Die eingebildete Wirtschaftskrise
Der IT-Journalist Paul Boutin aus San Francisco glaubt, dass wir uns die aktuelle Wirtschaftskrise nur einreden. Besonders in der Start-up-Welt des Silicon Valley gebe es viel irrationale Panik. Selbst derzeit arbeitslos, sieht Boutin verblüfft dabei zu, wie die Welt um ihn herum ganz normal weiterfunktioniert: "Die Schlangen bei Starbucks sind immer noch lang."
Die weltweite Wirtschaftskrise hatte in den letzten Monaten auch ganz massive Auswirkungen auf die Hightech-Welt. So hat das Web-2.0-Blog TechCrunch seit dem letzten Sommer mehr als 300.000 Kündigungen bei Technologie- und Unterhaltungselektronik-Unternehmen erfasst. Selbst ein Vorzeigeunternehmen wie Google sah sich angesichts einer unsicheren Zukunft plötzlich dazu gezwungen, erstmals in seiner Geschichte zahlreiche Mitarbeiter zu kündigen.
Boutin hält diese Entlassungswellen für ein Symptom irrationaler Angst. Weltuntergangsszenarien hält der in San Francisco lebende IT-Journalist für völlig unangebracht. "Die Schlangen bei Starbucks sind immer noch lang", so Boutin. "Leute geben immer noch Geld aus, haben immer noch Jobs."
Valleywag machte sich in der Web-2.0-Welt mit einer Mischung aus Klatsch, Gerüchten und bissiger Branchen-Berichterstattung einen Namen. Seit November existiert Valleywag nur noch als Rubrik des Blogs Gawker.com.
Selbst Opfer der Krise
Boutins Optimismus ist umso bemerkenswerter, als dass er vor ein paar Monaten selbst zum Opfer der Krise wurde. Er verlor im November seinen Job beim Silicon-Valley-Blog Valleywag, nachdem dieses aus Kostengründen mit einem anderen Weblog des gleichen Verlags fusioniert war.
Seitdem schlägt sich Boutin als freier Journalist durch. "Ich schreibe Artikel für die 'New York Times' und weiß gleichzeitig nicht, wovon ich in diesem Monat meine Miete bezahle", erklärt er. "Es ist eine sehr seltsame Zeit hier im Silicon Valley."
Am Sonntag um 22.30 Uhr im Ö1-Magazin "matrix": Janko Röttgers sprach in Kalifornien mit Betroffenen und Chronisten der Wirtschatfskrise über Parallelen zum Dot.com-Boom Anfang des Jahrzehnts und über Auswirkungen und mögliche positive Folgen der derzeitigen Krise.
Sündenfall Pessimismus
Seine Kündigung sei jedoch das beste Beispiel dafür, dass Unternehmern der für die Internet-Wirtschaft notwendige Mut zum Risiko abhandenkomme. Zu anderen Zeiten sei es gar kein Problem gewesen, ein paar Monate in den roten Zahlen zu wirtschaften. Google habe sogar zwei Jahre gebraucht, bis es überhaupt ein Geschäftsmodell gehabt habe. Angesichts der Krise gäben Unternehmer heute jedoch viel zu schnell auf.
Problematisch an dieser Entwicklung sei, dass Panik die Krise nur noch schlimmer mache. Boutins Fazit: "In ein paar Jahren werden wir zurückblicken und erkennen, dass wir uns das mit unserer negativen Einstellung selbst eingebrockt haben."
(matrix/Janko Röttgers)