Zu Besuch bei ENFOPOL
Der Posten in der Einfahrt II zur Rossauer Kaserne beachtet uns erst, als wir uns nach dem Referat "EDV-technische Komponenten" erkundigen. Genauso offen steht uns der weitere Weg dorthin.
Die Gegensprechanlage ist nicht aktiviert, die automatischen Türen sind offen. Drei Herren mittleren Alters aus der Abteilung II/3 [Bundespolizei] begrüssen uns. Alle drei haben an der Abfassung des mittlerweile berüchtigten Papiers ENFOPOL 98 mitgewirkt.
"Nicht fertige Arbeitsunterlagen"
Für Mitverfasser Konrad Hannig [Bild], dem "sehr am Herzen liegt, jemand zu finden, der unsere Seite versteht",
handelt es sich dabei um "Arbeitsunterlagen, die eigentlich noch nicht fertig waren."
Hannig wird vom Innenministerium nur im Range eines Bezirkinspektors geführt.
Die VolltextPublikation der 42 Seiten langen Liste mit den AbhörWünschen der EUROPOL-Arbeitsgruppe "Polizeiliche Zusammenarbeit" [alias "ENFOrcement POlice"] durch das deutsche NetzMagazin Telepolis stiess Ende November 98 auf öffentliche Skepsis.
Angesichts der nachgerade brutalen Offenheit, mit der die allumfassenden Zugriffswünsche der "gesetzlich ermächtigten Behörden" abgefasst sind, gab es anfangs noch Zweifel an der Echtheit des Papiers.
Kein Auszug aus Orwells "1984" sondern ENFOPOL 98 VolltextÖsterreicher als ENFOPOL-Fans im EU-Parlament
Die Liste der österreichischen EU-Parlamentarier, die für das
später vom EU-Ministerrat auf Herbst verschobene Abhörgesetz
gestimmt haben, ging in der Nacht auf heute online. Von 21
Abgeordneten waren acht anwesend. Alle acht haben für die Abhörpläne
gestimmt.
Falschmeldungen und Heimlichtuerei
ENFOPOL ist nichts als ein "Dokumentenname", sagt Hans-Peter Stückler, Oberstleutnant und Mitautor. "Wir sind keine neue Geheimorganisation oder gar ein Geheimdienst, sondern eine Polizei-Arbeitsgruppe, die den internationalen Rauschgifthandel genauso bekämpft wie Kinderpornographie. "
Warum dann in allen ENFOPOL-Papieren grundsätzlich nie von Forderungen der "Polizei", sondern immer nur von solchen "gesetzlich ermächtigter Behörden" die Rede sei, wollen wir wissen.
"Weil das bei sovielen involvierten Behörden der kleinste geinsame Nenner war", sagt Stückler. Keinesfalls sei diese Formulierung ein Versuch gewesen, auch Geheimdienste zu inkludieren.
Neue Rechner für das Sicherheitsbüro
Ob die zu Abhörzwecken vom Innenministerium angeschafften Grossrechner und anderes Equipment tatsächlich 10 Millionen ATS gekostet haben, wollen die Herren weder bestätigen noch dementieren.
So weit geht die neue Offenheit auch wieder nicht, dass über die technische Ausrüstung gesprochen werden könnte. Und ausserdem fungiere für die operative Seite das Sicherheitsbüro als Zentralstelle.
Sicherheitspolizeigesetz und ENFOPOL
"Wir hier versuchen nur technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu klären" sagt Wolfgang Glaninger, Fachbereichsleiter Telekom.
Dass die im schwebenden "Sicherheitspolizeigesetz" vorgesehene "erweiterte Gefahrenerforschung" im Zusammenhang mit den ENFOPOL-Plänen einen generellen Freibrief zum Abhören darstellen würde, bestreitet Glaninger entschieden. Im Sicherheitspolizeigesetz seien mit der "erweiterten Gefahrenerforschung" nur "herkömmliche Ermittlungsmethoden gemeint.