© Günter Hack, vfgh-präsident gerhart holzinger

VfGH: Beschwerden gegen SPG unzulässig

DEMOKRATIE
15.07.2009

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Anträge von Mobilfunkprovidern und Privatpersonen gegen das 2007 novellierte Sicherheitspolizeigesetz (SPG) aus formalen Gründen für unzulässig erklärt. Gleichzeitig präzisierten die Verfassungsrichter jedoch die Überwachungsbefugnisse der Polizei und rügten die Vorgehensweise von SPÖ und ÖVP bei der Einbringung des Gesetzes scharf.

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Zur Entscheidung des VfGH äußerten sich die Grünen und T-Mobile als Beschwerdeführer verhalten positiv.

Sowohl Privatpersonen als auch Mobilfunkbetreiber hätten die Möglichkeit, den bestehenden Rechtsweg gegen unzulässige Abfragen der Polizei auszuschöpfen, begründete der VfGH die Ablehnung. Es bestehe außerdem keine aktuelle Betroffenheit, weil sich aus der SPG-Novelle "nicht weitere als schon bisher vorhandene Speicherverpflichtungen ergeben".

Keine Grundlage für erweiterte Datenspeicherung

Gleichzeitig präzisierten die 14 Verfassungsrichter, dass das Sicherheitspolizeigesetz keine Grundlage für eine erweiterte Speicherung von Kommunikationsdaten abgibt. Telefonieprovider hatten befürchtet, dass das SPG sie dazu zwingen könne, mehr Daten als bisher zu erfassen und den Ermittlern zur Verfügung zu stellen.

Wie bisher dürften die Kommunikationsdaten von den Providern nur so lange gespeichert werden wie zur Rechnungslegung notwendig. Das umfasse, so VfGH-Präsident Gerhart Holzinger, nach Auskunft der Provider einen Zeitraum von sechs Monaten.

Die Provider seien auch keineswegs dazu verpflichtet, jeder Anfrage der Polizei sofort Folge zu leisten. Im SPG sei vorgesehen, dass die Provider bei Abfrageversuchen, die aus ihrer Sicht rechtswidrig seien, vor den Verwaltungssenat ziehen könnten.

Die österreichische Umsetzung der EG-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (Data-Retention) ist von der Entscheidung nicht betroffen. Diese soll, so die letzte Auskunft des federführenden Infrastrukturministeriums gegenüber ORF.at, im September vorgestellt und Anfang 2010 rechtskräftig werden. Holzinger warnte: "Bei der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung sollte der Gesetzgeber große Zurückhaltung üben."

Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hat angekündigt, nur die notwendigsten Punkte der Data-Retention-Richtlinie umsetzen zu wollen. Die Speicherfrist beträgt dabei sechs Monate.

Die Beschwerdeführer

2008 wurden die ersten Klagen gegen das Sicherheitspolizeigesetz eingebracht. Mit jeweils einem Individualantrag gegen das SPG wandten sich Marie Ringler, Wiener Landtagsabgeordnete der Grünen, der Internet-Provider Silver Server, der Mobilfunker T-Mobile und der Gratis-WLAN-Hotspot-Betreiber Freewave an den VfGH. Das Gesetz verstoße unter anderem gegen das verfassungsrechtlich garantierte Fernmeldegeheimnis.

Abhören mit IMSI-Catcher verfassungswidrig

Die Verfassungsrichter stellten fest, dass der Einsatz sogenannter IMSI-Catcher zum Abhören von Gesprächsinhalten verfassungswidrig ist. Die IMSI-Catcher dürfen ausschließlich zur präzisen Standortbestimmung von Personen in Not verwendet werden.

Holzinger sagte, das Innenministerium habe gegenüber dem VfGH behauptet, dass IMSI-Catcher nicht zum Abhören von Personen geeignet seien. Ein IMSI-Catcher ist ein Gerät, das sich gegenüber Handys als Mobilfunkbasisstation ausgibt und in einem bestimmten Umkreis alle Kommunikation - auch deren Inhalte - übernimmt. Der eigentliche Grund für den Einsatz der Geräte, für deren Anschaffung 2007 rund 600.000 Euro budgetiert waren, dürfte mit der VfGH-Entscheidung in Frage gestellt worden sein.

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Holzinger kritisierte das Zustandekommen der SPG-Novelle scharf. Im Dezember 2007 hatten die Sicherheitssprecher von SPÖ und ÖVP in letzter Minute vor Verabschiedung des Gesetzes Abänderungsanträge eingebracht, die den Einsatz von IMSI-Catchern und die Abfrage von IP-Adressen zu Fahndungszwecken erlauben. Holzinger bezeichnete dieses Vorgehen als "Nacht-und-Nebel-Aktion" und sagte: "In Fragen des Datenschutzes sollte der Gesetzgeber besonders gründlich arbeiten."

Weiters widersprach Holzinger eine der Behauptungen der damaligen Sicherheitssprecher Günter Kößl (ÖVP) und Rudolf Parnigoni (SPÖ) und des Innenministeriums, nach denen die IMSI-Catcher zum Auffinden verirrter Tourengeher benötigt würden. Tatsächlich sei schon lange im Telekommunikationsgesetz festgelegt, dass Hilfsorganisationen von den Providern im Ernstfall Standortdaten abfragen dürften.

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Anfang 2008 hat die Polizei durchschnittlich 32 Abfragen gemäß SPG pro Tag durchgeführt.

Keine vollständige inhaltliche Prüfung

Bei der Entscheidung des VfGH habe die Frage nach Wegfall des Richtervorbehalts bei der Durchführung der Überwachungsmaßnahmen keine Rolle gespielt, so Holzinger auf Anfrage von ORF.at, das sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Laut SPG kontrolliert nicht ein Richter die Abfragen, die die Polizei bei selbst definierter "Gefahr im Verzug" vornimmt, sondern der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums.

Holzinger betonte zudem, dass damit nicht alle Bestimmungen im SPG auf Verfassungskonformität geprüft worden seien. Es sei nur darum gegangen festzustellen, ob die Individualbeschwerden zulässig seien. Die österreichische Verfassung sieht aber keine Möglichkeit für Einzelpersonen vor, direkt Gesetze vor dem Verfassungsgerichtshof zu beeinspruchen. Es bestehe aber die Möglichkeit, dass der VfGH sich beispielsweise durch den Umweg über die Beeinspruchung einer Entscheidung der Datenschutzkommission inhaltlich mit dem Gesetz befasse.

(futurezone/Günter Hack)