"Strom-Internet" als Störsender

AMTLICH
09.01.2006

Die Linz AG zieht gegen den Bescheid des Verkehrsministeriums, dass die Funkstörungen durch die Powerline-Technologie die ÖVE/Önorm-Grenzwerte im Normalbetrieb um ein Vielfaches überschreiten und daher abzustellen sind, vor den Verwaltungsgerichtshof.

"Wir werden gegen den Bescheid des Verkehrsministeriums Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof einlegen", sagte Franz Heinzl von der Linz AG, die über ihre Tochter Speed-Web Internet-Zugänge via Stromnetz vertreibt.

Der Bescheid sei vor allem unpräzise, da immer nur von "Störpotenzial", nicht aber von konkreten Störungen die Rede sei.

Gegen den Bescheid des Verkehrsministeriums in zweiter Instanz, dass die durch die "Powerline"-Modems des Speed-Web nachweislich verursachten, hochfrequenten Störungen des Frequenzspektrums abzustellen sind, ist nur noch eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof möglich.

"Stromversorgungsnetz nicht geeignet"

Wie die zwischen Feiertagen veröffentlichten, offiziellen Ergebnisse der Messungen des Fernmeldebüros Oberösterreich und der Obersten Fernmeldebehörde zeigen, werden die ÖVE/Önorm-Grenzwerte für Strahlungssicherheit bei allen Powerline-Modems um ein Vielfaches überschritten.

Der Grund dafür ist nicht etwa, dass die Modems Fehlkonstruktionen sind, sondern, dass ein "Stromversorgungsnetz zur Übertragung von Hochfrequenzenergie nicht spezifiziert und dafür auch nicht geeignet" ist, heißt es in der Begründung des Verkehrsministeriums.

"Ungeschirmt und unverseilt"

"Im Gegensatz zu Leitungssystemen, die zur Übertragung hochfrequenter Signale spezifiziert sind" wie etwa koaxiale HF-Kabel oder Ethernet-Kabel, die geschirmte und/oder verseilte Leitungspaare mit konstanter definierter Impedanz verwenden, handelt es sich beim 230 V Stromversorgungsnetz um ungeschirmte, unverseilte, unterirdisch oder/und oberirdisch frei verlegte Leitungen."

Schafft maximal 768/375 KBit/sec

Das Speed-Web der Linz AG bietet als maximale Bandbreite "bis zu 768/375 KBit/sec".

Das "bis zu" bedeutet: Sobald in einer Wohnanalage mehrere Teilnehmer an das Speed-Web angeschlossen sind, verteilt sich diese Bandbreite auf alle, ähnlich wie sich die [theoretischen] zwei Mbit/sec auf alle User einer UMTS-Funkzelle verteilen.

Von Notfunkdiensten...

In das gestörte Frequenzspektrum [1,8 bis 31 MHz] fällt der komplette Kurzwellen-Bereich, darunter sind naturgemäß auch jene Frequenzen, die Radio-Auslandsdienste von BBC bis ORF seit Jahrzehnten nützen.

Aber auch alle Notfunkdienste von Rotem Kreuz bis zu internationalen Hilfsorganisationen und Militärs sind auf die Kurzwelle als ultimative Fallback-Lösung angewiesen.

Wie die Messungen des Verkehrsministeriums zeigen sind im Störfeld der Powerline nur die stärksten Sender überhaupt noch elektronisch nachweisbar. Die überwiegende Mehrzahl der Sender aber verschwindet im elektronischen Orkus.

...bis zu Pass-Lesegeräten

Auch in der Nähe von Lesegeräten für die neuen Chip-Pässe darf Powerline jedenfalls nicht betrieben werden, da die "contactless Smartcards" als Übertragungsfrequenz 13,56 MHz verwenden. Die Geräte sind so empfindlich gegen Störungen, dass sie auch nicht in der Nähe von Metallflächen aufgestellt werden dürfen.

Vorstöße und Rückschläge

Die Geschichte der Powerline-Technologie ist seit dem Jahr 2000 von Rückschlägen geprägt. Ein Feldversuch der EVN in Niederösterreich wurde rund um die Jahrtausendwende wieder eingestellt.

Bereits 2001 vollzog Siemens den Ausstieg, 2004 schrieb der Mannheimer Energie-Erzeuger MVV die verlustträchtigte Sparte "Internet via Stromnetz" vollständig ab und lagerte sie in ein Tochterunternehmen aus.

Dazwischen gab es immer wieder Vorstöße der Stromkonzerne in Europa und den USA, die der Technologie einen kurzen Zwischenschub bescherten. Zuletzt geschah das 2004/2005, als die finanzkräftigen Lobbies der Energie-Erzeuger auf beiden Seiten des Atlantik erreichten, dass Powerline-Technologie als förderungswürdig anerkannt wurde.

Das Verkehrsministerium hat im Zuge des Verfahrens auch bei dem für Powerline zuständigen EU-Gremium eine Sachverhaltsdarstellung über die Störungen abgegeben.

(Erich Moechel)