Datenmissbrauchsvorwurf gegen "Öffis"
Bei den Wiener Linien soll es nach einem Bericht der "Wiener Zeitung" zu Datenmissbrauch bei der Videoüberwachung gekommen sein. Videoaufnahmen sollen zudem deutlich länger gespeichert werden als erlaubt. Die Wiener Linien stellen das in Abrede.
Die Videoüberwachungsaufnahmen der Wiener Linien seien offenbar deutlich länger gespeichert worden als von der Datenschutzkommission genehmigt, berichtete die "Wiener Zeitung" in ihrer Dienstag-Ausgabe. Auch Missbräuche beim Zugriff auf die Aufnahmen sollen stattgefunden haben. Eine Anzeige bei der Datenschutzkommission sei deshalb anhängig, so die "Wiener Zeitung" weiter.
Dem Blatt liegen auch Hinweise darauf vor, dass einige Überwachungskameras in U-Bahn-Stationen vorschriftswidrig angebracht wurden. Die Daten aus der Videoüberwachung sollen darüber hinaus nur ungenügend gesichert sein, schrieb die Zeitung unter Berufung auf "Wiener-Linien-Kreise".
Die Wiener Linien bestritten die Vorwürfe gegenüber ORF.at. Mit den Anschuldigungen wolle sich ein unzufriedener Mitarbeiter der Wiener Linien bei seinem Arbeitgeber rächen, sagte Wiener-Linien-Sprecher Johann Ehrengruber.
Längere Speicherung
Laut "Wiener Zeitung" sollen in mindestens einem Fall Daten aus der Videoüberwachung durch nicht befugte Mitarbeiter eingesehen, abgespeichert und vervielfältigt worden sein. Konkret ging es in dem Fall um Schadenersatzansprüche eines Fahrgastes, der sich im Dezember 2007 in der U-Bahn-Station Siebenhirten verletzt haben soll.
Die Wiener Linien konnten die Vorwürfe des Fahrgastes durch Videobeweise entkräften. Die Aufnahmen wurden laut "Wiener Zeitung" jedoch erst rund zwei Monate später, im Februar 2008, bei den Wiener Linien ausgehoben.
Eine Vorgehensweise, die zu den Datenschutzauflagen für die Videoüberwachung bei den Wiener Linien im Widerspruch stehen könnte. Diese durften bis zum 30. September dieses Jahres ihre Aufzeichnungen nur 48 Stunden lang speichern [am 1. Oktober wurde die Frist laut Datenschutzkommission auf 120 Stunden erweitert]. Auch die Legitimität der Nutzung des Überwachungsvideos in einem solchen Fall ist zumindest fragwürdig.
Unberechtigter Zugriff
Der Zugriff auf die Daten soll darüber hinaus nicht, wie in den Auflagen zur Videoüberwachung festgeschrieben, von extra dazu befugten Personen vollzogen worden sein. Der Vorfall wurde intern untersucht. Konsequenzen gab es keine.
Einem Mitarbeiter, der den Fall bei der Datenschutzkommission [DSK] im Bundeskanzleramt zur Anzeige bringen wollte, wurde ein Disziplinarverfahren angedroht. Das geht aus einem mit 5. Februar 2008 datierten internen Aktenvermerk hervor, der auch ORF.at vorliegt.
"Als Beweismittel gesichert"
Die Wiener Linien stellten die Vorwürfe in Abrede. Die Aufnahmen seien innerhalb der zum damaligen Zeitpunkt erlaubten 48 Stunden als Beweismittel auf einem Datenträger gesichert worden, sagte Wiener-Linien-Sprecher Ehrengruber. Der Datenschutzbeauftragte habe das überprüft.
Das Unternehmen habe sich mit den Aufnahmen gegen ungerechtfertigte Vorwürfe des Fahrgastes schützen wollen, so Ehrengruber. Anschuldigungen von Fahrgästen seien auch ein Versuch, das Unternehmen zu schädigen, "so wie auch beim Vandalismus". Ehrengruber sprach gegenüber ORF.at ausdrücklich von einer "legitimen Anwendung".
Bei der Datenschutzkommission bestätigte man den Eingang einer Beschwerde. Man könne zu laufenden Verfahren allerdings keine Auskunft geben, hieß es gegenüber ORF.at.
Anlassfälle, in denen der Datenspeicher zur Auswertung herangezogen werden darf, beschränken sich auf Vandalismus und Übergriffe auf Mitarbeiter oder Fahrgäste, sagte Ehrengruber im April 2007 zu ORF.at.
Kameras in der Kritik
Daneben sollen die Wiener Linien Überwachungskameras auch vorschriftswidrig angebracht haben, schreibt die "Wiener Zeitung". So werde etwa bei der U2-Station Stadion auch das Geschehen auf dem Vorplatz und in der Meiereistraße aufgezeichnet. Die Datenschutzkommission erlaube den Wiener Linien jedoch lediglich die Überwachung von "Bahnsteigen, Fahrtreppen, Hauptstiegen, Vestibülen und Aufzügen".
Die Wiener Linien wiesen gegenüber ORF.at auch diesen Vorwurf zurück. Die angesprochenen Kameras würden nicht aufzeichnen, sondern Livebilder liefern, die lediglich am Monitor der Stationsüberwachung sichtbar seien, so der Unternehmenssprecher: "Das ist datenschutzrechtlich legitim."
ORF.at liegen, ebenso wie der "Wiener Zeitung", Screenshots von Aufnahmen dieser Kameras vor.
Zweifel an Datensicherung
Auch bei der Sicherung der Daten sollen die Wiener Linien gegen die Auflagen der DSK verstoßen, so die Zeitung unter Berufung auf Quellen aus dem Unternehmen. Die Daten würden nicht verschlüsselt und auf Servern gespeichert, die "rechtswidrig am Netzwerk hängen".
"Das ist Quatsch", so Ehrengruber. Bei der Videoaufzeichnung der Wiener Linien würden die Daten durch eine spezielle Software verschlüsselt auf einem Datenträger gespeichert und automatisch nach der erlaubten Speicherdauer von derzeit 120 Stunden wieder überschrieben.
"Nicht überraschend"
Für Hans Zeger von der ARGE Daten kommen die Vorwürfe nicht überraschend. Dass so etwas passieren würde, sei absehbar gewesen: "Alles andere hätte mich gewundert", sagte Zeger zu ORF.at. Er kenne auch einige andere Fälle, bei denen Videoüberwachungsaufnahmen dazu verwendet wurden, um Ansprüche abzuwehren: "Das funktioniert auch am besten."
Wenn gesetzlich vorgeschriebene Bestimmungen bei der Videoüberwachung nicht eingehalten werden, passiere faktisch nichts. Es handle sich lediglich um eine Verwaltungsübertretung, die mit maximal 19.000 Euro bestraft werden könne, kritisierte Zeger: "Betroffene Personen haben nicht einmal Parteienstellung."
Zeger forderte strengere Regeln. Für Betroffene müsste zumindest Parteienstellung geschaffen werden. "Betroffene müssten auch verpflichtend informiert werden, wenn Daten unrechtmäßig verwendet werden oder verloren gehen", so Zeger. Angesichts einer "beschämenden Rechtslage" und der Art und Weise, wie diese Rechtslage exektuiert werde, verstehe er das Verhalten der Wiener Linien.
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(futurezone | Patrick Dax)