Reality Check Check: 2005
Das Jahr 2005 hat aus der Perspektive von 1996 viel zu bieten: Computer spielen Schach, das Schweinchen spendet seine Niere und Office kommt aus der Steckdose. Am Ende räumt der Roboter den ganzen Dreck weg.
Das Glücksschweinchen des Jahres 2005 besteht jedenfalls nicht aus Marzipan, sondern aus feinen transplantierbaren Organen, meinten die Experten von "Reality Check". Die Vorhersage aus dem medizinischen Bereich war, wie immer, viel zu optimistisch. Wahrscheinlich deshalb, weil die befragten Experten auf die Aussagen von Medizinern zurückgriffen, die alle am Forschungsmittel-Tropf hängen.
Futuristisch wie eine Kaffeemaschine mit Internet-Anschluss, exotisch wie ein Rootkit beim Zahnarzt: Unsere kurze Serie stellt eine Auswahl von Zukunftsvisionen vor, die 1996 in dem Hardwired-Band "Reality Check" veröffentlicht wurden.
Heute: 2005.
Ein Computerprogramm besiegt einen menschlichen Schachmeister
"Bis 2005 wird ein Computer Schachweltmeister sein", heißt es in "Reality Check", wo auch schon das erste Match zwischen Garri Kasparow und IBMs Deep Blue von 1996 zitiert wird. Dieses Match hatte der russische Champion noch gewinnen können.
Kasparow verlor aber bereits 1997 gegen eine Deeper Blue genannte verbesserte Version des IBM-Rechners und war damit der erste menschliche Schachweltmeister, der sich einem Computer geschlagen geben musste.
Gut, Computer können mittlerweile besser Schach spielen als Menschen. Aber erst wenn sie auch im Go jeden Großmeister schlagen, sollten wir allmählich anfangen, uns wirklich Sorgen zu machen.
Tiere als Organspender für Menschen
"Bis 2005 werden speziesübergreifende Organtransplantationen zwar noch nicht alltäglich sein, aber sie werden das Leben einiger weniger Menschen verlängert haben."
Die Autoren von "Reality Check" waren auch hier zu optimistisch. Auf dem letzten Symposium der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Xenotransplantation im Juni 2006 berichteten führende Wissenschaftler vom Stand der Forschung in Sachen Organtransplantation von Tieren auf Menschen.
Das Fazit: Es gibt ermutigende Fortschritte bei der Zucht von Organspender-Schweinen und bei der Transplantation von Schweineorganen auf Primaten. Laut der deutschen "Ärztezeitung" rechnet Christopher McGregor von der Mayo Clinic für das Jahr 2010 mit der ersten Transplantation eines Schweineherzens in einen Menschen.
Haushaltsroboter
"Im Jahr 2005 wird es Haushaltsroboter zu kaufen geben", schreiben die Robo-Freunde von "Reality Check".
Richtig. Halbwegs erschwingliche und autonome Staubsauge-Bots der von MIT-Abgängern gegründeten US-Firma iRobot gibt es allerdings schon seit 2002 zu kaufen.
Interessanter als schnöde Staubsaug-Bots sind allerdings die neulich erst prämierten kuscheligen Therapie-Robben aus Japan. Haben diese flauschigen Gesellen erst weitere Verbreitung gefunden, wird man auch gleich einen Putz-Bot brauchen, der ihre Fussel wieder wegsaugt. So schaffen Roboter wenigstens Jobs für andere Roboter.
"Software Superdistribution"
"Reality Check" hatte erwartet, dass im Jahr 2005 Software wie Elektrizität vertrieben werden würde. Das System, das den Autoren vorschwebte, hätte so funktioniert: Ein spezieller Chip im Heimcomputer registriert, wie lange Eudora, Windows und Netscape in Betrieb waren, und rechnet dann ab.
Einer der 1996 befragten Experten rechnete allerdings bis zur Jahrtausendwende mit einem derartigen Preisverfall bei der Software, dass "die Hersteller ihre Kunden noch dafür zahlen werden, dass sie ihre Programme verwenden".
Insgesamt wurde dieses Konzept durch die Anstrengungen der Open-Source-Szene vollkommen überholt. Niemand würde, wie auf der Illustration in "Reality Check", heute dafür bezahlen, "Netscape 6.2.5" nutzen zu dürfen. Am nächsten kommt der Idee von damals wohl noch Microsofts neuer Business-Werkzeugkasten Office Live.
(futurezone | Günter Hack)