Kartellprozess gegen Microsoft geht weiter
Nach dreimonatiger Pause geht der Kartellprozeß gegen den Software-Riesen Microsoft heute vor dem US-Bezirksgericht in Washington weiter.
Bundesrichter Thomas Penfield Jackson hatte das Verfahren am 26. Februar nach 62 Verhandlungstagen unterbrochen und beiden Seiten nahegelegt, sich um einen Vergleich zu bemühen. Ein Vergleich ist inzwischen allerdings nicht zustandegekommen.
Der Prozess
Das US-Justizministerium und 19 Bundesstaaten haben Microsoft wegen Mißbrauchs einer monopolartigen Stellung verklagt. Fachleute erwarten, daß die Anklage zum Schluss der Beweisaufnahme auch Nachteile der beanstandeten Geschäftspraktiken für die Verbraucher belegen will. Microsoft will den Beweis antreten, dass der Wettbewerb ausreichend ist und funktioniert.
Die Schlusszeugenaussagen sollen bis zum amerikanischen Unabhängigkeitstag am 4. Juli über die Bühne gehen. Weitere Dokumente können noch im Anschluss an die Zeugenaussagen vorgelegt werden, dann folgen die Plädoyers und die Beweiswürdigung durch den Richter. Prozeßbeobachter halten es für möglich, dass sich das Verfahren noch bis ins nächste Jahr hinziehen kann.
Bis zur Prozesspause hatten Anklage und Verteidigung 24 Zeugen ins Kreuzverhör genommen. Chefankläger David Boies will beweisen, daß Microsoft seine dominierende Stellung auf dem Markt für Betriebssysteme ausnutzt, um Konkurrenten aus dem Internetgeschäft zu verdrängen.
Die Windows-Betriebssysteme von Microsoft bringen weltweit rund 90 Prozent der Rechner zum Laufen. Kernpunkt der Klage ist die Vermarktung des Navigationsprogramms Internet Explorer. Die Kartellwächter halten die Einbindung dieses Programms in die Windows-Betriebssysteme für den Versuch, andere Browser-Anbieter wie Netscape vom boomenden Internet-Markt zu verdrängen.
Netscape-Übernahme ist Argument der Verteidigung
Microsoft bestreitet die Vorwürfe und argumentiert, Windows und der Internet Explorer seien ein integriertes Produkt. Microsoft-Sprecher Jim Cullinan sagt, sein Unternehmen wolle in der nächsten Prozessphase belegen, daß der Software-Markt ganz anders sei, als die Kläger ihn darstellten.
Der Markt sei raschem Wandel unterworfen, auch was die Konkurrenz angehe. Microsoft weist auf die Milliardenübernahme von Netscape durch America Online [AOL] während des laufenden Prozesses hin. Der Software-Riese hat die Vorlage neuer Dokumente angekündigt, die zeigen sollen, daß AOL mit Microsoft konkurrieren will.
AOL im Visier der Microsoft-Anwälte
In der Folge hat Microsoft den AOL-Manager David Colburn auch als einen seiner Schlusszeugen benannt. Colburn ist im bisherigen Verfahren als Zeuge der Anklage aufgetreten. Die Microsoft-Anwälte wollen die Glaubwürdigkeit seiner Aussage erschüttern.
Ausserdem soll der Wirtschaftswissenschaftler Richard Schmalensee die Argumentation des Software-Riesen untermauern, dass Microsoft eine ganze Reihe von Konkurrenten hat. Der dritte Zeuge der Verteidigung ist der Software-Manager Gordon Eubanks.
Die Zeugen der Anklage
Zunächst ist aber die Anklage mit der Präsentation ihrer Schlusszeugen am Zug: IBM-Manager Garry Norris musste sich bereits in der vergangenen Woche einer Befragung der Verteidigung für das Verfahren unterziehen. Norris sagte aus, Microsoft habe Druck ausgeübt, um Konkurrenz für Windows auszuschalten. Der größte Softwarehersteller habe den größten Computerhersteller dazu gedrängt, zugunsten von Windows nicht länger das IBM-Betriebssystem OS/2 zu installieren. Als IBM dies abgelehnt habe, habe Microsoft die Lizenzgebühren für Windows auf insgesamt 220 Millionen Dollar mehr als verfünffacht.
Ein Vertreter des Justizministeriums kündigte weitere Enthüllungen an und nannte die bisherige Aussage des IBM-Managers nur die Spitze des Eisbergs.
Vor Norris tritt der Wirtschaftsprofessor Franklin Fisher für die Anklage in den Zeugenstand. Fisher will darlegen, daß Microsoft sich ein Monopol auf dem Markt für Betriebssysteme geschaffen hat. Als dritter Zeuge der Anklage will der Professor Edward Felten seine Auffassung verteidigen, daß man den Internet Explorer sehr wohl von Windows trennen kann.