© Bild: Redvsblue, Machinima-Soldat

Angriff der Machinimas

medien
09.11.2008

Machinimas sind Filme, die auf technischer Grundlage von Computerspielen produziert werden. Waren diese günstig produzierten Videos früher Teil einer Gamer-Subkultur, so stoßen sie nun verstärkt in den medialen Mainstream vor.

Die Anfänge von Machinima gehen zurück in die 1990er Jahre, als Computerspiele wie "Doom" und "Quake" erstmals nicht nur mit aufwendigen 3-D-Kulissen aufwarteten, sondern auch mit einer speziellen Funktion, die es den Spielern erlaubte, ihre Spielzüge und "Speed Runs" aufzunehmen und später noch einmal abzuspielen.

Der Leipziger Physiker und IT-Spezialist Uwe Girlich analysierte damals mittels "Reverse Engineering" den - noch nicht frei zugänglichen - Quellcode der Games und schrieb in der Folge das Software-Programm Little Movie Processing Centre [LMPC], mit dessen Hilfe sich die Aufnahmefunktion in den Games nachträglich manipulieren ließ. Damit wurde Filmemachen im Computerspiel und mit den Mitteln des Computerspiels möglich.

Noch im selben Jahr, 1996, als Girlich LMPC im Internet veröffentlichte, begannen Gamer damit, kurze Filme zu produzieren. Allen voran The Rangers, ein Clan, der mit "Diary of a Camper" den ersten durchdachten und gescripteten "Quake Movie" schuf.

Von Quake-Replay zum Film

Die Bezeichnung "Quake Movies" hielt sich bis ins Jahr 2000. In diesem Jahr kreierte und popularisierte der Brite Hugh Hancock die Bezeichnung "Machinima" - eine Begriffskonstruktion aus "Machine", "Animation" und "Cinema".

Die frühen Machinimas entstanden meist nach demselben Prinzip: Die Figuren in einem Computerspiel wurden von mehreren Gamern auf der Grundlage einer vorher festgelegten Regie herumbewegt und dazu improvisierte oder auch gescriptete Dialoge gesprochen.

Auch eine der berühmtesten Machinima-Serien, "Red vs. Blue", deren erste Episode 2003 ins Netz gestellt wurde, entstand auf diese Art - sie zeigt Hightech-Soldaten aus dem Computerspiel "Halo", die sich in philosophische und selbstreferenzielle Gespräche verstricken.

Kurzfilme und Speed Runs

Machinimas werden mittlerweile auch im Rahmen von Kurzfilmfestivals und manchmal sogar schon in einer eigenen Kategorie gezeigt. Die zentrale Plattform für Machinima-Filme findet sich allerdings online - unter der Web-Adresse Machinima.com.

Die im Jahr 2000 ins Leben gerufene und ins Netz gestellte Plattform ist primär nach Channels strukturiert. Um jedes Game herum hat sich dort eine eigene Subcommunity gebildet, die mit diesen Games Machinimas produziert - von "Halo" und "Half Life" über "The Sims" und "World of Warcraft" bis zu ganz aktuellen Games wie "Mirror's Edge" und "Grand Theft Auto 4".

Ebenso breit ist auch die Palette an Inhalten, Storys und Stilen, die mit Hilfe dieser Games erzeugt werden - sie reicht von simplen "Speed Run"-Mitschnitten bis hin zu qualitativ hochwertigen Kurzfilmen junger Animationskünstler, die statt mit aufwendigen und teuren 3-D-Trickfilmprogrammen mit Game-Engines gemacht wurden.

Geschäft mit Machinima läuft an

Die spezialisierte Videoplattform Machinima.com gab erst am Donnerstag bekannt, in einer Finanzierungsrunde 3,85 Millionen US-Dollar von Risikokapitalgebern eingesammelt zu haben - mitten in der Wirtschaftskrise eine beachtliche Leistung.

Die Website hat nach eigenen Angaben rund drei Millionen Unique User im Monat.

