© Reuters/Jim Young, Barack Obama

"Acht finstere Jahre sind vorbei"

OBAMAS IT-POLITIK
21.11.2008

Barack Obamas erste Nominierungen von anerkannten Internet-Experten für den US-Telekomregulator FCC signalisieren eine Wende in der IT-Politik der USA. Netzwerkprofessor Dave Farber und ICANN-Vorstand Roberto Gaetano über die IT-Politik der neuen Regierung.

Seit der designierte US-Präsident angekündigt hat, in seiner Regierung den Posten eines obersten Technologiebeauftragten (CTO) einzuführen, brummt es in der Blogosphäre, die maßgeblich zu Obamas Wahlsieg beigetragen hat.

Von Bill Gates und Steve Jobs abwärts wird über alle möglichen IT-Tycoons als Kandidaten spekuliert, dazu werden führende Köpfe der Internet-Intelligenzia genannt, wie etwa Ed Felten, Professor an der Uni Princeton, Lawrence Lessig (Stanford University) und Bruce Schneier, der weltweit wohl bekannteste IT-Sicherheitsexperte aus den USA.

Der Apparat

Von der "Job-Definition" her sind aber andere Fähigkeiten nötig als jene, die oben genannte Personen auszeichnen. Der "Chief Technology Officer" muss in erster Linie eine konsistente Strategie entwickeln, um die Systeme der diversen US-Behörden unter einen Hut zu bringen. Gute Kenntnisse des Apparats sind da unerlässlich, und die bringen eben nur Leute mit, die diesem Apparat länger angehört haben.

Unter den fünf Kandidaten, die das US-Magazin "Forbes" für wahrscheinlich hält, sind zwei vormalige CTOs und ein Direktor der Defense Information Systems Agency bzw. der Defense Intelligence Agency.

"Acht finstere Jahre"

Dave Farber, Netzwerkarchitekt

Nach seiner Graduierung 1956 war Farber elf Jahre lang in den Bell Labs tätig, wo er am Design des ersten elektronischen Switches und der Programmiersprache SNOBOL beteiligt war. Im Anschluss arbeitete Farber für die Rand Corporation und wirkte maßgeblich an der Architektur der ersten zivilen Netze, nämlich der Forschungsnetzwerke CSNET und NSFNet, mit.

Mit IP (Interesting People) unterhält Farber eine der größten und einflussreichsten Mailinglists im Netz. Unter den etwa 30.000 Abonnenten sind viele Topmanager, auf die Liste kommt man nur über eine persönliche Anfrage beim Moderator selbst.

"Wir sind dabei, acht finstere Jahre hinter uns zu lassen", schrieb Dave Farber, Netzwerkarchitekt und mittlerweile emeritierter Professor für Computerwissenschaften an der Carnegie Mellon Universität, an ORF.at.

Nun sei es an der Zeit, "der Regierung der USA die technischen Grundlagen neu zu vermitteln", so Farber, der selbst ein sehr unerfreuliches Jahr als Technologiechef der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (2000-2001) verbracht hatte (siehe Kasten links).

Über seine Zeit als oberster Techniker der Federal Communications Commission rund um den Amtsantritt von Präsident George W. Bush sagte Dave Farber 2006 zu ORF.at:

"Ich hatte dort einen ziemlich seltsamen Job. Ich musste Beamten erklären, wie das Internet funktioniert. Aber weitergegangen ist nichts bei der FCC", weil die Beamten "nicht wirklich kapiert" hätten, was im Internet Sache sei.

Auch sonst spart Netzwerkprofessor Farber nicht mit Kritik an den Auswüchsen des Bush-Regimes. Die Sicherheitsvorkehrungen der US-Heimatschutzbehörden bezeichnete er als "Kabuki-Theater", das "Profiling" [Rastern] der Flugpassagierdaten als "völlig ineffezient".

