um einfache, minimalistische und "schöne" Lösungen in der Computerwelt.

Mit dem Space Based Computing glaubt sie, einen großen Schritt in diese Richtung weitergekommen zu sein. Bei Space Based Computing werden in einem eigens dafür geschaffenen, gemeinsamen virtuellen Datenraum - dem Space - einzelne Software-Teile koordiniert.

Gleichberechtigte Rechner können in diesem Raum Daten austauschen und so effizienter miteinander kommunizieren. Das geschieht in Echtzeit und weitaus unkomplizierter als herkömmliche Client-Server-Architekturen.

Menschen, die gemeinsam an einem Dokument arbeiten, schicken heute im Idealfall auch keine E-Mails mit Dateien mehr hin und her, wobei Konflikte zwischen den einzelnen Versionen entstehen können, sondern verwenden ein Wiki oder andere Werkzeuge zur vernetzten Zusammenarbeit. Warum sollten das nicht auch Computersysteme tun?

Straßenkreuzung und Restaurant

Statt sich gegenseitig Nachrichten mit Befehlen und Ergebnismeldungen zu schicken, schauen die Systeme also sozusagen auf eine gemeinsame Tafel. Das sei intuitiver, ausfallsicherer und effizienter als das herkömmliche System, so Kühn.

Zur besseren Anschaulichkeit zieht sie den Vergleich mit einer Straßenkreuzung: Herkömmliche Computersysteme arbeiten so, als ob jeder Autoverkehr, der zu einer Kreuzung kommt, alle anderen dort eintreffenden Autofahrer anrufen müsste, um zu klären, wer als Nächster fahren darf.

Weil das viel zu kompliziert und zu langwierig wäre, gibt es eine Verkehrsampel, auf die alle Verkehrsteilnehmer schauen können. Die Ampel entspricht damit grob vereinfacht dem Space, in dem Software-Teile Informationen austauschen können.

Wie sie darauf reagieren sollen, veranschaulicht das Restaurantbeispiel: In einem gut funktionierenden Restaurant meldet der Kellner die Bestellung in die Küche, und dort weiß jede Person, wann sie was tun muss, damit die Gäste am Ende alle bestellten Gerichte gleichzeitig auf dem Tisch haben.

Bei Space Based Computing agieren die einzelnen Software-Teile also autonom. Sie warten nicht auf Befehle und führen diese sofort aus, sondern sie schauen sozusagen in den Datenraum und entscheiden, wenn sie dort eine Aufgabe vorfinden, wann und wie sie diese am besten ausführen sollen.

Das Peer-to-Peer-Prinzip

Die Forschergruppe um Kühn hat bereits eine Infrastrukturtechnologie für Space Based Computing entwickelt. Es ist eine Art Peer-to-Peer-Software, mit der die einzelnen Systeme miteinander kommunizieren können.

Mit dieser Infrastrukturtechnologie können Software-Entwickler dann die entsprechenden Anwendungen bauen. Die Peer-to-Peer-Software liegt bereits in einer Betaversion vor und kann von der Website der Forschergruppe heruntergeladen werden für darauf aufbauende Entwicklungen.

Man könnte meinen, die Software-Entwickler würden sich sofort darauf stürzen. Tatsächlich aber erfordert das neue Paradigma offenbar auch ein komplettes Umdenken. Ralf Westphal aus Hamburg, der sich als "One Man Think Tank" bezeichnet, hat im Space-Based-Computing-Team die Aufgabe übernommen, das neue Paradigma gegenüber der Software-Entwicklergemeinschaft zu kommunizieren - und das sei gar nicht so einfach. Eine wichtige Botschaft sei, dass der wahre Nutzen von Spaces in der Synergie bestehe. Das neue System kann seine Stärken erst dann ausspielen, wenn man es in bereits bestehende Umgebungen integriert.

Besonders wichtig werde Space Based Computing für Anwendungen auf mobilen, vernetzten Geräten werden und für das Internet der Zukunft - sprich für die Weiterentwicklung kollaborativer Software und für das Semantic Web. Space Based Computing unterstütze einerseits demokratische, nichthierarchische Arbeitsweisen, und es werde andererseits erfordern, dass Organisationen, die Software entwickeln, in Zukunft weniger hierarchisch strukturiert sind, meint Westphal.

Heute Abend in "matrix"

Mehr zum Thema hören Sie am Sonntag um 22.30 im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".

(matrix | Sonja Bettel)