17.11.1999

BAHNBRECHEND

Bildquelle: e-image

Ex-Compuserve-Chef freigesprochen

Das Landgericht München hat den früheren Deutschland-Chef des Online-Anbieters Compuserve, Felix Somm, freigesprochen. In dem Prozess, der fälschlicherweise oft als "Kinderpornografie-Prozess" bezeichnet wurde, ging es um die Verantwortung eines Providers für verbotene Inhalte.

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung hatten zuvor den Freispruch Somms gefordert, der in erster Instanz wegen der Verbreitung pornografischer Inhalte zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe und 100.000 Mark Geldbuße verurteilt worden war.

"Sperrung weder zumutbar noch möglich"

Ankläger Franz von Hunoltstein sagte in dem Verfahren, dem Ex-Manager sei eine Sperrung der pornografischen Internet-Angebote weder zumutbar noch möglich gewesen. Der Prozess galt als wichtige Weichenstellung für die Zukunft der deutschen Online-Branche.

Die Vorgeschichte

Somm war bis 1997 Geschäftsführer bei Compuserve Deutschland. Das inzwischen von AOL übernommene Unternehmen stellte die Verbindung deutscher Compuserve-Mitglieder zu den Computern der US-Zentrale her und hatte kaum Einfluss auf die gespeicherten Inhalte. Im November 1995 durchsuchten Polizisten die Compuserve-Geschäftsräume und zeigten Somm Newsgroups aus den USA mit eindeutigen Namen wie "alt.sex.pedophilia" oder "alt.sex.incest". Amtsrichter Hubbert befand, Somm habe von den Inhalten wissen müssen und sei, obwohl die Seiten in den USA entstanden waren, als Geschäftsführer einer deutschen Firma für die Inhalte verantwortlich.

In seiner Urteilsbegründung schrieb Hubbert, der Angeklagte und Compuserve wussten und wollten, dass "harte Pornographie" öffentlich zugänglich gemacht werden sollte. "Bis ins letzte Kinderzimmer" habe Somm aus Geschäftsinteressen den deutschen Kunden Kinder-, Tier und Gewaltpornografie zugänglich gemacht.

Multimediagesetz

Die Hauptrolle in dem Prozess hat eigentlich das deutsche Multimediagesetz gespielt. Das Gesetz mit der offiziellen Bezeichnung Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz [IuKDG] trat am 1. August 1997 in Kraft und regelt zentrale Rahmenbedingungen für die Telekommunikationsbranche.

Neben verschiedenen Bestimmungen unter anderem zum Datenschutz regelt das Gesetz auch die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern wie den Anbietern von Internet-Zugängen.

§ 5 IuKDG:

Diensteanbieter sind für eigene Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich. Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern. Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, zu denen sie lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich. Eine automatische und kurzzeitige Vorhaltung fremder Inhalte auf Grund Nutzerabfrage gilt als Zugangsvermittlung. Verpflichtungen zur Sperrung der Nutzung rechtswidriger Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen bleiben unberührt, wenn der Diensteanbieter unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses [...] von diesen Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung technisch möglich und zumutbar ist.