"South Park"-Episode als Meilenstein

Als Meilenstein in der öffentlichen Wahrnehmung von Machinimas dient eine "South Park"-Episode aus dem Jahr 2006, "Make Love, Not Warcraft", die von den Machern der Serie über weite Strecken in das Massive-Mulitplayer-Online-Rollenspiel "World of Warcraft" verlegt wurde.

Inhalte wichtiger als Technik

Für den Machinima.com-Chef Allen DeBevoise ist diese in weiterer Folge auch mit einem Emmy Award - dem amerikanischen Fernseh-Oscar - ausgezeichnete Episode von "South Park" Inspiration und Vorbild für die gesamte Machinima-Community:

"Bei den erfolgreichsten Zeichentrickserien im amerikanischen Fernsehen wie den 'Simpsons', 'Family Guy' und 'South Park' handelt es sich nicht um aufwendige Animationen. Diese Serien sind wegen der Inhalte und der Figuren so erfolgreich; die Animation hingegen ist verhältnismäßig simpel. Und darin steckt eine wichtige Lektion."

Simpel und witzig

"Natürlich ist es fantastisch, was eine Computer-Trickfilmschmiede wie Pixar so produziert. Aber man kann auch mit viel einfacheren Mitteln Erfolg haben, wenn die Story und die Figuren gut sind. Auch mit einer Game-Engine oder einem Game kann man Spektakuläres erschaffen. Siehe die "South Park"-Episode, die im Wesentlichen nur mit den Mitteln des Games gearbeitet hat - und es hat funktioniert", sagt DeBevoise.

"Eine weitere aktuelle Erfolgsgeschichte ist die Spieldoku 'Molotov Alva', die vom Filmemacher und Multimedia-Künstler Douglas Gayeton entwickelt und vom großen US-Kabelsender HBO aufgekauft wurde. Der Clou dabei: 'Molotov Alva' spielt ausschließlich im Spieluniversum von 'Second Life'."

Fernsehen und Games fusionieren

Für DeBevoise liegt das Erfolgsgeheimnis auch für zukünftige Machinimas in der Verbindung von Fernsehen, Computerspiel und Online-Communitys.

"Es gibt elf Millionen 'World of Warcraft'-Fans und 15 Millionen 'Halo'-Fans oder so etwas in der Richtung, und diese Fans verbringen unglaublich viel Zeit in diesen Game-Welten. Wenn dann jemand eine Show wie 'Red vs. Blue' macht, dann findet diese automatisch eine starke Resonanz - nämlich innerhalb der Community, die sich rund um das Game gebildet hat. Und wenn dann zwei große Brands wie 'South Park' und 'World of Warcraft' zusammenkommen, dann entstehen dabei große Zugriffszahlen", so DeBevoise.

"Natürlich ist eine klassische Erscheinungsform von Machinima der Einsatz von Echtzeit-Game-Engines, um günstig Computeranimationen herstellen zu können. Aber ich finde es fast revolutionärer, wenn man auf diese Art und Weise Storys kreiert, die innerhalb dieser Game-Welten spielen. Durch die Rückkopplung mit dem Game und seiner Community steigt dann auch die Chance, etwas zu erschaffen, das großen Erfolg findet."

Machinimas in Österreich

Machinimas werden, wenn auch in geringer Zahl, auch in Österreich produziert. Dazu zählt etwa "Santa Austria", ein Machinima, das der Wiener Multimedia-Designer Jo Korntheuer mit Hilfe des Games "The Movies" aufgenommen hat. Die nicht ganz jugendfreie Geschichte über einen griesgrämigen Weihnachtsmann konnte dank eingeblendeter Untertitel und einer gut gesetzten Schlusspointe auch international Erfolge feiern.

Interviews mit Jo Korntheuer, Machinima.com-Chef Allen DeBevoise und Machinima-Wegbereiter Uwe Girlich gibt es heute Abend um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix" zu hören.

(matrix | Richard Brem)