© AP/Christian Lutz, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

SPG-Gegner erwägen Gang nach Straßburg

KONTROLLE
18.08.2009

Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Individualanträge gegen das novellierte Sicherheitspolizeigesetz (SPG) zurückgewiesen hat, erwägen die Antragsteller nun den Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

In einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung haben der Rechtsanwalt Ewald Scheucher und der Erstantragsteller Hannes Tretter der Enttäuschung ihrer Mandanten über die Entscheidung des VfGH vom 1. Juli Ausdruck verliehen, mit der das Höchstgericht die Individualanträge gegen das im Dezember 2007 novellierte SPG zurückgewiesen hat.

Laut VfGH hatten die Antragsteller keine unmittelbare und gegenwärtige rechtliche Betroffenheit nachweisen können, zudem gäbe es andere Möglichkeiten des Rekurses außer dem Gang vor den VfGH, unter anderem ein Auskunftsrecht gemäß Datenschutzgesetz 2000. Die Antragsteller erwägen nun, gegen die Republik Österreich eine Beschwerde am EGMRg zu erheben.

Insgesamt hatten 27 Bürger über Scheucher und Tretter Individualanträge gegen Teile einzelner Bestimmungen des SPG gestellt, das im Dezember 2006 von SPÖ und ÖVP novelliert worden war. Das SPG neu sieht unter anderem vor, dass die Polizei bei selbst definierter "Gefahr in Verzug" ohne richterliche Kontrolle Zugriff auf sensible Kommunikationsdaten wie IP-Adressen und Handystandortinformationen erhält.

Die Kontrolle erfolgt dabei durch den Rechtsschutzbeauftragten des Innenministeriums. Die Betroffenen der Überwachungsaktionen müssen nach Beendigung derselben nicht von den Behörden informiert werden.

Öffentliche Debatte vermisst

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass es "demokratiepolitisch wertvoll" gewesen wäre, "über die Zulässigkeit der Anträge eine öffentliche Verhandlung abzuführen, in der die Besorgnis vieler Menschen in diesem Land über die Ausweitung der Kontroll- und Überwachungsbefugnisse der Sicherheitsbehörden ohne nachträgliche Information der Betroffenen hätte gehört werden können".

Weiters hätten es die Antragsteller gern gesehen, wenn im Rahmen eines solchen Verfahrens auch über "eine mögliche Anpassung der Zulässigkeitsjudikatur bei Individualanträgen" am VfGH debattiert worden wäre. "Von den AntragstellerInnen als Rechtsschutzvoraussetzung den Nachweis zu fordern, dass sie von einer heimlichen Überwachungsmaßnahme unmittelbar, aktuell und konkret betroffen sind, ist realitätsfern", schreiben die Anwälte.

"Es liegt nämlich gerade in der Natur geheimer Maßnahmen, dass Betroffene davon keine Kenntnis erlangen." Das könnte auch als Grundlage für die Beschwerde vor dem EGMR dienen, wie aus der Mitteilung der Anwälte hervorgeht.

Präzisierung in der Zurückweisung

Im Rahmen der Zurückweisung der Individualanträge hat der VfGH die Überwachungsbefugnisse der Polizei präzisiert und eingeschränkt, es gebe keine Grundlage für erweiterte Speicherung von Handy- und Internet-Daten. Außerdem rügten die Verfassungsrichter die Vorgehensweise von SPÖ und ÖVP bei der Einbringung des Gesetzes scharf.

Die Sicherheitssprecher von SPÖ und ÖVP hatten am 12. Dezember 2007 in letzter Minute vor Verabschiedung des Gesetzes Abänderungsanträge eingebracht, die den Einsatz von IMSI-Catchern und die Abfrage von IP-Adressen zu Fahndungszwecken erlaubten. VfGH-Präsident Gerhart Holzinger bezeichnete dieses Vorgehen auf einer Pressekonferenz am 15. Juli in Wien als "Nacht-und-Nebel-Aktion" und sagte: "In Fragen des Datenschutzes sollte der Gesetzgeber besonders gründlich arbeiten."

Nach Bekanntgabe der Entscheidung hatten sich daher Beschwerdeführer wie Klaus Steinmaurer, der Jurist von T-Mobile Austria, und die Wiener Stadträtin Marie Ringler (Grüne) positiv über die Reaktion der Verfassungsrichter geäußert.

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