Polen: User gegen Internet-Sperrgesetz

KONTROLLE
26.01.2010

Polens Regierung will eine Sperrliste für Domains mit illegalen Inhalten einführen. Kritiker werfen Premier Donald Tusk vor, damit einen illegalen Mechanismus zur Vorzensur einsetzen zu wollen. Sie haben Präsident Lech Kaczynski gebeten, das Gesetz nicht zu unterschreiben.

Über 100 Künstler, Politiker, Unternehmer und Wissenschaftler haben bisher den Appell gegen den Gesetzesentwurf der Regierung unterschrieben, durch den bestimmte Internet-Domains gesperrt werden sollen. Das sagte der Organisator des Protests, Borys Musielak, der APA. Der Appell fordert Präsident Kaczynski auf, ein Veto gegen das Gesetz einzulegen. Außerdem trugen sich seit vergangenem Sommer 77.000 Internet-Nutzer auf einer begleitenden Unterschriftenliste gegen Zensur im Internet ein.

Der Appell wurde von mehrere Organisationen gestartet, die für Meinungsfreiheit eintreten. Als "sehr gefährliche und den Interessen der Bürger entgegenstehende Idee" bezeichnet er den Gesetzesentwurf. Einen Filter für bestimmte Sites könne man damit vergleichen, dass den Bürgern "das Wort verboten wird, noch bevor sie überhaupt gesprochen haben". Ein Premier Tusk gewidmetes Lied im Balladenstil mit dem Titel "Wir danken dir, dass du uns einen Maulkorb anlegst" des Musikers Martin Lechowicz ist auf Googles Videoportal YouTube zu sehen.

"Ernsthafte Bedenken"

Präsident Kaczynski schließt nicht aus, dass er der Bitte der Internet-Nutzer nachkommen wird. "Er wird sich sehr aufmerksam mit dem Appell auseinandersetzen", erklärte der Minister in der Präsidentenkanzlei, Pawel Wypych, gegenüber der Zeitung "Rzeczpospolita". Denn die Informationen über das Gesetzesvorhaben der Regierung "wecken ernsthafte Bedenken", so Wypych.

Vertreter der Regierung reagierten bisher nicht auf den Appell. Ministerpräsident Tusk hatte erklärt, die Gesetzesänderung solle das Glücksspiel im Internet und die Verbreitung von kriminellen Inhalten wie Kinderpornografie verhindern. Polnische Medien berichteten, dass dafür eine schwarze Liste mit Websites erstellt werden solle, die Internet-Betreiber blockieren müssen. In Deutschland wurde nach Regierungseintritt der FDP ein ähnliches Gesetz vorerst auf Eis gelegt.

Tusk bringt mit dem Projekt eine Bevölkerungsgruppe gegen sich und seine rechtsliberale Regierungspartei Bürgerplattform (PO) auf, die ihn bei der Parlamentswahl 2007 massiv unterstützte. So starteten Internet-Nutzer vor drei Jahren die Aktion "Nimm deiner Oma den Ausweis weg", weil die Konkurrenzparteien der PO einen größeren Wähleranteil unter älteren Menschen haben.

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(APA)