Technische Wiederbelebung

"Wir müssen die technischen Fähigkeiten von Kongress und Behörden bis hin zur FCC und dem Weißen Haus wiederbeleben. Gerade während sich das Land in einer schwierigen finanziellen Lage befindet, ist es an der Zeit, in Forschung und Entwicklung zu investieren, um neue Zukunftschancen zu schaffen. Die internationale Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Technologie muss wieder verstärkt werden, denn das hat sich in der Vergangenheit stets ausgezahlt."

Mit "Wiederbelebung" meint Farber in erster Linie eine Abkehr von der Politik der Budgetkürzungen für Aufsichtsbehörden und den technischen Beraterstab im Kongress, der überhaupt abgeschafft worden war. Damit wurde den Politikern eine Entscheidungsgrundlage in technischen Dingen entzogen. Wie nicht zu übersehen war, hatten sich Lobbyisten dieses Wissensvakuum für ihre eigenen Zwecke dienstbar gemacht.

Grundlegender Wandel

Die Wahl Obamas, schrieb Farber an ORF.at, zeige einen grundlegenden Wandel in der Sichtweise der USA, der dem Land selbst wie der gesamten Welt neues Potenzial eröffne.

Nämlich jener Ansatz, "der die letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts so spannend gemacht" und dazu geführt habe, "dass die Welt kleiner geworden ist und wir einander besser kennengelernt haben".

ICANN

Roberto Gaetano, Vizevorsitzender der Internet-Adressverwaltung ICANN, schrieb an ORF.at., sein Eindruck sei, dass Obama das Netz als Entwicklungsinstrument sehe und damit offener als sein Vorgänger umgehen werde.

Er, Gaetano, habe zwar noch keine Fakten auf dem Tisch, aber er höre, dass vom Obama-Team bereits ein detaillierter Plan für den Übergang der Telekommunikationsagenden erarbeitet worden sei. Kurzum: "Ich erwarte, dass sich die Beziehungen zur ICANN verbessern."

Susan Crawford

Das steht zu erwarten, hat doch Barack Obama vor einer Woche Susan Crawford ins Übergangsteam berufen, das die Regulationsbehörde FCC reformieren soll. Crawford ist Rechtsprofessorin an der University of Michigan und hat nicht erst seit ihrer Rolle im ICANN die Netzneutralität auf ihre Fahnen geschrieben.

Roberto Gaetano

Der italienische Mathematiker und Telekommunikationsexperte Roberto Gaetano arbeitet derzeit als "Head of Section for Software and Hardware Services" bei der UNO-Atomenergiebehörde (IAEA), die in der Wiener UNO-City beheimatet ist. Gaetano wurde am 3. November 2007 auf der ICANN-Sitzung in Los Angeles als stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Internet-Adressverwaltung bestätigt.

"Next Generation Networks"

Netzneutralität bedeut, dass Carrier und Internetzugangs-Provider - in der Regel sind das Telekoms wie AT&T und Kabel-TV-Betreiber wie Comcast - allen Datenverkehr gleich behandeln müssen.

Dem stehen die Pläne der Telekoms für "Next Generation Networks" entgegen, eine Art Zweiklassen-Internet, wo für bevorzugten Transport der jeweiligen Datenpakete Extragebühren von den Content-Anbietern eingehoben werden sollen.

Die "Internet-Partie"

Das lehnt nicht nur Crawford strikt ab, sondern auch das zweite von Obama benannte Mitglied der Übergangskommission. Kevin Werbach ist wie Crawford Rechtsprofessor und ebenso ein "net head" - auf gut Wienerisch: "von der Internet-Partie" - und Gründer des IT-Think-Tanks Supernova Group.

Was den Posten des neuen Chief Technology Officers in der kommenden Administration Obama angeht, so hatte einer auffallend hastig öffentlich abgewunken: Google-Chef Eric Schmidt, der während des Wahlkampfs persönlich für Obama getrommelt hatte.

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(futurezone/Erich Moechel)