
Schlagabtausch um SWIFT-Affäre
EVP-Europaparlamentarier Ernst Strasser hat "erhebliche Zweifel", ob seine Fraktion dem SWIFT-Interimsabkommen mit den USA zustimmen wird. Die Sozialdemokraten lehnen es ab. Bleibt es dabei, tritt das vom Ministerrat ausgehandelte Abkommen am 1. Februar in Kraft und wird am 10. wieder suspendiert.
"Es war eine heftige Auseinandersetzung mit den Vertretern von Kommission und Rat", sagte Strasser, der als einziger österreichischer Abgeordneter dem Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) angehört, am Mittwoch zu ORF.at.
Im LIBE-Ausschuss wurde am Mittwoch über zwei brisante transatlantische Themen diskutiert. Zum einen stehen für den heuer auslaufenden Vertrag zur Weitergabe der Flugpassagierdaten (PNR) an die USA Neuverhandlungen an.
Zum anderen läuft das Abkommen für die Übermittlung der Daten aus dem internationalen Bankentransfersystem SWIFT bereits am 1. Februar aus. Nur Stunden vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hatte der Ministerrat im Dezember das neue Interimsabkommen mit den USA im Alleingang ausgehandelt.
Der fehlende Annex
Er habe "erhebliche Zweifel" daran, dass seine Fraktion dem Interimsabkommen zustimmen werde, sagte Strasser. "Wir wollen erst einmal den gesamten Vertrag inklusive Annex sehen, denn bis jetzt haben wir den nicht zu Gesicht bekommen." Bekanntlich sind in den Anhängen zu internationalen Verträgen sehr oft die umstrittensten Punkte versteckt.
Diese (Nicht-)Informationspolitik der Ratsvertreter, die offen versucht hatten, die durch den Lissabon-Vertrag erweiterten Mitspracherechte des Parlaments durch geschicktes Timing auszuhebeln, hatte die Parlamentarier empört. Das Parlament sollte erst nach Inkrafttreten des neuen interimistischen Abkommens mit den USA über den Inhalt informiert werden.
Sollten die EU-Parlamentarier bei ihrer nächsten Plenarsitzung am 9. Februar dagegen stimmen, würde das Abkommen dadurch außer Kraft gesetzt.
Die Vorgangsweise des Rats
Die EU-Außenminister übermittelten das umstrittene Interimsabkommen zur Weitergabe von SWIFT-Finanzdaten an die USA erst am Montag an das EU-Parlament. Da es diese und nächste Woche keine Plenarsitzungen gibt, hat das Parlament keine Möglichkeit, das Abkommen vor seinem Inkrafttreten zu diskutieren.
"Abkommen evaluieren"
Ebenfalls auf der Agenda des LIBE-Ausschusses stand am Mittwoch das ebenso umstrittene Abkommen zur Weitergabe der EU-Flugpassagierdaten an die USA. "Wir verlangen eine Evaluierung dieses Abkommens", sagte Strasser. Der Ansatz des Ministerrats, nach dem Vorfall in Detroit nun noch mehr Daten für Polizei und Geheimdienste zu fordern, stellt für Strasser eine "vollkommen falsche Antwort" dar.
Es seien mehr als genug Daten vorhanden gewesen, ?agte Strasser, aber "die Analyse hat nicht funktioniert. Es muss überprüft werden, warum die Dienste nicht in der Lage waren, diese Daten auszuwerten." Bekanntlich hatte der Vater des gescheiterten Selbstmordattentäters, der bereits unter Beobachtung stand, die Behörden persönlich vor seinem Sohn gewarnt.
Zweifel an Sinn von SWIFT
In Bezug auf die generelle Weitergabe von EU-Daten sagte Strasser: Bevor man "dem unbescholtenen Bürger neue Belastungen" auferlege, müssten bestehende Datenschutzbelastungen wie diese beiden Abkommen evaluiert werden.
Strasser wie auch sein Kollege Jörg Leichtfried (SPE) wiesen darauf hin, dass die Sinnhaftigkeit des SWIFT-Abkommens zur Verfolgung von Terroristen sogar vom deutschen Bundeskriminalamt (BKA) angezweifelt werde.
Auch wenn vonseiten des Rats nun endlich versucht werde, die EU-Abgeordneten einzubeziehen, seien noch immer wichtige Punkte ungeklärt, so Leichtfried: "Vor allem die Möglichkeit der Datenweitergabe an Drittstaaten durch die USA ist hinsichtlich des Datenschutzes sensibel."
Sozialdemokraten lehnen ab
Trete das SWIFT-Abkommen in Kraft, sei auch keineswegs gesichert, dass es lediglich bei der Weitergabe von Bankdaten bleibe und keine Ausdehnung auf andere Bereiche erfolge.
Nach genauer Durchsicht des Abkommens habe sich nämlich gezeigt, dass die Bedenken des EU-Parlaments seitens des Rats in keinster Weise berücksichtigt wurden. Leichtfried bekräftigte erneut, dass die SPÖ-EU-Delegation nach derzeitigem Stand keine Zustimmung erteilen wird.
Ebenso ungenügend sei der Vorschlag zum vermehrten Datenaustausch über Flugpassagiere, wie mit den zunehmenden Kontrollen die Freiheit der Bürger eingeschränkt werde. "Wenn wir unsere Freiheit immer weiter einschränken, haben die Terroristen gewonnen", so Leichtfried.
In der kommenden Woche wird sich der LIBE-Ausschuss erneut mit diesen Themen befassen.
(futurezone/Erich Moechel)